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In den Hügeln von Simandou sollen die größten unerschlossenen Eisenerzvorkommen der Welt schlummern.

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Manche Länder sitzen auf riesigen Mengen von Bodenschätzen, aber ihre Bevölkerung fristet ein Dasein in Armut. Guinea ist so ein Fall. In den fruchtbaren Hügeln des westafrikanischen Landes, dessen Name (nicht zu verwechseln mit Guinea-Bissau, Äquatorialguinea oder Papua-Neuguinea) sich vom Tuareg-Wort "aginaw" (Schwarze) ableitet, lagern Bauxit, Gold, Nickel und riesige Eisenerzvorkommen. Korruption und Gewalt halten Guinea, in dem 2014 eine Ebola-Epidemie wütete, jedoch unter den Schlusslichtern im Human Development Index. Tausende Menschen suchen Jahr für Jahr ihr Glück im Ausland.

Ausländische Investoren hingegen schielen schon lange auf die rote Erde im Simandou-Gebirge. Dort, im Osten des kaum erschlossenen Landes, hat sich vor zwei Jahren der chinesische Chinalco-Konzern die Schürfrechte für das größte unerschlossene Eisenerzvorkommen der Welt gesichert. Investiert wurde noch nichts. "Nationale Egoismen machen das Projekt zunichte", erklärt Robert Kappel, emeritierter Professor an der Universität Leipzig und ausgewiesener Kenner der Region.

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Die Regierung um Präsident Alpha Condé hat Investitionen in die Infrastruktur des Landes zur Bedingung für die Schürfrechte gemacht. Wer das Eisenerz fördert, muss eine über 600 Kilometer lange Eisenbahntrasse durch das hügelige Land bauen und den Rohstoff von der guineischen Hauptstadt Conakry aus in die Welt verschiffen. Betriebswirtschaftlich lohnt sich das nicht: Seit 2013 ist der Preis von Eisenerz um fast 50 Prozent gefallen. Und eine Bahnverbindung in das benachbarte Liberia wäre im äußersten Osten des Landes viel günstiger.

Berühmter Korruptionsfall

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Der chinesische Chinalco-Konzern hat sich die Schürfrechte in Simandou gesichert.
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Der Weltöffentlichkeit wurden die Hügel von Simandou durch Korruptionsskandale bekannt. In den 90ern hatte sich Rio Tinto die Schürfrechte gesichert. 2008 wurde der australische Konzern enteignet, die Rechte gingen an den israelischen Bergbaugmagnaten Beny Steinmetz – ohne Gegenleistung. Er soll den Diktator mit Hilfe von dessen vierter Frau bestochen haben. Als Conté kurz darauf starb, kam es zum Putsch – und es kam zu einem Stillstand von ausländischen Investitionen. Die 2010 gewählte Condé-Regierung übertrug die Rechte an Simandou wieder an Rio Tinto. 2016 verkündeten die Australier den Ausstieg aus dem Projekt und den Verkauf ihrer Anteile an Chinalco. Noch ist der Deal nicht vollständig abgewickelt.

Egal wie die Simandou-Geschichte ausgeht – ob die Bevölkerung Guineas von dem Projekt profitieren würde, ist ohnehin fraglich. "Rohstoffkonzerne beuten das Land aus", sagt Kappel. Zudem neigen Rohstoffökonomien wie Guinea zur Cliquenwirtschaft. Vincent Stamer vom Münchner Ifo-Institut pflichtet bei: "Chinesische Unternehmen beschäftigen oft Chinesen und beziehen Kapitalgüter aus China. Das hilft Guinea wenig." Die Haupteinkünfte des Landes kommen durch Rohstoffexporte zustande: Gold für die Vereinigten Arabischen Emirate, Bauxit für China. Nach Österreich hat Guinea 2016 vor allem Holz und Schlaginstrumente im Wert von gerade einmal 12.600 Euro exportiert. Im Gegenzug gingen Softdrinks aus Österreich für 192.000 Euro nach Guinea.

Beny Steinmetz soll die Simandou-Rechte durch Bestechung erhalten haben.
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Arme Leute, reiches Land

"Das Land ist reich, die sind Leute arm", sagt Kadiatou Sow. Die junge Frau ist in Conakry aufgewachsen und hat in Österreich das Modelabel Diawax Fashion gegründet: "Es gibt Wasser, aber an vielen Orten keinen Strom. Es gibt Bodenschätze, aber keine Jobs."

