Der Klimawandel wird auch in Zukunft die Verbreitung von Ragweed weiter begünstigen.

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Uwe Berger steht auf einer Landstraße nahe Korneuburg. Feldarbeit nennt er es und freut sich, dass der Bauer das dort wuchernde Ragweed bereits gemäht hat. Als Leiter des österreichischen Pollenwarndienstes sowie der Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation an der HNO-Klinik der Medizinischen Universität Wien hat er dem aus Nordamerika eingeschleppten Ragweed, Ambrosia artemisiifolia im botanischen Fachbegriff, den Kampf angesagt. Auf seiner Plattform Ragweedfinder haben diese Saison schon 435 Zivilisten Ragweed-Funde gemeldet, Berger initiiert Mähaktionen, arbeitet mit den Gemeinden in Niederösterreich und im Burgenland, den Straßenmeistereien und der ÖBB zusammen, um gegen das Unkraut vorzugehen.

"Es wird immer mehr", sagt er, und warum das besorgniserregend ist, hat medizinische Ursachen. Jahr für Jahr leiden mehr Menschen am sogenannten Herbstheuschnupfen. Für diese Ragweed-Allergiker reichen minimale Mengen dieser Pollen in der Luft aus, um ihr Immunsystem überreagieren zu lassen. Vor allem der Osten und Süden Österreichs sind betroffen.

Eine Milliarde Euro

Von Österreichs 1,5 Millionen Allergikern halten 25 bis 30 Prozent den Korbblütler Ambrosia nicht aus. Jucken in Augen und Rachen, eine laufende oder verstopfte Nase, Niesanfälle, Bindehautentzündungen, Bronchitis mit Husten, Atemnot und allergisches Asthma sind die Symptome. "Allergien kosten das Gesundheitssystem rund eine Milliarde Euro pro Jahr", errechnete Uwe Berger, der auch Krankenstandstage und Therapiekosten in seine Kalkulation inkludiert hat.

Berger packt das Problem im wahrsten Sinne an der Wurzel an. Ragweed ist nicht nur für die Menschen eine Belastung, sondern richtet auch in der Landwirtschaft, etwa in Maisfeldern, massive Schäden an.

Belastung aus dem Osten

Vor allem im pannonischen Tiefland Ungarns wuchert Ragweed, die Pollen steigen in die Luft und werden mit dem Wind nach Österreich geweht, wo sie sich abends, wenn es kühler wird, über Ostösterreich senken. Das sei der Grund, warum Ragweed-Allergiker oft abends oder nachts von Schnupfenattacken geplagt werden, erklärt der Aerobiologe und empfiehlt Betroffenen, mit geschlossenen Fenstern zu schlafen, sich einen Luftreiniger zuzulegen und eine Immunisierung gegen Ambrosia in Angriff zu nehmen, weil die Erkrankung sonst immer schlimmer wird und eines Tages zu Asthma werden kann. "Spätestens dann ist die Lebensqualität der Betroffenen stark eingeschränkt", sagt er und warnt Betroffene davor, die "paar Monate im Jahr durchzustehen".

Vor allem deshalb, weil auch der Klimawandel die Verbreitung von Ragweed weiter begünstigen wird. Die milden Winter und die heißen, trockenen Sommer sind ideal für die Verbreitung der Pflanze, die fatalerweise vor allem auf unfruchtbaren und damit meist unbewirtschafteten Flächen bestens gedeiht – etwa auch auf Baustellen, entlang von Autobahnen oder Bahntrassen.

Aus seiner Erfahrung weiß Berger, dass sie sich Ragweed Meter um Meter vorarbeitet und durch sein transversales Wachstum sogar Tunnel überwinden kann, "dafür braucht es aber ein paar Jahre", sagt er.

Im Vogelfutter

Der erste dokumentierte Ambrosia-Fund in Österreich erfolgte 1880. Man nimmt an, dass die Samen nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Jutesäcken, in denen Hilfslieferungen verpackt waren, nach Europa kamen und die weite Verbreitung des Ragweed durch verunreinigtes Saatgut erfolgt ist. Interessanterweise dürfte auch Vogelfutter mit Ragweed durchsetzt sein. "Wenn es in Privatgärten wuchert, ist dort sehr oft ein Vogelhaus", hat Berger beobachtet und fordert alle, die so ein Kraut in ihrem Garten finden, auf, es umgehend auszureißen.

Im Kampf gegen Ragweed und für Allergiker setzt Allergologe Berger nämlich auch weiterhin auf Citizen-Science-Kooperationen, also auf interessierte und engagierte Laien, die ihn im Kampf gegen das hochallergene Kraut unterstützen und Funde melden. In ganz Ostösterreich laufen schon Mähaktionen. Er zeigt auf die Wohnsiedlung unmittelbar neben dem gemähten Ragweed-Areal in Korneuburg: "Dort wird es ein paar Allergikern künftig bessergehen." (Karin Pollack, 15.9.2018)