Der Vorsitzende des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach (re.), soll abgelöst werden, WKO-Präsident Harald Mahrer könnte im geplanten Rotationsprinzip dann ein weiteres Amt bekommen.

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Wien – Die Bundesregierung plant im Zuge der Sozialversicherungsreform die Ablöse von Hauptverbandschef Alexander Biach. Das geht aus einem der APA vorliegenden Gesetzesentwurf des Sozialministeriums hervor. Der Hauptverband wird demnach de facto aufgelöst und zu einem Dachverband umgebaut, der nur mehr koordinierende Aufgaben für die Sozialversicherungen übernehmen soll.

Den Vorsitz im Dachverband üben in der neuen Struktur laut den türkis-blauen Plänen die Obmänner bzw. Obfrauen der künftig von 21 auf fünf reduzierten Sozialversicherungsträger aus. Das sind die Österreichische Gesundheitskasse, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, die Pensionsversicherungsanstalt, die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau. Ab 1. Jänner 2020 sollen die Obleute der fünf Träger den Vorsitz im Dachverband abwechselnd jeweils für ein Jahr übernehmen. DER STANDARD berichtete über das geplante Rotationsprinzip.

Mahrer könnte weiteres Amt übernehmen

Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer (ÖVP), der auch Obmann der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) ist, könnte so im Rotationsprinzip künftig auch über den Dachverband herrschen und ein weiteres Amt übernehmen, falls er nach den geplanten Zusammenlegungen SVA-Obmann bleibt. Der aus der schwarzen Wiener Wirtschaftskammer kommende Hauptverbandschef Biach muss hingegen seinen Platz räumen. Biach führt den Hauptverband seit Mai 2017, trieb dort die Leistungsharmonisierung voran und gilt als versierter Fachmann mit guten Kontakten zu allen Sozialpartnern und zur Ärztekammer. Die FPÖ warf Biach in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit den Regierungsvorhaben Panikmache und eine Torpedierung der Pläne vor.

Mit Biach soll auch der rote Hauptverbands-Generaldirektor Josef Probst gehen. Im "Kurier" erklärte der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) dazu, dass es im Hauptverband nur mehr einen "Büroleiter" und keinen Generaldirektor mehr geben wird. Probst werde in Pension gehen. Der Vertrag des Generaldirektors läuft eigentlich noch bis März 2021. Im Zuge der von der Regierung angepeilten Abschlankung des Hauptverbands sollen auch Abteilungen und die dazugehörigen Mitarbeiter – etwa Medikamenteneinkauf, IT oder Statistik – aus dem Hauptverband zu einem der neuen Sozialversicherungsträger wechseln.

Ein Rotationsprinzip sieht die Regierung laut den ersten Entwürfen übrigens nicht nur im Dachverband vor, sondern auch bei Krankenkassen und Pensionsversicherung. Obmann bzw. Obfrau der Gesundheitskasse, die aus den fusionierten Gebietskrankenkassen entsteht, sowie die Spitze der Pensionsversicherungsanstalt sollen jeweils für sechs Monate gewählt werden. Im Verwaltungsrat reicht dafür eine einfache Mehrheit. Laut Sozialversicherungsexperten dürfte die neue Struktur durchwegs Mehrheiten für die Regierungsparteien bringen. Aus Arbeitnehmerkreisen wurde ÖVP und FPÖ deshalb zuletzt vorgeworfen, dass es den Koalitionsparteien vor allem um eine Entmachtung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften gehe.

"Anschlag auf die Bundesländer"

Der schwarze Tiroler Arbeiterkammer-Chef, Erwin Zangerl, hat in der Strukturreform der Sozialversicherungen einen "Anschlag auf die Bundesländer" geortet. Er bezeichnete die Pläne von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) als "völlig unausgegoren und unrealistisch". Zudem würden die Arbeitnehmervertretungen und die Versicherten durch die Reform geschwächt werden.

"Seit Monaten werden die betroffenen Gesundheitslandesräte und die Sozialpartner mit Überschriften abgespeist, ohne dass in dieser Zeit irgendwann einmal durchdachte Pläne auf den Tisch gelegt worden wären", kritisierte Zangerl am Donnerstag in einer Aussendung. Es sei das völlig falsche Rezept, gut funktionierende Gebietskrankenkassen zu zerschlagen. "Entgegen allen Beteuerungen der Regierung werden die geplante Umstrukturierung und die angekündigten Einsparungen nicht ohne Leistungskürzungen möglich sein", so Zangerl.

Kritik kam auch vom Tiroler ÖGB und der SPÖ. "Hinter Überschriften, Phrasen, fragwürdigen Zahlenspielen und netten Grafiken verstecken Kurz und Co den einzig wahren Grund ihrer Kassenreform: Eine Machtverschiebung zugunsten der ÖVP und ihrer Klientel, der Konzerne und Unternehmen", meinte Elisabeth Blanik, Vorsitzende der SPÖ Tirol.

"Größte Enteignung in der Geschichte der Sozialversicherungen"

Der oberösterreichische Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer und der Obmann der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (OÖGKK) Albert Maringer sehen in der geplanten Strukturreform der Sozialversicherungen "die größte Enteignung in der Geschichte Österreichs". Die wahren Eigentümer – 8,7 Millionen Versicherte – "sollen damit ausgeschaltet werden", so die Befürchtung.

Die Selbstverwaltung sei "an Effizienz kaum zu übertreffen", erklärten Kalliauer und Maringer am Donnerstag in Linz. Wie man das Einsparungsziel von einer Milliarde Euro erreichen wolle, "ist bisher nicht durchgedrungen". Der Regierung gehe es offenbar gar nicht ums Sparen, sondern um politische Kontrolle, kritisierten sie. "Bei der geplanten Umstrukturierung ist bisher nur ein Bestreben erkennbar – eine Machtverschiebung zulasten der Arbeitnehmerseite, also der Versicherten, hin zur Wirtschaft", so Kalliauer. Denn künftig sollen sich die Gremien je zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammensetzen.

Für die OÖGKK würde die Reform bedeuten, dass Geld aus Oberösterreich abfließe, betonte Maringer. Zudem werden seiner Ansicht nach die geplante Umstrukturierung und die angekündigten Einsparungen nicht ohne Leistungskürzungen möglich sein. Vielmehr werde die Zentralisierung zu einer Verteuerung und zu mehr bürokratischem Aufwand führen. Er und Kalliauer forderten die Bundesregierung auf, nicht "mit einem Federstrich ein jahrzehntelanges Erfolgsmodell" in seinen Grundfesten zu erschüttern, sondern gemeinsam Überlegungen anzustellen, wie man das Gesundheitssystem verbessern könne. (APA, 13.9.2018)