"A Rake’s Progress" ist eine Serie von Gemälden und Kupferstichen des englischen Künstlers William Hogarth. Die Werke entstanden zwischen 1733 und 1735 und zeigen sehr anschaulich den Abstieg und Fall des fiktiven Tom Rakewell, dem verschwenderischen Sohn und Erben eines reichen Kaufmanns, der in London sein Geld verprasst und schließlich in Schuldturm und Irrenhaus endet.

Mit den präzise und ausgesprochen detailreich ausgeführten Bildern verfasst Hogarth auch einen kritischen Kommentar zu den sozialen Verhältnisse und moralischen Verfehlungen der englischen Gesellschaft zur Mitte des 18. Jahrhunderts.

Szene eins

Tom Rakewell, der Sohn eines kürzlich verstorbenen wohlhabenden, aber geizigen Mannes, ist nach der Übernahme seines Vermögens nach Hause zurückgekehrt.

Das Bild des Zimmers ist voller Details, die den Reichtum unterstreichen, der in diesem ungepflegten, düsteren Haus herrscht. Ein Mann, offenbar der Vermögensverwalter, der am Tisch sitzt, stiehlt heimlich etwas Geld. Tom, dem ein neuer Maßanzug angepasst wird, versucht seine schwangere Geliebte Sarah Young nach gebrochenem Eheversprechen mit Geld ruhig zu stellen. Sie steht weinend an der Tür und hält einen Ring in der Hand. Sarahs Mutter jedoch weist die Handvoll Goldmünzen, die von Tom angeboten werden, wütend zurück. Im Hintergrund fallen Münzen aus einem Versteck unter einer Holzleiste an der Decke, während ein Diener Stoff an die Wand nagelt. Und eine hungernde abgemagerte Katze sucht in einer Truhe mit Silbergeschirr nach Futter. Ein wahres Tollhaus, das uns Hogarth hier präsentiert.

Szene eins: Der junge Erbe übernimmt den Besitz des alten Geizhalses.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene zwei

Tom verfügt nun über eine Menge Geld und lädt zu Empfängen in seiner mondänen neuen Unterkunft ein. Schnell hat er sich an seinen neuen Luxus gewöhnt.

Neben Tom, der links neben seinem Leibwächter steht, sind mehrere Besucher gekommen, um ihre Dienste anzubieten. Darunter ein Jockey, der einen gewonnenen Pokal in Händen hält, ein Tanzmeister mit Geige, ein Landschaftsgärtner, der Tom einen Plan für die Gestaltung des Gartens vorlegt, ein Fechtlehrer mit gezücktem Degen und ein Musiker, der am Cembalo Platz genommen hat. Und im Hintergrund warten noch weitere Besucher darauf, eingelassen zu werden: ein Dichter, ein Schneider, ein Perückenmacher... Eine absurde Mischung an Gestalten, die in den Genuss kommen möchten, sich im Licht des Gönners sonnen zu dürfen.

Hogarth wirft damit ein bezeichnendes satirisches Licht auf die Vergnügungen der High Society, aber auch auf die Mittelschicht in ihrem Streben nach gesellschaftlichem Aufstieg.

Szene zwei: Umgeben von Künstlern und Professoren.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene drei

Drei Uhr morgens und in der Rose Tavern, einem berüchtigten Bordell in Covent Garden, in dem sich Tom eingefunden hat, herrschen chaotische Zustände. Tom genießt die Zuwendung einer Prostituierten, die ihm dabei die Taschenuhr klaut. Währenddessen entledigt sich eine der Damen bereits ihrer Kleider und löchrigen Strümpfe. Es wird gespuckt, aus einem Kübel getrunken und aus Leibeskräften musiziert. Alltag in der Taverne, doch Rakewells moralischer Abstieg beginnt. 

Szene drei: In der Taverne.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene vier

Tom ist auf dem Weg zum St. James's Palace, um sich am Hof der Königin zu präsentieren. Da hält ihn ein Gerichtsvollzieher auf, der ihn wegen seiner angehäuften Schulden verhaften lassen will. Doch Sarah, die Tom immer noch liebt, schreitet ein, und rettet Tom. Sie gibt ihr ganzes erspartes Geld dem Gerichtsvollzieher. Und im White's Club, einem Spielsalon für die Reichen und Schönen, schlägt der Blitz ein. 

