Wien – Karies ist offensichtlich kein Gesundheitsproblem der Moderne: Schon steinzeitliche Jäger und Sammler wurden von Löchern in den Zähnen geplagt, wie vor drei Jahren vorgestellte 14.000 Jahre alte Funde aus Italien belegen. Dass in der Vergangenheit eine entsprechende Ernährung die Hauptursache von Zahnfäule gewesen sein dürfte, berichten nun Wissenschafter mit österreichischer Beteiligung im "Journal of the Royal Society Open Science".

Laut dem Team um Andre Colonese von der Universität York (Großbritannien) stellten Süßkartoffeln und andere selbst angebaute Feldfrüchte für Fischer-Jäger-Sammler an der Atlantikküste Südamerikas vor 5.000 Jahren einen großen Teil der Nahrung dar – und diese kohlenhydratreiche Diät hinterließ in Form von Karies ihre Spuren im Gebiss.

Müllhaufen aus Muschelschalen

Die Forscher untersuchten für ihre Studie 1.345 Zähne und die dazugehörigen Kieferknochen von 70 Menschen aus zwei Fundstellen in Morro do Ouro und Rio Comprido, die vor 5.600 bis 3.700 Jahren an der Atlantikküste im Süden des heutigen Brasiliens gelebt haben. Sie gehörten einer Kultur an, die der Nachwelt vor allem Müllhaufen vorwiegend aus Muschelschalen namens "Sambaquis" hinterließen. Man hat von ihnen aber auch Steinwerkzeuge wie etwa Axtklingen und Mahlsteine sowie Skulpturen gefunden.

Durch Isotopenanalysen des Zahnmaterials konnten die Forscher feststellen, dass sich die Menschen ungefähr zur Hälfte von Fischen und Meeresfrüchten ernährt haben, der Rest bestand aus pflanzlicher Nahrung und auch Säugetiere und Vögel wurden gelegentlich verzehrt. "Man bezeichnet sie deshalb als 'Fischer-Jäger-Sammler'", erklärte Studienmitautorin Sabine Eggers vom Naturhistorischen Museum Wien. Sie waren offensichtlich sesshaft und haben auch schon Pflanzen wie Maniok und Süßkartoffeln angebaut, denn ohne solche kohlenhydratreiche Feldfrüchte hätten sie nicht so kariöse Zähne gehabt.

Der Großteil litt an Karies

Bis zu 80 Prozent von ihnen hatten zumindest in der obersten Schicht, dem Zahnschmelz, Karies. Bei vielen reichte er tiefer ins darunterliegende Dentin und bei bis zu einem Viertel der Individuen betraf er sogar die Zahnpulpa, wo sich die Nerven befinden. "Dies ist tiefer Karies, der wehtut, stinkt, und zu Abszessen im Knochen führen kann", erklärte Eggers. Außerdem hatten viele dieser Menschen Löcher zwischen "Nichtmahlzähnen", was oft bei sehr kohlenhydratreicher und damit kariesauslösender Ernährung passiert.

Die schlimmsten Karies-Löcher hatte eine junge Frau vom Fundort Morro do Ouro, die sich in ihrer Kindheit und Jugend (von zwei bis zwölf Jahren) im Gegensatz zu den anderen Individuen dort fast ausschließlich pflanzlich ernährte. Später verzehrte sie auf einmal genau wie diese viel Fisch.

Das passierte wohl nicht, weil sie auf einmal entdeckte, dass die pflanzlichen Kohlenhydrate ihren Zähnen nicht guttaten, sondern weil sie von irgendwoher nach Morro do Ouro gekommen war. Vielleicht hat sie geheiratet, und ist in das Dorf ihres Mannes gezogen, oder Ähnliches. "Wir wissen von den Sambaqui-Leuten, dass sie manchmal tausende Kilometer weit reisten", so Eggers. (red, APA, 13.9.2018)