"Ist das Image einmal angepatzt, ist die völlige Wiederherstellung des einst guten Rufs langwierig und kostspielig."

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Die Wahrscheinlichkeit, dass sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz ans Tageslicht kommen ist gering. Werden Fehltritte jedoch bekannt und kann der Arbeitgeber nicht darlegen, dass er seiner Fürsorgepflicht nachgekommen ist, bringt das erhebliche negative Konsequenzen mit sich. Nicht nur für den Belästiger, sondern für das gesamte Unternehmen.

Kommt der Arbeitgeber seiner Abhilfepflicht im Zusammenhang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nicht nach, sieht das österreichische Gleichbehandlungsgesetz den recht moderaten Mindestschadenersatz von 1.000, Euro vor. Außerdem ist das Risiko, dass dies überhaupt schlagend wird, überschaubar. So landeten im Jahr 2017 lediglich 17 Fälle zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vor der Gleichbehandlungskommission.

330 Fälle

Gibt es also keine Übergriffe, werden sie intern geregelt oder setzen Betroffene schlicht keine Schritte? Österreichweite repräsentative Zahlen zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz fehlen. Eine 2015 im Auftrag der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes durchgeführte Studie ergab, dass rund jeder zweite Befragte gesetzlich verbotene Belästigungen am Arbeitsplatz schon einmal erlebt hat. Nur jeder fünfte wusste, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer vor Belästigungen schützen muss. In Österreich wurde die Gleichbehandlungsanwaltschaft 2017 in 330 Fällen wegen sexueller Belästigung tätig, viele von diesen wurden außergerichtlich beendet.

Betroffene Arbeitnehmer sehen sich häufig mit dem Problem konfrontiert, nicht zu wissen, an wen sie sich intern wenden sollen. Bei vielen Arbeitgebern fehlt es an klaren Strukturen und Meldeprozessen. Der Schritt, rechtliche Maßnahmen gegen den Arbeitgeber zu setzen, stellt als ultima ratio eine Hürde dar, die viele Betroffene schlicht nicht ergreifen möchten.

Die Kosten medialer Verurteilung durch Strukturen vorbeugen

Nur weil Handlungen nicht im direkten zeitlichen Zusammenhang gemeldet werden, heißt das jedoch nicht, dass sie für immer vergeben und vergessen sind. Oft teilen Betroffene das Erlebte erst Jahre später mit der Öffentlichkeit, weil sie sich erst dann ausreichend sicher und gefestigt fühlen. Die Unschuldsvermutung oder eine bereits abgelaufene Verjährungsfrist verhindern eine dann losrollende mediale Verurteilung nicht. Ist das Image einmal angepatzt, ist die völlige Wiederherstellung des einst guten Rufs langwierig und kostspielig.

Während sich Vorwürfe gegen konkrete bekannte Persönlichkeiten wie Harvey Weinstein, Peter Pilz oder Gustav Kuhn auf diese als Personen konzentrieren und rufschädigende Wirkung hauptsächlich für diese entfalten, kann ein ganzes Unternehmen die Konsequenzen spüren, wenn eine sexistische und belästigungsaffine Unternehmenskultur ans Tageslicht kommt. Im Nachgang Schritte zu setzen, ist häufig nicht ausreichend, um einen bereits eingetretenen Reputationsschaden zu verhindern und kann außerdem sehr kostspielig werden. Aktuelle Beispiele sind der Sportartikelhersteller Nike oder der Fahrdienstvermittler Uber: Nike lies nach Bekanntwerden der von Sexismus und sexueller Belästigung geprägten Unternehmenskultur verlauten, das Gehalt von rund zehn Prozent der Belegschaft zu erhöhen und titulierte das als Gleichstellungsmaßnahme. Uber steht Medienberichten zufolge die Zahlung von insgesamt 1,9 Millionen US-Dollar an 56 (Ex-)Beschäftigte bevor, die dort sexuell belästigt worden waren. Natürlich schmerzt diese Summe selbst Uber nur mäßig, unangenehm ist dabei allerdings die Optik.

"Weinstein-Klausel"

Die Einsicht, dass der falsche Umgang mit sexueller Belästigung im eigenen Unternehmen teuer werden kann, hat mittlerweile auch den traditionell männlich geprägten Bereich der Unternehmenstransaktionen erreicht. Dies äußert sich unter anderem in der Verwendung der sogenannten "Weinstein-Klausel" in Transaktionsverträgen. Es werden dabei Konsequenzen für den Fall, dass Fehlverhalten im Zusammenhang mit sexueller Belästigung bekannt wird, vertraglich vereinbart. Obwohl Arbeitgeber verpflichtet sind, Abhilfe gegen sexuelle Belästigung in ihren Einrichtungen zu schaffen, fehlt es jedoch mehrheitlich an funktionstüchtigen Strukturen, die dies gewährleisten.

Natürlich kann ein Arbeitgeber nicht garantieren, dass es in seiner Einrichtung nie zu Übergriffen kommt, den richtigen Umgang damit kann er hingegen gewährleisten. Um negative Schlagzeilen vorab zu verhindern, ist es nicht ausreichend, schlicht Wegzusehen. Es braucht die Etablierung von wirksamen Strukturen am Arbeitsplatz. Durch diese wird es Betroffenen erst ermöglicht, einen sie belastenden Umgang oder konkrete belästigende Handlungen direkt zu melden, ohne befürchten zu müssen, dass sich dies letztlich auf ihr eigenes Arbeitsverhältnis negativ auswirken könnte. Jahre später auftretende Vorwürfe können so außerdem verhindert werden und auch für das Wohlbefinden der Betroffenen ist eine zeitnahe Aufarbeitung wesentlich. Die schlichte Ignoranz von Problemen hilft weder den Betroffenen, noch dem Unternehmen selbst. Ein ehrlicher Umdenkprozess steht hier vielfach noch aus. (Michaela Krömer, Yara Hofbauer, 14.9.2018)