Wien – Richter Stefan Romstorfer stellt den Akteuren im Prozess gegen Iris W. am Ende kein gutes Zeugnis aus. "Ich habe das Gefühl, dass alle Beteiligten gelogen haben. Manche mehr, manche weniger", fasst er zusammen, warum er die unbescholtene 34-Jährige vom Vorwurf der schweren Körperverletzung nicht rechtskräftig freispricht.

Die Geschichte ist brisant. Denn laut Anklage war das Opfer Benjamin F., der vor knapp einem Monat nicht rechtskräftig wegen Vergewaltigung zu dreieinhalb Jahren Haft und Einweisung in eine Anstalt verurteilt worden ist. Nicht nur eine Freundin von W. soll Opfer des 30-Jährigen gewesen sein, auch sie selbst hatte Vorwürfe gegen den Mann erhoben.

Blutende Wunde und Gehirnerschütterung

Am 18. März soll die Angeklagte als Selbstjustiz bei einer zufälligen Begegnung in einem Lokal in Wien-Neubau ein Whiskyglas an F.s Kopf geworfen haben. Wodurch er nicht nur eine blutende Wunde, sondern auch eine Gehirnerschütterung erlitten haben soll.

W., die in dieser Nacht in Begleitung eines der mutmaßlichen Opfer F.s in dem Lokal war, bestritt das am ersten Prozesstag. Sie habe ihm lediglich beim Vorbeigehen ihr Getränk ins Gesicht geschüttet, ihn könne maximal ein Eiswürfel getroffen haben.

Zwei ihrer Freundinnen bestätigten diese Version, F. und seine Begleitung blieben dagegen dabei, es sei ein Glas geflogen. Nur: Ob W. oder ihre Freundin dieses geworfen habe, konnte niemand sagen. Sabrina N., die damals an F.s Tisch gesessen ist, habe aber W. gesehen, wurde behauptet.

Viele mit Rücken zu fliegendem Glas

Zu Unrecht, wie sich nun am zweiten Verhandlungstag herausstellt. Die 22-jährige Zeugin sagt zwar ebenfalls, es sei ein Glas von hinten gekommen und habe F. an der Stirn getroffen. Aber: "Ich bin mit dem Rücken zur Angeklagten gesessen." Was zur kuriosen Situation führt, dass drei Personen mit dem Rücken zum fliegenden Glas saßen und das Opfer auf die Tischplatte starrte.

Zeugin N. widerspricht auch einer anderen Zeugenaussage, wonach das Cut nur leicht geblutet habe. Die Tischplatte sei blutüberströmt gewesen, berichtet sie. Zur Reinigung habe sie mehrere Papierhandtücher vom WC holen müssen. F. habe nach dem Angriff auch über Kopfschmerzen und Doppelsicht geklagt. "Warum haben Sie dann nicht darauf gedrängt, dass er ins Spital fährt? Da war er erst zwölf Stunden später", wundert sich Romstorfer. Sie habe F. nicht so gut gekannt, meint die Zeugin dazu.

Verteidigerin Iris Dullnig hat es daher recht leicht, am Ende erfolgreich auf den Zweifelsgrundsatz zu pochen. "Wir haben mehrere Versionen, Fakt ist, niemand hat gesehen, ob meine Mandantin das Glas geworfen hat", argumentiert sie. Und verweist auf die widersprüchlichen Aussagen bezüglich der Schwere der Verletzung. (Michael Möseneder, 17.9.2018)