Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Treffen der EU-Finanzminister in Wien steht die gemeinsame Meinungsbildung im Vordergrund.

Foto: REUTERS / HEINZ-PETER BADER

Wien/Brüssel – Die Finanzminister haben am Freitag ihre zweitägigen Beratungen in Wien begonnen, derzeit "Finanzhauptstadt Europas" laut Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Italien hat der EU-Kommission dabei verstärkte Bemühungen zur Verringerung seines Haushaltsdefizits zugesagt. Der italienische Finanzminister Giovanni Tria habe Zusagen gemacht, die "in die richtige Richtung" gingen, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Freitag beim Treffen der EU-Finanzminister in Wien.

Er nannte eine Verbesserung des sogenannten strukturellen Haushaltsdefizits, bei dem konjunkturelle Schwankungen nicht berücksichtigt werden. Dies könne die Staatsverschuldung "klar auf einen Abwärtskurs bringen".

Im hoch verschuldeten Italien regiert seit Juni eine Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega-Partei. Sie hat im Wahlkampf eine Abkehr vom Sparkurs versprochen. Vize-Regierungschef Luigi Di Maio hatte Ende August in einem Interview gesagt, Italiens Defizit könne deshalb 2019 über der EU-Vorgabe von höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Bisher erwartete Brüssel 1,7 Prozent.

Haushaltspläne vor Prüfung

Bei dem Wiener Finanzministertreffen forderten die EU-Kommission und Vertreter der Eurozone Rom auf, sich an die europäischen Regeln zu halten. Die EU-Staaten müssen ihre Haushaltspläne bis zum 15. Oktober in Brüssel einreichen. Diese werden dann von der EU-Kommission geprüft. Die Behörde hatte Italien schon im vergangenen Jahr wegen der Finanzlage unter Beobachtung gestellt.

Italiens Gesamtverschuldung ist mit rund 132 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung schon jetzt die zweithöchste der Eurozone nach der des langjährigen Krisenstaates Griechenland. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Befürchtungen gegeben, dass auch die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone in eine finanzielle Schieflage geraten könnte.

Kryptowährungen auch Thema

Zum Thema "Krypto-Assets" (Bitcoins etc.) stellte EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis fest, dass diese – schon wegen der geringen Verbreitung in Europa – keine Bedrohung für das europäische Finanzsystem darstellen würden.

Auf EU-Ebene wird derzeit an einem Regelwerk dazu gearbeitet. Trotz der jüngsten Turbulenzen werde der Markt wachsen, zeigte sich Dombrovskis überzeugt: "Krypto-Assets sind hier und sie werden hier bleiben". Die Herausforderung sei nun, ob man neue Regeln für sie brauche, oder ob die bestehenden EU-Regeln – etwa gegen Geldwäsche – auch auf Bitcoins etc. anwendbar seien.

Löger sieht die Krypto-Währungen als Chance: Initial Coin Offerings (ICOs) könnten ein wertvolles Instrument für europäische Unternehmen sein, um Zugang zu Finanzierung zu erhalten. Dabei müssten aber auch Investoren- und Konsumentenschutz gewährleistet sein. Derzeit handle es sich großteils um einen unregulierten Markt und damit um eine Herausforderung, nicht nur für Institutionen sondern auch für Unternehmen. Gemeinsame Spielregeln auf europäischer Ebene sollten dazu beitragen, die Sicherheit im Umgang mit Krypto-Assets zu erhöhen. Diesbezüglich sei auch die Vermeidung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung besonders wichtig.

Digitalsteuer-Debatte am Samstag

Die EU-Finanzminister schließen am Samstag unter Vorsitz von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ihr zweitägiges informelles Treffen in Wien ab. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie große Internetkonzerne effizienter besteuert werden können. Das Thema einer europäischen Digitalsteuer hat zuletzt an Spannung gewonnen, weil es Zweifel gab, ob Deutschland noch dahintersteht.

Bei dem informellen EU-Ministertreffen (Ecofin) werden keine Beschlüsse gefasst, sondern eine gemeinsame Meinungsbildung steht im Vordergrund. Der Vorschlag der EU-Kommission liege auf dem Tisch, auch bei der OECD gebe es Überlegungen dazu. Aus einer "Falschmeldung" – dass nämlich der deutsche Finanzminister Olaf Scholz gegen eine Digitalsteuer wäre (Anm.) – sei nun eine große Energie bei Deutschland entstanden. Daher könne er morgen vielleicht sogar eine "überraschende Aussage" zur Digitalsteuer verkünden, deutete Löger eine Einigung an.