Menschen flüchten aber nicht wegen fehlender Perspektiven und grassierender Armut. "Es herrscht eine ausgeprägte Kultur der Gewalt", sagt Kappel. Die Regierung geht brutal gegen Aufstände und Streiks vor. Immer wieder sterben Menschen bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. "Gewaltherrschaft ist letztlich, was den 'failed state' Guinea zusammenhält", erklärt Kappel.

Viele Guineer sehnen sich nach den Zeiten unter Diktator Lansana Conté, den sie liebevoll Papa Conté nennen. In vielen Wohnungen hängen noch immer Bilder des 2008 verstorbenen Diktators. Dass dieser Guinea zwischen 1984 und seinem Tod zu einem der ärmsten Länder der Welt heruntergewirtschaftet hat, haben viele vergessen. Über 40 Prozent der guineischen Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre, und mehr als 60 Prozent haben ihren 24. Geburtstag noch vor sich. Dem jetzigen Präsidenten Condé wirft die junge Bevölkerung vor, das Land an ausländische Investoren zu verschachern und die Regierungsclique damit zu bereichern.

Gewalt steht in Guinea an der Tagesordnung. Proteste werden meist mit Waffengewalt niedergeschlagen.
Foto: APA/AFP/Binani

Besser gebildete emigrieren

"Es sind hauptsächlich die gebildeteren jungen Menschen, die ihr Glück im Ausland versuchen", sagt Kappel. Die analphabetische Mehrheit der Guineer zieht es vermehrt vom Land in die Städte. 70 Prozent der Bevölkerung können weder lesen noch schreiben.

Die wenigen Guineer, die es nach Europa schaffen, dürfen selten bleiben. "Auf dem Papier ist das Land eine Demokratie, es gibt kaum eine Chance auf politisches Asyl", erklärt Kappel. In EU-Kreisen spricht man von einer guten Menschenrechtslage, die Zivilgesellschaft spiele in der Verteidigung von Menschenrechten eine zunehmend aktive Rolle.

Seit Jahresbeginn wurden in Österreich nur einer Schutzsuchenden aus dem Land Asyl gewährt. Demgegenüber stehen 28 negative Bescheide und 23 Rückführungen. 2015 sind fast eine halbe Million Guineer ausgewandert, die meisten davon in benachbarte Staaten.

Solange Guinea seinen Einwohnern keine Perspektiven bieten kann, wird das auch so bleiben. Die Regierung hat zwar einen nationalen Entwicklungsplan erarbeitet, dieser sieht Investitionen in Gesundheitssystem, Bildungseinrichtungen, Transportwege und Agrar- und Rohstoffwirtschaft vor. "Der Plan ist nachdenklich und gut geschrieben, die Finanzierbarkeit bedacht", erkennt Kappel an. Man dürfe aber bezweifeln, dass er jemals umgesetzt wird. "Es geht in dem Land nicht darum, weiterzukommen", beklagt der Professor. In EU-Kreisen ist man optimistischer. Erste Schritte seien gemacht worden, erste Auswirkungen seien zu spüren. Es würde aber noch dauern, bis die Bevölkerung die Auswirkungen der Maßnahmen voll zu spüren bekommt.

Seit 2010 ist Alpha Condé Präsident des westafrikanischen Landes.
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Abhängig von Hilfe

Dass Guinea aus eigener Kraft auf einen prosperierenden Pfad kommt, bezweifeln Experten. Das Land ist auf ausländische Hilfe angewiesen. Der in Guinea investierte chinesische Rohstoffkonzern TBEA hat angekündigt, Bauxit in Zukunft auch in Guinea zu verarbeiten. Das würde dem Land helfen, in der Wertschöpfungskette nach oben zu klettern, erklärt Ifo-Ökonom Stamer.

Wichtigster Entwicklungspartner Guineas ist jedoch die EU. Die Europäische Investitionsbank steckt 125 Millionen Euro in Energieprojekte. Insgesamt belaufen sich die Entwicklungsausgaben der Europäer in Guinea auf mehr als eine halbe Milliarde Euro und sollen das Land stabilisieren und sein wirtschaftliches Niveau anheben.

Damit dies gelingt, braucht es massive Investitionen, glaubt auch Kappel. Das Bildungssystem ist desolat. Dass ein flächendeckendes Gesundheitssystem fehlt, wurde 2014 mit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie auf grausame Weise deutlich. Unternehmertum wurde historisch nicht gefordert und kann in der sozialistisch geprägten Bürokratie kaum gedeihen. Guinea wird noch lange brauchen, bis es seiner Bevölkerung Perspektiven bieten kann. (Aloysius Widmann, 15.9.2018)