Auf die Schweden kommen nun Wochen, vielleicht auch Monate der Regierungsbildung zu.

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Eines muss man den Schweden lassen: Sie beherrschen das Krimi-Fach. Nicht Håkan Nesser, Arne Dahl, der leider früh verstorbene Henning Mankell und dutzende andere Autoren sorg(t)en stets für angespannte Nerven, auch die wahlberechtigten Schwedinnen und Schweden verstehen sich offenbar sehr gut darauf.

So sah es am gestrigen Wahlabend zunächst danach aus, als hätten die ausländerfeindlichen Schwedendemokraten tatsächlich ihren ganzen Rückstand zu den bisher elf Prozent vor ihnen liegenden (konservativen) Moderaten gutgemacht und sich an die zweite Stelle der Wählergunst gesetzt. Doch es kam anders: "nur" knapp Platz drei für die oft offen rassistisch auftretende Rechtspartei des 39-jährigen Jimmie Åkesson.

Gleichzeitig verloren die bisher regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsident Stefan Löfven (61) weit weniger, als ihnen in manchen Umfragen prognostiziert worden war. Und auch sein Regierungspartner, die kleine Grünen-Partei von Isabella Lövin (55) und Gustav Fridolin (35), schaffte trotz des Verlusts eines Drittels ihrer Stimmen doch noch knapp den Einzug in den Reichstag – zumindest suggerierten das die Hochrechnungen nach Auszählung von rund 85 Prozent aller Stimmen Montagfrüh. Und die linke Vänsterpartiet von Jonas Sjöstedt (53), die Löfvens Koalition unterstützt, konnte sogar klar zulegen.

Dominanz schwindet

Also alles gut, nix geschehen? Mitnichten. Zwar haben sich die Wählerströme nicht so stark nach rechts bewegt wie zuletzt in vielen anderen europäischen Ländern, doch für schwedische Verhältnisse ist die Parteienlandschaft doch ziemlich stark erschüttert worden. Von der jahrzehntelangen Dominanz der Sozialdemokraten ist nach diesem weiteren Minus bei der Parlamentswahl nicht mehr viel übrig, während die Zustimmung für die Schwedendemokraten nach den Urnengängen 2010 und 2014 auch am gestrigen Sonntag stetig nach oben geht.

Åkesson hat zwar sein selbsterklärtes Ziel, 20 Prozent der Stimmen zu erhalten, verfehlt – aber nicht um viel. Auch wenn die beiden Parteiblöcke links und rechts der Mitte dabei bleiben, keinesfalls eine Regierungsallianz mit den Schwedendemokraten eingehen oder unterstützen und dulden zu wollen, hat Åkessons Rechtspartei doch eines mit Sicherheit erreicht: Mit ihnen mag zwar niemand koalieren – doch ohne ihre Unterstützung kann niemand regieren.

Die nächsten Wochen, vielleicht auch Monate, der Regierungsbildung werden besonders schwierig werden. Alles läuft auf eine neuerliche Minderheitsregierung unter Löfven hinaus, die im Reichstag von genügend Mandataren geduldet wird, damit sie nicht gleich beim ersten Gesetzesprojekt scheitert.

Diese Regierung auszuhandeln, ohne sich den Schwedendemokraten auszuliefern – das wird mit Sicherheit die bisher größte Herausforderung für Sozialdemokraten-Chef Löfven. Ohne einen neuen Partner aus dem bisherigen konservativen Lager wird es kaum möglich sein, doch diese wurden bereits am Wahlabend offen von Åkesson umgarnt, der mit der Legitimation von immerhin fast 18 Prozent sprach. Und dort werden sich doch so manche Verantwortliche fragen: Kann man wirklich den politischen Willen von fast einem Fünftel aller Wählerinnen und Wähler ignorieren? (Gianluca Wallisch, 10.9.2018)