Szene vier: Die Verhaftung droht – die Party ist zu Ende.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene fünf

Der verarmte Tom sieht keine andere Ausflucht, als eine alte, jedoch offenbar sehr vermögende Frau zum Altar zu führen. Der Schauplatz der Vermählung ist die Marylebone Old Church nördlich des Hyde Park, die für geheim abgehaltene Hochzeiten bekannt war. Schon beim Tausch der Ringe scheint er eindeutig mehr an der hübschen jungen Magd interessiert als an seiner einäugigen Braut. Und im Hintergrund werden die treue Sarah, ihre Mutter und Toms von einem Kirchendiener brutal am Eintritt in die Kirche gehindert.

Szene fünf: Die Hochzeitsglocken läuten.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene sechs

Doch das Glück währt nicht lange. Tom verliert sein neu gewonnenes Vermögen in einer Spielhölle. Besessen vom Glücksspiel kniet er verzweifelt auf dem Boden, hebt die Fäuste gegen Gott oder das Schicksal, die ihm beide so übel gesinnt sind. Und die ins Spiel Vertieften bemerken nicht, dass offenbar das Gebäude in Flammen steht, denn Rauch dringt bereits durch die Decke ins Zimmer. 

Szene sechs: Im Spielsalon. Tom verliert alles.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene sieben

Es musste ja so kommen: Wir finden Tom im Schuldnergefängnis, gefangen in der Schuldenfalle. Ein Theaterstück, das er geschrieben hat, wurde abgelehnt. Das Schreiben liegt auf dem Tisch. Tom ist verzweifelt, seine Frau beschimpft ihn, weil er das ganze Vermögen verprasst hat. Sarah Young, die Tom mit ihrem Kind besuchen kam, ist ohnmächtig geworden, als sie ihn in dieser hoffnungslosen Situation sieht. Doch Tom ist nicht der einzige Verzweifelte. Ein Mann versucht an seiner kleinen Schmiede offenbar Katzengold (Pyrit) aus einem Kohleklumpen herzustellen.

Szene sieben: Die Gefängnistore öffnen sich. Der Beginn vom Ende.
Foto: metmuseum/Public Domain

Szene acht

Das Ende ist nah. Tom ist dem Wahnsinn verfallen und wurde ins Bethlehem Royal Hospital (Bedlam) eingeliefert. Endstation für unheilbare Fälle. Bedlam war eine öffentlich zugängliche Anstalt, und zwei modische Damen sind auf Sightseeing-Tour. Die leidenden Kranken zu beobachten ist für sie ein amüsanter Tagesausflug. Die immer treue Sarah Young sitzt weinend an Toms Seite.

Und so endet die schauerliche Bildfolge mit der ironischen Wendung, dass Tom den aristokratischen Lebensstil unbedingt nachahmen wollte, aber letztlich selbst zu einer Belustigung für die adeligen Damen geworden ist.

Szene acht: Angekommen im Irrenhaus. Das Ende des Weges.
Foto: metmuseum/Public Domain

Diese bekannte Serie von Stichen beruht übrigens auf Hogarths Gemälden, die weit weniger bekannt sind. Hier eines davon:

Tom in der Taverne.
Foto: Public Domain

Mit dieser Art der Aufbereitung einer Geschichte in Form einer Abfolge von Bildern betrat Hogarth Neuland. Gedruckte Satire war zu der Zeit bereits recht verbreitet und Drucke konnten überall in London erworben werden. Doch Hogarth ging mit seinen Bilderserien einen Schritt weiter, indem er mit gewissermaßen Vorlagen für Theaterstücke, eine frühe Form des Storyboards lieferte. Und tatsächlich wurden Hogarth's Serien schon zu seinen Lebzeiten in Stücke und pantomimische Aufführungen umgesetzt. (Kurt Tutschek, X.9.2018)

Weitere Beiträge von Kurt Tutschek