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Der österreichische Ökonom Gabriel Felbermayr beobachtet den wirtschaftlichen Niedergang der USA.

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Wien/Washington – Der wirtschaftliche Niedergang der USA sei langfristig gesehen bereits im Gang, sagte der Ökonom Gabriel Felbermayr am Mittwoch auf einer Pressekonferenz bei der Börsianer-Messe in Wien. Bis 2045 werde der Anteil Chinas an der Weltproduktion auf 25 Prozent steigen. "Die Machtverhältnisse ändern sich", so Felbermayr.

"Ich glaube, dass ein Teil der aggressiven Politik von Trump genau damit zu erklären ist", meinte Felbermayr, der ab März 2019 das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) leiten wird. Die Chinesen würden den bisherigen Hegemon USA volkswirtschaftlich überholen, in Kaufkraftparitäten sei das schon passiert, in laufender Währung werde das in den nächsten fünf, sechs Jahren der Fall sein. China werde nicht nur die wichtigste Handelsmacht, sondern auch der wichtigste Kapitalgeber der Welt.

Aufbäumen gegen Niedergang

"Das war ja auch der ganze Antrieb für diese TTIP-Diskussion. In Europa geht es uns nicht anders", sagte Felbermayr. Bei dem TTIP-Handelsabkommen der EU mit den USA gehe es darum, die gemeinsamen Interessen abzusichern, ein gemeinsames Gegenmodell zum protektionistischeren chinesischen Wirtschaftsmodell zu entwickeln, wo die Freiheitsrechte nicht so stark seien. "Was wir sehen, ist ein Aufbäumen dagegen."

Noch könne man versuchen, China einzufangen und eine neue Welthandelsordnung zu kreieren, die sich von der alten unterscheide, wie sie die WTO darstelle. Noch hätten die USA ein hinreichendes Gewicht, um sich mit China vertraglich zu einigen. Dieses Zeitfenster werde aber immer kleiner.

Multipolare Welt

Langfristig sieht es laut Felbermayr so aus, dass die Welt auf eine tripolare oder sogar multipolare Ordnung zulaufe, "wo keine Macht mehr dominiert". Dabei würden etwa 25 Prozent der Weltproduktion auf China entfallen, 30 Prozent auf die EU und die USA und der Rest auf die übrige Welt. Wobei auch da Newcomer zu beobachten sein werden, wie Indien oder Afrika. Bei Afrika wisse man derzeit nicht, ob es reüssieren oder in Chaos verfallen werde.

Ein Handelskonflikt mit den USA mit Zöllen und Ähnlichem würde Österreich zwar "wehtun", aber es wären nur 0,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung betroffen, da Österreich sehr viele andere Märkte habe und die Exportwirtschaft sehr differenziert sei. Die Effekte wären somit überschaubar. Solange der Konflikt auf die USA begrenzt sei und es zu keinem Flächenbrand komme, müsse man sich keine großen Sorgen um Österreich machen.

WTO wird an Relevanz verlieren

Einen Flächenbrand brauche man so lange nicht zu fürchten, wie die Koalition derer stehe, die die WTO erhalten oder reformieren wollen. Diese Koalition, zu der Russland und China zählten, richte sich gegen die USA. Das heiße aber nicht, dass es gelingen werde, die WTO zu reformieren.

Sie werde nicht von heute auf morgen abgeschafft werden, dürfte aber langsam an Relevanz verlieren. Felbermayr glaubt nicht, dass sie es mit ihren 164 Mitgliedern schaffen wird, sich zu reformieren. Die Aussichten für die Weltkonjunktur insgesamt seien nach wie vor nicht schlecht, wobei der Wachstumsbeitrag Chinas tendenziell immer geringer werde.

Plädoyer für andere Einwanderungspolitik

Was Österreich wirtschaftspolitisch dringend brauche, sei eine andere Einwanderungspolitik. "Man kann ja Fachkräfte importieren, aber das wird man nicht mit Flüchtlingen machen können", sagte Felbermayr. Ähnlich wie in Kanada könnte man mit einem Punktesystem Talente vom Weltmarkt holen, "dort, wo man sie braucht".

Zweitens werde man nicht umhinkommen, dass länger gearbeitet werde, "dass sich die Erwerbsbiografie an die längere Lebensdauer anpasst". Zudem könnte man sich fragen, ob nicht die Bildungspolitik zielgerichteter sein könnte. Berufe, die für die Wettbewerbsfähigkeit wichtig seien, sollten stärker gefördert werden. Dazu zählt Felbermayr die sogenannten Mint-Berufe. "Dort ist Arbeitskräfteknappheit wohlstandsgefährdend." (APA, 19.9.2018)