Die Künstlerin nimmt Geschlechterverhältnisse wie Origamifiguren auseinander und setzt diese neu zusammen: "Eckobjekt I" (2012).

Foto: Pascal Petignat

"Centerfolds" heißen die in der Heftmitte von Zeitschriften platzierten Faltbilder, auf denen sich üblicherweise Nackte räkeln. Wenn sich Stefanie Seibold diese Bezeichnung aneignet, ist mit lustvoller Sabotage zu rechnen. Sie kommt in Form von Faltobjekten daher, die sich als edle Minimal-Skulpturen rezipieren, aber auch als aus Pappe und Glanzfolie gemachte Attrappen entlarven lassen. Was man sieht, ist nicht unbedingt, was man kriegt.

Ähnlich verhält es sich mit normativen Geschlechterrepräsentationen, die Seibold auseinandernimmt, um sie mit queer-feministischem Blick neu zusammenzusetzen. Zweckdienlich ist dabei das eigene Archiv aus Bild- und Textquellen, Flyern, Zeitungsausschnitten, Zitaten, Postern, Zeichen und Gesten. Gerade der Beschäftigung mit Letzteren kann man in Zeiten, in denen Behörden meinen, Homosexualität am "Gehabe" von Asylwerbern ablesen zu müssen, eine gewisse Aktualität kaum absprechen.

Performativer Ritt

So wie die Werkserie Centerfolds heißt auch Seibolds Personale im Innsbrucker Kunstpavillon, in deren Rahmen das Reenactment von Clever Gretel auf dem Programm steht: Ein Projekt, mit dem die aus Stuttgart gebürtige Künstlerin vor bald zwanzig Jahren die Wiener Performance-Szene aufgemischt hat, um diese gemeinsam mit Carola Dertnig auch gleich zu beforschen.

"Das kluge Gretel", Figur aus einem Schwank der Brüder Grimm, stand mit seiner heiteren Renitenz gegen herrschende Normen dereinst Pate für einen performativen Ritt durch Gendertheorie und Kunstgeschichte, Freud'sche Abhandlungen zu Hysterie und Sexualtherapie, Hoch- und Popkultur – Headbanging mit blonden Zopfperücken inbegriffen. Im Kunstpavillon wartet nun das bühnenbildartige Originalsetting samt Videodokumentation aus dem Jahr 2000 auf den Abgleich mit der in manchen Fragen ja vielleicht schon fortgeschritteneren Gegenwart.

Eine Art Ahnengalerie

Aus dem Gemischtwarenladen des (genderorientierten) Kunstdiskurses bedient sich Seibold auch in einer Serie jüngerer Collagen, die sie selbst als eine Art Ahnengalerie versteht und aus der sich eine Reihe durchaus spannender, weil noch nicht abgegriffener Bezüge herauslesen lassen. Als großzügige Geste im Raum fungieren wiederum gleich eingangs drei geschwungene Stahlskulpturen, die dem 1927 von Lilly Reich entworfenen Display für das Café Samt und Seide auf der Berliner Messe nachempfunden sind.

Von Reichs beruflicher wie privater Verbindung mit Ludwig Mies van der Rohe blieben ein für sie vergleichsweise bescheidener Nachruhm und bis heute nicht restlos geklärte Fragen der Urheberschaft. Gute Gründe, der Bauhaus-Pionierin mit subversivem Witz quasi das "Centerfold" der Ausstellung zu widmen: Joy in Repetition nennt sich die Installation in Anlehnung an den gleichnamigen Prince-Song. (Ivona Jelcic, 19.9.2018)