Christian Kern selbst ist angeschlagen, die Umstände des Leaks werfen ein schlechtes Licht auf sein Umfeld und die Partei.

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Das hat Christian Kern ja gut hingekriegt: Einer nach dem anderen sagt ab. Die nächsten Tage und Wochen, vielleicht auch Monate wird darüber diskutiert, wer aller nicht Chef der SPÖ werden mag. Weil er oder sie sich das nicht antun mag, einen besseren Job, bessere Aussichten hat. Was damit nach innen wie nach außen transportiert wird, ist nichts anderes, als dass SPÖ-Chef ein schrecklicher Job ist, eine Zumutung. Und der, der diese Situation herbeigeführt hat, muss es ja wissen: Christian Kern. Wer auch immer sich die Nachfolge dann antut, wird nach all den Absagen und Verweigerungen im Geruch stehen, drittbeste Wahl und eine Verlegenheitslösung zu sein.

Nicht nur aus diesem Grund war der Dienstag, an dem der Abgang von Kern bekannt wurde, kommunikationstechnisch ein Desaster. Vor allem für die SPÖ, aber auch für die Medien. Das Gerücht über einen Rücktritt von Kern wurde aus seinem innersten Kreis ventiliert – und von den Medien übernommen und weitergesponnen, ohne dass es eine valide Bestätigung dafür gab. Dass Kern zurücktreten würde, war zwar nicht falsch, aber auch nicht richtig. Stundenlang wurde darüber spekuliert, bei welchem bösen Unternehmen Kern anheuern könnte, ehe er selbst sich zum Kandidaten bei der EU-Wahl erklärte.

Das Weiterspielen eines Nachrichtenfetzens an die Medien war offenbar eine gezielte Intrige, schlimm genug, aber dass Kern eine Falschmeldung stundenlang ohne Klarstellung weiterlaufen lässt, war katastrophal. Schlechter hätte man eine Kandidatur kaum bewerben können. Da fällt es auch den eigenen Genossen schwer, dem europäischen Engagement ihres Nochvorsitzenden etwas Positives abzugewinnen.

Scherbenhaufen

Die Partei steht vor einem Scherbenhaufen. Kern selbst ist angeschlagen, die Umstände des Leaks werfen ein schlechtes Licht auf sein Umfeld und die Partei. Der vorbereitete Parteitag muss verschoben werden. Nachfolger sind vorerst nicht in Sicht. Diejenigen, die in der Partei eine Machtbasis hätten, haben abgesagt. Und Pamela Rendi-Wagner, die sich viele vorstellen könnten, hat eben keinerlei Machtbasis in der Partei. So wie Kern am Mittwoch das Idealbild eines Oppositionsführers, dem er eben nicht entspreche, beschrieben hat, nämlich als permanente Zuspitzung, als beidhändiges Eindreschen auf sein Gegenüber, war das auch nicht gerade eine Empfehlung für Rendi-Wagner.

Kern hat erstmals durchblicken lassen, dass er sich für diese Arbeit zu fein ist und dass ein schlichteres Gemüt an seiner Stelle besser aufgehoben wäre. Wer auch immer sich jetzt vordrängt, hat schon verloren.

Da kann man Sebastian Kurz gratulieren: Das hätte sich sein Büro für Feindbeobachtung und Intrigen nicht besser ausdenken können.

Und Europa? Hat auf Christian Kern nicht gewartet. Sein Engagement in Ehren, aber Kern wird weder die europäische Rechtsallianz bezwingen noch den amerikanischen Präsidenten domestizieren. Er ist ein österreichischer Kandidat, ein ehemaliger Regierungschef immerhin, einer, der gestalten will, wenn man das positiv sehen mag, einer, dem die Oppositionsarbeit zu schäbig ist, wenn man das nicht so positiv sehen mag. Empfohlen hat er sich mit den Umständen seiner Bewerbung nicht. Aber er hat Chancen auf einen Job, vielleicht auch auf einen Topjob, mit Sicherheit aber nicht die Unterstützung der österreichischen Bundesregierung. (Michael Völker, 19.9.2018)