Bei einem gemeinsamen Mittagessen mit den Notenbankern der EU-Länder sowie Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) sei über die möglichen Folgen einer Normalisierung der Zinslandschaft – sprich einer Anhebung der Zinsen – gesprochen worden. Wichtig für alle Mitgliedstaaten sei es, auf die von der EZB angekündigte Normalisierung der Zinspolitik vorbereitet zu sein, die entsprechenden Strukturreformen durchzuführen und ihre öffentlichen Finanzen zu sanieren, betonte Löger.

Außerdem geht es um das EU-Budget von 2019 sowie um den nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027. Die EU-Kommission schlägt ein neues Instrument vor, mit dem Förderungen für Investitionen gebündelt werden können. Es soll über sieben Jahre 650 Mrd. Euro an Investitionen auslösen und die EU-Staaten zu Reformen motivieren. Das Treffen ist informell, daher sind keine Entscheidungen, wohl aber Weichenstellungen vorgesehen.

Polen will wegen Brexit mehr zahlen

Indes steht die Europäische Investitionsbank (EIB), Hausbank der EU, wegen dem Brexit vor einem ungewöhnlichen Problem: Polen will mehr Geld einzahlen als es müsste. Die Bank wehrt sich zwar nicht dagegen, die Maßnahme würde aber den Einfluss der einzelnen Mitglieder verschieben, was die Institution vor ein delikates Problem der Machtbalance stellt.

Wenn die Briten aus der EU ausscheiden, sollen sie auch ihr in die EIB einbezahltes Kapital – 3,5 Mrd. Euro – zurückbekommen und außerdem fällt ihr Haftungsrahmen von weiteren 36,5 Mrd. Euro weg. An sich ist unter den EU-Staaten unstrittig, dass sie diese Lücke auffüllen, wobei EIB-Präsident Werner Hoyer am Rande des EU-Finanzministertreffens (Ecofin) in Wien betonte, dass die Bank so gut mit Kapital ausgestattet ist, dass sie kein Geld benötigt – wohl aber Ersatz für die britischen Haftungen.

Polen will aber die Gelegenheit nutzen und seinen Einfluss in der EIB erhöhen. Beim Beitritt zur EU übernahm Polen weniger als zwei Prozent des EIB-Kapitals, während die großen Mitgliedsländer Deutschland, Frankreich, Italien und UK jeweils gut 16 Prozent haben. Nun hat das Land wirtschaftlich aufgeholt und ist in der EIB auch sehr aktiv und will entsprechend mehr Anteile haben.

Machtbalance

Da aber die Anteile an der EIB nicht nach einem Schlüssel, etwa dem BIP oder Bevölkerung, verteilt sind, sondern nach politischen Kriterien, bringt das Ansinnen Polens eine fein austarierte Machtbalance aus dem Gleichgewicht. Wenn Polen mehr Einfluss will, dann wollen es andere auch, etwa das gleich große Spanien. Die vier, künftig drei großen Mitgliedsländer wollen etwa nicht daran rütteln, in der EIB gleich stark vertreten zu sein, obwohl Deutschland nach allen Kriterien deutlich größer wäre.

Hoyer, damals Staatssekretär im deutschen Außenministerium, erinnert sich noch, dass die Verhandlungen über neue Stimmgewichte im EU-Ministerrat in den 1990er Jahren drei Jahre gedauert haben. Auch diesmal werde es wohl lange dauern, bis für die EIB ein neues politisches Gleichgewicht gefunden ist. Es sollte aber einen – einstimmigen – Beschluss vor dem Brexit geben, denn die EIB kann nur das zweieinhalbfache ihres Kapitals, eingezahltes plus garantiertes, als Kredit vergeben. Ohne Britenbeitrag wären das daher um 100 Mrd. Euro weniger als bisher.

So hofft man in der EU, dass Polen vorerst einer symmetrischen Aufstockung des EIB-Kapitals zustimmt, wenn man zusagt, dass anschließend über die Neugewichtung ernsthaft verhandelt wird. Noch gibt es dazu aber aus Warschau kein Grünes Licht. (APA/Reuters, 7.9.2018)