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Ein Naturschauspiel und eine Gefahr für den Flugverkehr: Der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010.

Foto: Reuters / Lucas Jackson

Das Wort Eyjafjallajökull geht Nichtisländern vielleicht nicht so leicht über die Lippen. Im Frühling 2010 war der Name des Vulkans aber in Europa in aller Munde. Mehrere Ausbrüche schickten monumentale Aschewolken in den Himmel über Island, eine nordwestliche Großwetterlage trieb sie Richtung Zentraleuropa – für den Flugverkehr eine Katastrophe, die für viele Reisende in tagelangen Busfahrten endete.

"2010 hatten wir zwar viele Beobachtungsdaten und Modellrechnungen zur Ausbreitung der Asche zur Verfügung. Es war aber schwer einzuschätzen, welche der Daten wirklich relevant sind. Dennoch mussten schnell Maßnahmen ergriffen werden", erinnert sich Marcus Hirtl von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien. "Vorsichtshalber wurde ein großer Teil des europäischen Luftraums gesperrt."

Man war übervorsichtig, weil man es nicht besser wusste. Nachträgliche Analysen zeigten, dass die Modellvorhersagen Gefahrenzonen zeigten, die um ein Vielfaches größer waren als die späteren Satellitenaufnahmen der Aschewolken. Der Vulkanausbruch war deshalb auch ein Ausgangspunkt für neue Forschungsbemühungen, um die Ausbreitung von Partikeln, sogenannten Aerosolen, und Schadstoffen in der Atmosphäre genauer zu erforschen.

Ein System sollte etabliert werden, das bei neuen Vulkanausbrüchen, aber auch bei Unfällen in Nuklearkraftwerken, eine Kette von Maßnahmen in Gang bringt, die eine Einschätzung der Gefahren zulässt und den Flugverkehr entsprechend reagieren lässt.

Bessere Analysen

Die Bemühungen mündeten unter anderem in die Entwicklung eines European Natural Disaster Coordination and Information System for Aviation (EUNADICS-AV); ein im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizon 2020 finanziertes Projekt, an dem 21 europäische Organisationen zusammenarbeiten, um die Analysen der Konzentrationsverteilungen von Schadstoffen zu verbessern.

In Österreich sind neben der ZAMG, einer Forschungsstelle des Wissenschaftsministeriums, und dem wissenschaftlichen Projektleiter Marcus Hirtl das Bundesministerium für Landesverteidigung, die Universität Salzburg, das Unternehmen Flightkeys und die Austro Control mit an Bord, in Deutschland unter anderem das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt DLR.

In den vergangenen Wochen ist ein zentrales Experiment des Projekts über die Bühne gegangen: Im niederösterreichischen Ort Langenlebarn wurden jene Messflüge durchgeführt, die auch im Fall eines Vulkanausbruchs oder eines AKW-Störfalls auf dem Programm stehen. Dafür wurde ein ungefährliches Tracer-Gas vom Boden aus in die Atmosphäre entlassen.

Anschließend startete eine Pilatus-PC6-Maschine des Bundesheers vom örtlichen Militärflugplatz, um Daten zur Ausbreitung des Stoffs zu sammeln. Ähnliche Messungen wurden auch in Deutschland absolviert. Hirtl: "Wir haben versucht, mit unserem Messsystem die Wolke zu erwischen. Ob wir glücklich waren, wissen wir erst nach der Auswertung in einigen Monaten."

Höhere Vorhersagegenauigkeit

Die resultierenden Daten fließen in die Vorhersagemodelle ein, gemeinsam mit Satellitenaufnahmen und sogenannten Lidar-Messungen (Light Detection And Ranging), die die Windgeschwindigkeiten vom Boden aus mithilfe von Laserlicht messen, das an den Partikeln in der Windströmung gestreut wird.

"Im Ernstfall dienen die Daten unter anderem der Quellthermbestimmung", erklärt Hirtl. "Dabei wird rechnerisch auf die Ursprungskonzentration – also die Menge, die aus dem Vulkan emittiert wurde – geschlossen. Kennt man diese Größe, verbessert sich auch die Vorhersagegenauigkeit." Die Daten werden zudem Teil eines Modells, das meteorologische Daten sowie chemische Abläufe, Wechselwirkungen und Reaktionen in der Atmosphäre abbildet.

"Eine große Aschewolke lässt weniger Strahlung auf den Boden auftreffen, die Temperatur sinkt etwas, was wiederum Auswirkungen auf Windbewegungen und die lokale Wettersituation hat", gibt Hirtl ein Beispiel für die Zusammenhänge. Für derart komplexe Modellbildungen kommt der neu angeschaffte und vor kurzem präsentierte Hochleistungsrechner der ZAMG gerade recht, der mit 7000 Rechenkernen 550 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde durchführen kann und damit um das Zweieinhalbfache schneller ist als das bisherige System der Einrichtung.

Globale Windkarte

Künftig könnte noch eine weitere interessante Datenquelle zur Verfügung stehen: Der nach dem griechischen Gott des Windes benannte Satellit Aeolus, den die europäische Weltraumagentur Esa vor wenigen Wochen in den Orbit befördert hat, legt Windprofile des gesamten Globus an.

Der Satellit arbeitet nach demselben Prinzip wie die Lidar-Bodenstationen – es ist aber das erste System dieser Art im All. Das Instrument an Bord – es heißt Aladin – schickt kräftige Impulse ultravioletten Lichts in die Atmosphäre. Ein 55-Kilo-Teleskop mit eineinhalb Metern Durchmesser ist in einem speziellen Winkel ausgerichtet, um trotz der Flugbewegung das gestreute Licht wieder auffangen zu können.

Aeolus, dessen erste Aufnahmen vor wenigen Tagen empfangen wurden, wird die Wetter- und Klimamodelle verfeinern – und vielleicht auch bei der Vorhersage von Gefahrenstoffen in der Atmosphäre helfen.

Im von Hirtl geleiteten EU-Projekt steht 2019 ein neuer Höhepunkt an. Innerhalb von zwei Wochen wird im Netzwerk der 21 Projektpartner sowohl ein Ausbruch des Ätna als auch ein Störfall in einem Kernkraftwerk simuliert. "Wir erproben die gesamte Reaktionskette", erklärt Hirtl. Im Fall des fiktiven Ätna-Ausbruchs kommen erste Daten von einem Observatorium in Sizilien.

Satellitenbilder und andere Eingangsdaten werden das Lagebild – dieses Mal in koordinierter Weise – ergänzen und zu genauen Modellen und Prognosen der Konzentrationsverteilungen führen. An die Stelle aktueller Messflüge, die man im Ernstfall machen würde, treten jene, die man diesen September durchgeführt hat.

Zuletzt werden die Flugpläne in den Traffic-Management-Systemen der Luftfahrt entsprechend der Ausbreitung der Aschewolken verändert. Hirtl: "Am Ende der Kette steht der einzelne Pilot, der einen neuen Kurs fliegt, um der Gefahr auszuweichen." (Alois Pumhösel, 20.9.2018)