Asylwerber und Kochlehrling: Seit Mittwoch dürfen Menschen ohne positiven Asylbescheid eine solche Ausbildung erst gar nicht mehr beginnen.

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Angesichts der seit Wochen schwelenden Debatte über abschiebebedrohte Asylwerber, die gerade eine Lehre absolvieren, schlug die Regierung am Mittwoch unmissverständlich einen Pflock ein: Trotz anderslautender Versprechen, insbesondere der türkisen Koalitionshälfte, man werde sich um eine Lösung bemühen, stellte das Innenministerium von Herbert Kickl (FPÖ) frühmorgens schon vor dem Ministerrat klar, dass eine Prüfung der Optionen negativ für eine Sonderregelung ausgefallen sei.

Das Hauptargument für die Nulltoleranzpolitik im Innenressort lautet: "Jede Sonderlösung für Lehrlinge, die ein gesichertes Bleiberecht bis zum Ende des Lehrverhältnisses enthält, wäre ein Präzedenzfall, der weitere Forderungen für Ausnahmen nach sich ziehen würde." Gemeint seien damit etwa Schüler und Studenten, hieß es.

Rückblende: Ende August war in einer Punktation der Regierung noch zu lesen, dass "jene Asylwerber, die jetzt schon eine Lehre machen, diese fortsetzen können". Im Fall eines negativen Bescheids seien "die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, ob er die Lehre fertigmachen kann, bevor er das Land verlässt". Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) deutete dann in einem Ö1-Interview an, dass man eine Lösung für Unternehmer und Asylwerber in Lehre anbieten werde, und andere ÖVP-Regierungsmitglieder stellten das unter der Hand ebenfalls in Aussicht.

Am Vormittag machte die Koalitionäre dann klar, welche Linie ab sofort gilt und auch verfolgt wird: Im Land gebe es etwa 60.000 Mindestsicherungsbezieher zwischen 15 und 25 Jahren, 10.000 unter ihnen seien anerkannte Asylberechtigte – und die gelte es jetzt in eine Lehre zu bringen, weil sie bisher "nicht so intensiv bearbeitet worden" seien, wie es Schramböck nun ausdrückte.

Kein Herumdoktern

Ob sie gar zurückgepfiffen worden sei? Keineswegs, betonte die Ministerin vor den Medienvertretern, sie habe auch schon im August klar gesagt, dass die rechtlichen Möglichkeiten für Asylwerber in Lehre geprüft werden – und das sei, siehe Ergebnis, eben nun geschehen.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) betonten, dass es nun gelte, Asyl von der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu trennen. Dafür solle etwa ein eigener Aufenthaltstitel für Lehrlinge geschaffen werden – und zwar für ausländische Schüler, die im Anschluss an die Pflichtschule eine Ausbildung anhängen wollen. Dazu sieht die Regierung eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte vor, also für Arbeitskräfte aus einem Drittstaat und damit einem Land außerhalb der EU, sowie eine Regionalisierung der Mangelberufsliste ab 2019.

Asylwerber in Lehre, die derzeit noch auf ihren Bescheid warten, könnten von den Gerichten natürlich auch ein humanitäres Bleiberecht bekommen, erklärten Kurz und Strache. Letzterer fügte noch hinzu: "Da gibt es kein Anrecht auf Asyl! Da können wir nicht herumdoktern." Später sollte Innenminister Kickl noch nachsetzen, dass eine Lehre allein freilich noch kein Kriterium für ein humanitäres Bleiberecht sei. Und fast triumphierend setzte der Minister nach: Der Erlass von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sei damit aufgehoben. Es gebe künftig "keine Möglichkeit mehr", als Asylwerber eine Lehre zu beginnen, das werde "mit dem heutigen Tag" auslaufen – und ein negativer Bescheid bedeute "das Ende der Aufenthaltserlaubnis".

Enttäuschung und Bedauern

Rund tausend Asylwerber machen derzeit eine Lehre, davon müsse Schätzungen zufolge mehr als ein Drittel von ihnen, etwa 350 Personen, mit einer Abweisung ihres Asylantrages rechnen.

Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Karlheinz Kopf, bedauerte die Entscheidung der Regierung, dass keine Sonderregelung für die betroffenen Menschen geschaffen wurde. Die Wirtschaftskammer will sich nun darauf konzentrieren, sowohl betroffene Betriebe als auch die Lehrlinge beim Beschreiten des Rechtsweges und der Beeinspruchung von negativen Bescheiden individuell zu beraten.

Auch andere ÖVP-Vertreter wie Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner und sein Salzburger Amtskollege Wilfried Haslauer sind enttäuscht. Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer bedauert, "dass keine Lösung mit Hausverstand gefunden wurde". Neos und Liste Pilz kritisierten die Vorgangsweise der Regierung.

Oberösterreichs grüner Landesrat Rudi Anschober, Vorkämpfer für eine Sonderregelung, warf der Koalition "Wortbruch" und "Flucht aus der Verantwortung" vor. Seine Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" will er fortsetzen. "Es gab in der Republik schon genug falsche Entscheidungen, die später revidiert wurden." (Nina Weißensteiner, András Szigetvari, 12.9.2018)