Das Bild zeigt das Kiewer Höhlenkloster. In Österreich ist die Orthodoxie die zweitstärkste religiösen Gemeinschaft.

Religionsgemeinschaften sind maßgebliche Akteure in Migrationsprozessen. So ist Religion nicht selten Ursache und Auslöser für Migration. Historisch betrachtet haben vor allem Glaubensflüchtlinge die religiöse Landschaft stets geprägt – und bis heute immer wieder verändert.

Mit der großen Fluchtbewegung in den vergangenen Jahren ist insbesondere der Islam als Religion der Zuwanderer in den Fokus gerückt. Doch das in der breiten Öffentlichkeit bestehende Bild trügt. In Österreich leben zwar rund 700.000 Muslime (Stand 2017), doch die Zahl der Angehörigen der Ostkirche ist deutlich höher. Die letzten offiziellen Zahlen stammen aus dem Jahr 2014, damals war von etwa 500.000 Orthodoxen in Österreich die Rede. Das Problem: Nachdem weder durch die Volkszählung die genauen Daten erhoben werden können, noch die orthodoxen und orientalischen Kirchen einen Mitgliedsbeitrag einheben, sind präzise Aussagen schwer.

Nach Rücksprache mit dem Sekretariat des griechisch-orthodoxen Metropoliten kann die Zahl der Orthodoxen in Österreich aber mit mindestens 750.000 bis 800.000 angenommen werden. In Oberösterreich etwa hat die Stiftung Pro Oriente – eine Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen – die Zahlen relativ genau erhoben. Man verzeichnete einen Zuwachs von 45.990 Orthodoxen (2010) auf 56.285 (2016): ein Plus von 22 Prozent. "Der Anstieg ist für ganz Österreich höher anzusiedeln", erläutert Florian Wegscheider von Pro Oriente in Oberösterreich im STANDARD-Gespräch.

Oft Sprachbarrieren

Insbesondere würden derzeit viele rumänisch-orthodoxe Gläubige nach Mitteleuropa kommen. Wegscheider: "Die größte Gruppe der Zuwanderer waren mit 50 Prozent in den letzten Jahren Rumänen. Die werden aber oft nicht als klassische Migranten wahrgenommen, da sie sich im EU-Binnenraum bewegen."

Laut der Akademie der Wissenschaften liegt der Grund für diese Menschenbewegungen in einer immensen Landflucht auf dem Balkan, vor allem in Rumänien. Mit dem Zuzug aus dem ländlichen Raum würden sich aber in Österreich konkrete Probleme auftun. "Es kommen meist sehr einfache und vor allem konservative Menschen zu uns. Damit offenbart sich ein Integrationsproblem in Österreich", so Wegscheider. In den Gemeinden gebe es oft Sprachbarrieren: "Und oft werden schon zwei Gottesdienste angeboten – einer auf Deutsch, einer auf Rumänisch."

Sorge vor Subkulturen

Der Ostkirchen-Experte warnt vor der Entstehung von Subkulturen: "Es braucht viel an Integrationsarbeit." Nachsatz: "Früher konnte man die Orthodoxen als Minderheit ignorieren, heute geht das nicht mehr." Vor allem aber braucht es auch neuen Kirchenraum. Viele der Gemeinden haben nämlich keine eigenen Gotteshäuser oder Gemeindezentren und sind in katholischen Filialkirchen aktiv.

Im öffentlichen Fokus steht eine ganz andere Gruppe: die Muslime. "Die Faustregel besagt, dass mehr als 80 bis 90 Prozent der Flüchtlinge, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Österreich gekommen sind, eine muslimische Religionszugehörigkeit haben", sagt Ernst Fürlinger, katholischer Theologe und Leiter des Zentrums Religion und Globalisierung an der Donau-Universität Krems. Genaue Daten über den Glauben der Flüchtlinge gebe es nicht. Aussagen werden daher mit Rückgriff auf die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung in den Herkunftsländern getroffen.

Strenggläubige als Minderheit

Immerhin gibt es Umfragen, wie diese Menschen ihre Religiosität begreifen. Für die Studie "Displaced Persons in Austria Survey 2015" wurden 800 Flüchtlinge befragt, auch darüber, also wie religiös sie sich selbst einschätzen. Das Ergebnis: 40 Prozent der Befragten sehen sich in der Mitte zwischen den Polen sehr religiös und atheistisch. Zwanzig Prozent bezeichneten sich in der Befragung als gar nicht religiös, elf Prozent als sehr gläubig. Fürlinger: "Es ist interessant, dass die Gruppe der Atheisten doppelt so groß ist wie jene der Strenggläubigen."

Er weist auch darauf hin, dass laut Umfragen 91,3 Prozent der befragten Flüchtlinge die Demokratie für die ideale Staatsform halten und 84,8 Prozent die Trennung von Staat und Religion befürworten. "Es sind keine Islamisten, die da kommen", sagt der Experte. Aber man höre leider mehr jene, die die Islam-Panik verbreiten, "die heute wahlentscheidend politisch instrumentalisiert wird, sei es in den USA, Ungarn oder Österreich".

Für den Theologen steht außer Streit, dass sich die "religiöse Landschaft in Österreich natürlich verändert hat". Das Einwanderungsland, das keines sein wolle, sei noch bunter geworden. Im Jahr 2016 befanden sich geschätzte 75.000 muslimische Flüchtlinge in der Grundversorgung. Diese Gruppe kommt nun zu den bestehenden Communitys hinzu und verändert auch die innermuslimische Struktur: "Die ersten Zuwanderer kamen aus dem türkisch-muslimischen Kontext als Gastarbeiter ins Land, später kamen die bosnischen Muslime. Da heute hauptsächlich arabische Muslime hinzukommen, verstärken sie auch die inner islamische Pluralität", erklärt Fürlinger. Das habe auch längerfristig auf die so und so schon heterogene muslimische Bevölkerung Auswirkungen.

Nur wenige Jesiden

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die vielen östlichen Christen, die aus dem arabischen Raum zu uns gekommen sind, das Christentum im Land bereichern, sagt Fürlinger. Er nennt auch eine andere, wenig beachtete Glaubensgemeinschaft: die Jesiden.

Eine Schätzung aus dem Jahr 2014 geht von 700 Jesiden in Österreich aus. "Das sind sicher auch etwas mehr geworden", sagt er. Eigentlich müsste diese Zahl auffallend größer sein, schließlich war das jene Gruppe, die von der Terrorgruppe IS am brutalsten verfolgt worden sei: "Da hätte Österreich über humanitäre Kontingente viel mehr aufnehmen müssen. Insofern ist die kleine Zahl traurig." (Peter Mayr, Markus Rohrhofer, 13.9.2018)