In Zukunft werden Freizeitunfälle weiter zunehmen, sagen Experten – weil Risikosportarten immer beliebter werden und die Menschen ihre Freizeit zunehmend aktiver gestalten.

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Fast sieben Menschen sterben in Österreich jeden Tag durchschnittlich bei Unfällen, die im Haushalt, in der Freizeit, der Arbeit oder im Verkehr passieren. 2017 waren es insgesamt 2.504 Tote. Drei Viertel der tödlichen Unfälle ereigneten sich in der Freizeit oder im Haushalt, sagt Elisabeth Stadler, Vorstandsvorsitzende der Vienna Insurance Group und Vizepräsidentin des Roten Kreuzes.

784.300 Personen wurden 2017 insgesamt bei Unfällen verletzt, davon rund 589.800 in den Bereichen Haushalt oder Freizeit. Den geringsten Anteil hatte der Verkehr mit zehn Prozent, gefolgt von Arbeit bzw. Schule mit 15 Prozent. Freizeitunfälle summierten sich auf 36 Prozent, Haushaltsunfälle gar auf 39 Prozent. "Wir gehen von einem markanten Anstieg bei Haushalts- und Freizeitunfällen aus, im Jahr 2035 könnten dies schon 100.000 mehr pro Jahr sein", sagt Othmar Thann, Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV). Das KFV hat in einer Studie berechnet, dass die Zahl der tödlichen Unfälle bis 2035 auf insgesamt 2.635 steigen wird.

Immer mehr Risikosport

Die Bereiche Freizeit und Haushalt sind die neue Gefahrenzone, konstatieren die beiden Experten. Die Freizeit wird immer aktiver gestaltet, immer mehr Österreicher üben Risikosportarten aus. "Früher ruhte man sich aus, heute wird der Ausgleich gesucht, die Freizeit aktiv gestaltet", sagt Thann. Während im Straßenverkehr oder bei der Arbeit die Zahl der tödlichen Unfällen sinkt, verzeichneten "wir im Bereich Haushalt, Freizeit und Sport in den vergangenen zehn Jahren einen Anstieg von 16 Prozent. Bei Senioren sind es sogar 20 Prozent", sagt Stadler. Beim Verkehr als auch bei der Arbeit haben laut den Experten zahlreiche Programme zur Unfallprävention gewirkt.

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Die Hauptunfallrisikogruppen der Zukunft sind Senioren und Kinder. Bei der Generation 65 plus sind die Unfallbereiche primär der Haushalt, gefolgt von der Freizeit durch die vermehrte Ausübung sportlicher Aktivitäten wie Wandern oder E-Biken. Das höchste Risiko, zu verunfallen, haben künftig Frauen ab 65 Jahren. "Wir Menschen werden immer älter, außerdem nehmen Volkskrankheiten wie Osteoporose stark zu", analysiert Thann. Bewegungsmangel und falsche Ernährung tragen weiters zur erhöhten Gefahr bei. Bei Kindern rechnet das KFV mit keinem Rückgang der Unfallzahlen. Als Grund nannte der KFV-Chef unter anderem das "Bewegungsverhalten der Smartphone-Generation". Viele Kinder schaffen heute einfache Dinge nicht mehr, wie das Balancieren auf einem Bein. "Sie verbringen ihre Freizeit liegend oder sitzend vor diversen Bildschirmen", so Thann.

Daten zur Ursachenforschung

Das große Problem bei der Unfallprävention sind fehlende Daten. "Hier herrscht ein Kompetenzwirrwarr, es gibt keine einheitliche Statistik. Die Zahlen zu Freizeit- und Haushaltsunfällen haben wir selbst hochgerechnet", sagt Thann. Exakte Daten seien für die Ursachenforschung allerdings dringend notwendig. Hier sei die Politik gefordert, eine "gescheite Statistik", analog zu Ländern wie Deutschland oder der Schweiz, einzuführen.

Die Kosten durch Unfälle sind für das Gesundheitssystem beträchtlich. So werden allein 17 Prozent aller Krankenstandstage durch Unfälle verursacht, sie sind auch Ursache für 16 Prozent aller akut-stationären Krankenhausaufenthalte von Männern, bei Frauen sind es zwölf Prozent. Alle Unfälle – ausgenommen berufsbedingte – verursachen laut KFV jedes Jahr Kosten in Höhe von 20,6 Milliarden Euro. Stadler wies auch darauf hin, dass 75 Prozent der Unfälle nicht von der gesetzlichen Versicherung gedeckt sind. Für Freizeit, Sport und Haushalt ist eine private Unfallversicherung erforderlich.

Thann fordert die Umsetzung von Präventionsprogrammen auch in den Bereichen Freizeit und Haushalt. Dabei gehe es um einfache Maßnahmen, etwa Sturzprävention für Senioren. "Prävention muss hier einen höheren Stellenwert bekommen." (APA, 13.9.2018)