Rund ein Fünftel von Österreichs Jugendlichen absolviert eine Lehre samt Berufsschule.

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Muss die Lehre in Österreich attraktiver werden, damit mehr Menschen eine duale Ausbildung absolvieren? Die kurze Antwort lautet: Nein, die Lehre ist ohnehin extrem beliebt. Laut Statistik Austria absolvieren aktuell 20 Prozent der 15- bis 19-Jährigen eine Berufsschule samt Lehre. Damit liegt die duale Ausbildung in der Rangliste der beliebtesten Ausbildungsformen nur ganz knapp hinter dem Gymnasium.

Die lange Antwort auf die Frage fällt allerdings etwas komplexer aus. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Lehrlinge deutlich zurückgegangen. Heute gibt es 25.000 Lehrlinge weniger als vor zehn Jahren. Unternehmen beklagen regelmäßig, dass ihnen geeignete Kandidaten für einen Ausbildungsplatz fehlen. Während es im Osten des Landes mehr Menschen gibt, die einen Lehrplatz suchen, ist es im Westen jedenfalls tatsächlich umgekehrt: Dort herrscht Mangel. Hinzu kommt, dass sich für bestimmte Jobs mit schlechtem Image, etwa Dachdecker, generell nur wenige junge Menschen interessieren.

Die türkis-blaue Regierung will den Jobgipfel, der am Mittwoch in Wien stattfindet, deshalb dazu nutzen, Reformen bei der Lehre voranzutreiben. Dabei soll das Image der dualen Ausbildung verbessert werden. Ab Oktober wird es eine Werbekampagne der Bundesregierung geben. Ein Vorschlag lautet, die Lehrlingsentschädigung in gesetzlichen Materialien und in den Kollektivverträgen umzubenennen, zum Beispiel in Lehrgehalt. Mit dem Wort Entschädigung werde der Eindruck erweckt, als sei die Lehre eine Zumutung, so das Argument.

Zur Matura im Gymnasium gehört die Maturareise. Im Wirtschaftsministerium wird darüber nachgedacht, wie und ob man so eine Reise auch am Ende der Lehre etablieren könnte.

Daneben soll es auch mehr Geld für die duale Ausbildung geben. Der Insolvenz-Entgelt-Fonds, der im Falle von Unternehmenspleiten Gehälter weiterzahlt, ist per Gesetz verpflichtet, Finanzmittel für die Ausbildung und Beschäftigung von Lehrlingen bereitzustellen. Im vergangenen Jahr wurden nicht sämtliche Mittel abgerufen, weshalb beim Fonds ein Finanzpolster in Höhe von 40 Millionen Euro entstanden ist. Dieses Geld oder zumindest Teile davon sollen für die türkis-blaue Lehrlingsinitiative genutzt werden. So soll es mehr Mittel für die Förderung von lernschwachen Lehrlingen geben. Auch die Erhöhung der Zuschüsse, die Lehrlinge für die Anfahrt zum und den Heimweg vom Arbeitsplatz beantragen können, ist im Gespräch.

Zum Jobgipfel am Mittwoch laden das Sozial- und das Wirtschaftsministerium ein. Neben Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ist auch die Führung des Arbeitsmarktservice AMS dabei.

Neue Regelungen sollen für die überbetriebliche Lehrausbildung kommen. Die überbetriebliche Ausbildung wurde im Zuge des Krisenjahres 2008 etabliert. Das AMS ist verpflichtet, Menschen, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, selbst eine Lehrstelle anzubieten. Die Ausbildung übernimmt eine vom AMS beauftragte Bildungseinrichtung in einer Lehrwerkstätte.

Im vergangenen Jahr haben etwa 9000 Menschen eine überbetriebliche Ausbildung absolviert. Vonseiten der Unternehmer gab es zuletzt kritische Äußerungen, weil diese Lehrlinge klassischen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen würden.

Allerdings sind viele der jungen Menschen in Betrieben nicht untergekommen, weil sie mit schulischen Defiziten zu kämpfen haben und zum Beispiel nicht richtig lesen und schreiben können. Im Rahmen der überbetriebliche Lehre soll das ausgeglichen werden. Die Regierung will die Vermittlung dieser AMS-Lehrlinge in Betriebe forcieren. So soll für die jungen Menschen eine Bewerbungspflicht in Betrieben festgeschrieben werden, die von den AMS-Partnereinrichtungen kontrolliert werden muss.

Viele Mangellisten

Diskutiert werden soll beim Jobgipfel auch über die Frage, wie man insgesamt mehr junge Arbeitslose für längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen gewinnen kann. Das ist vor allem für die Arbeiterkammer und den ÖGB ein wichtiges Thema. Allerdings dürfte das Potenzial beschränkt sein.

Österreichweit gibt es aktuell laut AMS gerade einmal 4800 Menschen unter 25 Jahren, die langzeitarbeitslos sind, also ein Jahr oder länger keinen Job finden. Im Gegensatz zu älteren kommen junge Menschen in der Regel rasch wieder am Arbeitsmarkt unter. Ob man diese Gruppe für längerfristige Ausbildungen gewinnen kann, ist also fraglich.

Ein Streitthema zwischen den Sozialpartnern beim Jobgipfel wird die Regionalisierung der Mangelliste sein. Aktuell gibt es nur eine bundesweite Liste für Mangelberufe, künftig soll es für die Länder eigene Listen geben. Arbeiterkammer und ÖGB erwarten deshalb eine Zunahme von Arbeitnehmern aus Drittstaaten.

Will ein Unternehmen einen Drittstaatsangehörigen, aus der Ukraine oder Bosnien, beschäftigten, muss es erst nachweisen, dass es keinen geeigneten Inländer oder hier lebenden Migranten finden kann. Steht ein Beruf auf der Mangelliste, entfällt diese Prüfung. Die Arbeitgeber sprechen davon, dass ohne die regionalisierte Listen der Fachkräftemangel nicht effektiv zu bekämpfen ist. (András Szigetvari, 18.9.2018)