Überteuerter Zuchtfisch

Zweifellos ist es eine begrüßenswerte Entwicklung, dass sich das Kochen mit lokalen Zutaten inzwischen auch in der Spitzengastronomie durchgesetzt hat. Gelten solche Lebensmittel doch als frischer und umweltschonender. Sie sind Teil der kulinarischen Tradition der Region, in der man sich gerade aufhält. Was zweifellos auch der Grund ist, warum viele Restaurants des Landes für ihre Fischgerichte heute ausschließlich auf Süßwasserfische aus heimischen Gewässern zurückgreifen.

Der heimische Süßwasserfisch auf dem Teller ist meistens ein gezüchteter Raubfisch wie Forelle.
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Das Problem liegt allerdings darin, dass es sich dabei in der überwältigenden Mehrheit der Fälle um gezüchtete Raubfische handelt, die mit Futter aufgezogen werden, welches wiederum zu einem großen Teil aus Meeresfischen besteht, aus industriellem Fang stammt und keinesfalls als lokal bezeichnet werden kann. Nun gibt es freilich Fortschritte dabei, den Fischanteil im Fischfutter zu reduzieren.

Ob man es allerdings als artgerecht bezeichnen kann, Fleischfressern wie Forelle oder Saibling eine vegane Ernährung vorzusetzen, muss bezweifelt werden. Weswegen es in manchen Fällen vielleicht doch ratsamer wäre, sich auf gezüchtete Pflanzenfresser wie beispielsweise den Karpfen zu beschränken, – oder sogar auf sehr wohl erhältlichen nachhaltig gefischten Meeresfisch zurückzugreifen, der in der Regel geschmacklich besser und in erstaunlich vielen Fällen sogar billiger ist als der bisweilen erschreckend überbezahlte heimische Zuchtfisch.

Das Gerede von den Mineralien im Wein

Keiner weiß, was das Adjektiv "mineralisch" in Zusammenhang mit Wein eigentlich bedeuten soll, ja nicht einmal, was angeblich im Wein enthaltene Mineralien dort überhaupt zu suchen hätten. Dennoch sprechen Weinkenner, Sommeliers und Winzer wahnsinnig gern davon, dass der Wein mineralisch sei beziehungsweise eine "feine" oder "ausgewogene Mineralität" aufweise.

Darüber, warum sie das tun, kann man nur mutmaßen. Vermutlich aber geschieht es zum einen aus dem Grund, weil als "mineralisch" bezeichneter Wein im Gegensatz zu "aromatisch" genanntem im Trend liegt. Und zum anderen, weil vor allem die Winzer es gern sehen würden, dass die Beschaffenheit des Gesteins in ihren angeblich so einzigartigen Böden bis in den Geschmack des Weines durchdringen würde. Reines Wunschdenken, denn das tut sie natürlich nicht.

Servierende Köche

Es heißt, dass es der kürzlich verstorbene Jahrhundertkoch Paul Bocuse gewesen sei, der als einer der Ersten seines Fachs die Küche verließ, um seinen "Tour de Salle" zu machen und mit den Gästen zu plaudern. Den Ausritt wagte Monsieur Paul, wie er gern genannt wurde, allerdings nicht während, sondern erst nach getaner Arbeit. Vermutlich war es der Foodie-Guru und derzeitige Superstar unter den Küchenchefs, der Däne René Redzepi, der damit begann, seine Köche schon während des Services hinauszuschicken in den Speiseraum, um den Gästen die Gerichte höchstpersönlich zu präsentieren.

Als Gast sehnt man sich nach Kellner statt Koch beim Servieren.
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Für den Restaurantbetreiber bringt das freilich den Vorteil, dass er bei teurem Servicepersonal einsparen kann. Für den Gast indessen den Nachteil, dass er während des Gesprächs mit seinem Tischnachbarn ständig von einem Koch unterbrochen wird, der ihm aufs Ausführlichste das von ihm zubereitete und servierte Gericht beschreibt und erklärt. Was man wohl oder übel über sich ergehen lassen muss, wenn man weder unhöflich erscheinen beziehungsweise den Koch dazu anhalten möchte, möglichst schnell zurückzukehren an seinen angestammten und stresserfüllten Arbeitsplatz. Und so sehnt man sich als Gast heute immer öfter nach einem ausgebildeten Kellner, der mit Zurückhaltung, Diskretion und Fingerspitzengefühl an sein gelerntes und ehrwürdiges Handwerk geht.

