So manche steirische Fusionsgemeinde hat laut der Volksanwaltschaft, bestehend aus Kräuter, Brinek,, Fichtenbauer (von links), die Zusammenlegung für "unredliche" Gebührenerhöhungen genutzt.

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Graz – So manche steirische Fusionsgemeinde hat laut der Volksanwaltschaft die Zusammenlegung für "unredliche" Gebührenerhöhungen genutzt. Im Prüfbericht für die Jahre 2016 und 2017 scheint etwa ein Fall von "explodierenden Kanalgebühren" im südsteirischen St. Veit (Bezirk Leibnitz) auf, schilderte der derzeit vorsitzende Volksanwalt Peter Fichtenbauer am Dienstag beim Pressegespräch in Graz.

Insgesamt haben sich in den beiden Jahren 727 Steirer mit Beschwerden über die Landes- und Gemeindeverwaltung an die Volksanwaltschaft gewandt. In 87 Fällen stellten die Volksanwälte und ihre Experten einen Missstand fest – das entspricht etwa 11,2 Prozent und einem leichten Rückgang. 132 Kontrollen in Justizanstalten, anderen Einrichtungen sowie bei Polizeieinsätzen wurden durchgeführt. Fichtenbauer nannte aufgedeckte "Schmankerl" wie die erhöhten Kanalgebühren in St. Veit: "Der Gemeinderat wollte sich da offenbar noch ein Körberlgeld holen."

Einen Betreiber einer Waschanlage traf die Erhöhung besonders hart. Er sollte knapp 170 Prozent mehr als vor der Fusion für den Kanal bezahlen. Die Steiermärkische Gemeindeordnung sieht allerdings eine maximale Erhöhung von 20 Prozent vor. Die Landesregierung argumentierte die Erhöhung damit, dass der Beschluss noch vor der Fusion angehoben wurde. "Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn eine Gemeinde wenige Wochen vor Wirksamwerden der Zusammenlegung mittels Verordnung die Kanalgebühren erhöht. Die vom Landesgesetzgeber intendierte Schutzfunktion der Bürger wurde dadurch offensichtlich umgangen", so Fichtenbauer.

Umgehungsgeschäft

St. Veit entstand aus St. Veit/Vogau, Sankt Nikolai ob Draßling und Weinburg am Saßbach. In einem anderen Fall in Graz-Umgebung scheiterte ein Landwirt am Erwerb eines Grundstücks, da eine ebenfalls interessierte Firma ein "Umgehungsgeschäft" erfolgreich durchbrachte, sagte Fichtenbauer. Das land- und forstwirtschaftliche Grundstück sollte vorrangig an Landwirte gehen. Kurzerhand wurde die GmbH in eine Kommanditgesellschaft (KG) umgewandelt, wobei ein Landwirt als Kommanditist eingesetzt wurde. Dadurch konnte die Firma das Grundstück kaufen. Der andere interessierte Landwirt sei nicht einmal verständigt worden, kritisierte Fichtenbauer.

Generell sei die steirische Verwaltung aber nicht schlecht, sondern im Vergleich zu anderen Bundesländern sogar mit einer "sehr guten Verwaltungspraxis". Volksanwalt Günther Kräuter sprach die im Sommer bekannt gewordenen Misshandlungen von wehrlosen Patienten in der Erwachsenenpsychiatrie des LKH Graz Süd-West Standort Süd an: "Die Kooperationsbereitschaft der KAGes hat sich inzwischen wesentlich verbessert." Man zeige Einsicht und habe auch eine Sonderkommission eingerichtet. Dieser stehe er selbst für Unterstützung zur Verfügung. Jedenfalls seien "umfassende Strukturreformen dringend nötig".

Falsche Richtung

Kräuter forderte mehr Pflege- und ärztliches Personal, regelmäßige Supervisionen, räumliche Verbesserungen und ein Ende der Fixierungen in Mehrbettzimmern: "Diese sind unakzeptabel." Bei der Kinder- und Jugendhilfe sieht Kräuter eine "Verländerung", die in die falsche Richtung gehe: Unterschiedliche Regelungen würden die Situation verschlechtern.

Offen sei außerdem immer noch, weshalb in der Steiermark nach Wien die meisten Fremdunterbringungen von Kindern stattfinden, dem müsse man auf den Grund gehen. Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) habe bereits eine Untersuchung angekündigt, was er begrüßt. Kräuter warnte auch davor, medizinische Behandlungen aus Kostengründen abzulehnen. Er nannte den Fall eines Steirers, der an der sogenannten Schattenspringerkrankheit leidet.

In ganz Österreich seien etwa 60 Patienten bekannt. Die Kosten für ein seit 2014 erhältliches Medikament betragen laut dem Volksanwalt etwa 60.000 Euro pro Jahr. Während zwei anderen Patienten die Medizin genehmigt wurde, habe die KAGes die Behandlung des Steirers mit dem Medikament abgelehnt. In einer Begründung an die Volksanwaltschaft habe die KAGes den "Zusatznutzen des Medikaments den aufzuwendenden Kosten" gegenübergestellt. "Man darf nie mit Kostenargumenten kommen, wenn es um Schmerzen geht", sagte Kräuter.

Auch Positives hervorgehoben

Als positiv hob er die gesenkten Kosten für die Tarife der mobilen Pflege in der Steiermark hervor. Kräuter appellierte außerdem an Eltern, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen: "Wie kommen Menschen, die nicht geimpft werden können, etwa Babys oder immunschwache Personen, dazu, nicht geschützt zu sein?" Er hofft, dass die Masernimpfung in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen wird und auch Strafen wie finanzielle Einbußen in Betracht gezogen werden, wenn Eltern ihre Kleinen nicht gegen Masern impfen lassen wollen.

Volksanwältin Gertrude Brinek beschrieb Missstände bei der steirischen Raum- und Bauordnung: Eine Sportanlage in Mellach wurde seit 2004 ohne Baubewilligung betrieben und verursachte Lärm für Anrainer. Erst im Dezember 2014 wurde eine Bauverhandlung durchgeführt und eineinhalb Jahre danach eine Bewilligung erteilt. "Zehn Jahre lang auf eine Lösung zu warten, ist eine Zumutung für die Bürger." Wenn eine Gemeinde mit schlechtem Beispiel vorangehe, dürfe man sich nicht wundern, wenn auch Bürger einfach einmal mit einem Bau beginnen: Auch "Augenzudrücken ist keine gute Verwaltung", so Brinek.

Die Volksanwältin kümmert sich auch um Beschwerden in Justizanstalten, wo die Frage der Menschenrechte besonders sensibel zu behandeln sei. In diesem Zusammenhang lobte sie die Karlau mit ihrem Angebot an Videotelefonie für Insassen mit Familienangehörigen aus entfernten Ländern. Auch Gutachter könnten diese Art der Kommunikation mit den Häftlingen verwenden. Missstände fielen besonders bei der Trennung zwischen Maßnahmen- und Strafvollzug auf. Künftig sollen geistig abnorme Straftäter mehr als kranke Menschen erkannt und in forensischen Zentren untergebracht werden. (APA, 11.9.2018)