Bio-Radikalos

Sie verweigern jedes Lebensmittel, das nicht das Label "Bio" trägt. Und sie vergessen dabei, dass es sich eben vor allem um ein Label handelt. Und dieses in erster Linie dazu gedacht ist, dem überforderten Supermarktkunden eine Orientierungshilfe zu bieten, um sein Gewissen durch den Griff zu vermeintlich nachhaltigeren und in jedem Fall teureren Produkten zu erleichtern. Zugegeben: Von dem höheren Preis profitieren zum Glück und in der Regel auch die Produzenten. Dennoch finden sich nach wie vor zahlreiche Bauern und Erzeuger, deren Produkte weder biologisch zertifiziert sind noch im Supermarktregal liegen. Und die ihre Tiere artgerecht halten und respektvoll mit ihren Böden umgehen. In manchen Fällen arbeiten sie sogar vorbildhafter als ihre zertifizierten Kollegen. Weswegen auch sie Unterstützung verdienen. Selbst dann, wenn sie bei weitem nicht so einfach zu finden sind wie zertifizierte Supermarktware.

Biodynamische Weine mit Schraubverschluss

Über Rudolf Steiner und seine bizarre Lehre der Biodynamik kann man denken, was man will. Zugestehen muss man dem Mann jedoch, dass er eine ganzheitliche Vision der Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung pflegte und vorrangig das Ziel verfolgte, der Umwelt und dem Planeten möglichst wenig Schaden zuzufügen. Weswegen sich Steiner wohl sehr wundern würde, wenn er wüsste, dass heute bei vielen der Weine, die sich auf seine biodynamischen Herstellungsmethoden berufen, der Stöpsel aus Naturkork durch einen Drehverschluss aus Aluminium ersetzt wurde – Plastikdichtung inklusive.

Dabei wird Naturkork aus der nachwachsenden Rinde der Korkeiche erzeugt und ist eines der faszinierendsten Materialen überhaupt. So kann man einen Korkstöpsel beispielsweise sogar in einem Weingarten entsorgen, wo er problem- und spurenlos verrotten würde. Auch wenn vieles für den Drehverschluss sprechen mag: Nachhaltiger – und vor allem mehr im Sinne Steiners – ist ganz eindeutig der althergebrachte Naturkork.

Verpflichtende Verkostungsmenüs

Beim Aufkommen des Restaurants gegen Ende des 18. Jahrhunderts pries der französische Gastrosoph Jean Anthelme Brillat-Savarin diese damals völlig neuartige Form der Essensverabreichung vor allem deswegen, weil sie dem Gast erstmalig die Freiheit bot, seine Speisen aus einer Liste zu wählen.

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt – adieu Wahlfreiheit.
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In den bis dahin verbreiteten Tavernen, Schenken und sonstigen Herbergen war das nämlich keineswegs möglich. Dort aß man, was auf den Tisch kam. Und so begann vor mehr als 200 Jahren und ungefähr zeitgleich mit der Französischen Revolution die wundervolle Epoche der Speisekarte. Diese geht nun offenbar ihrem Ende zu. Zumindest wenn es nach einer wachsenden Zahl von Gourmetrestaurants geht, die dem Gast die Wahlfreiheit wieder entziehen. In diesen wird man bestenfalls nach seinen Allergien und Unverträglichkeiten befragt, bevor man ein Menü vorgesetzt bekommt, das von Anfang bis Ende einzig und allein vom Küchenchef gestaltet wurde.

Nun kann ein sogenanntes Degustations- oder Verkostungsmenü freilich viel Spaß bereiten und sehr befriedigend sein. Doch gibt es durchaus auch Situationen, in denen man überhaupt nicht verkosten, sondern lediglich essen und einen Abend im angenehmen Rahmen verbringen will. Und die passenden Gerichte dazu selbst auswählen möchte.

Saucenstreifen und -batzen

Man weiß nie genau, was von einem erwartet wird, wenn man vor einem Teller sitzt, auf dem etliche kleine Häufchen verschiedener bunter Saucen angerichtet sind. Soll man da zuerst das rosafarbene, dann das gelbe, dann das hellgrüne einzeln mit einem Zahn der Gabel aufspießen und verkosten? Oder soll man die Gabel doch besser wie einen Löffel verwenden und alle gleichzeitig aufwischen? Vor allem aber stellt sich die Frage, wozu man das tun soll? Und was diese Bemmerln eigentlich mit meinem Gericht zu tun haben?

Streifen und kleine Häufchen: Was soll man zuerst essen?
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Noch verwirrender sind allerdings die gleichfalls häufig anzutreffenden Streifen aus Saucen oder Cremen, die kunstvoll über den Teller gestrichen werden – und in erster Linie an Bremsspuren erinnern. Sie sind nicht nur genauso schwer zu essen (wobei man gar nicht weiß, ob sie überhaupt dazu gedacht sind), sondern obendrein auch noch viel hässlicher beziehungsweise unappetitlicher als die zuvor genannten Hauferln. Sodass man sich bisweilen in Zeiten zurücksehnt, als die unselige Balsamicoreduktion noch das Nonplusultra des Tellerdekors bildete. (Georges Desrues, RONDO, 18.11.2018)

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