Fritz Jergitsch von der Tagespresse: "Zu hoffen, ein Wort verschwindet, wenn man es tabuisiert, widerspricht diametral dem menschlichen Wesen. Tabus haben enorme Anziehungskraft."

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Wien – Das Verhältnis der Satire zur Political Correctness ist komplex. Nicht selten mahnen politische Humoristen unter Umgehung der PC die Einhaltung derselben im Alltag ein. Die konfrontierende Verwendung des Wortes "Neger" wird im antirassistischen Bühnenkontext zur belehrenden Maßnahme. Aber kann sich das auch ins Gegenteil verkehren?

Eifrigen Kabarettbesuchern könnte auffallen, dass in Österreich etwa in jedem zweiten Programm das Wort "Neger" verwendet wird, unabhängig von Alter und Geschlecht der Künstler, auf größeren wie kleineren Bühnen. In der Regel will die politisch links bis liberal gepolte Kleinkunstszene damit Kritik üben. Aber konserviert man das Wort nicht auch? Entsteht durch die inflationäre Verwendung nicht der Eindruck, man habe es mit einem Fetisch zu tun? Und reflektieren weiße Künstler, dass sie mit dem Wort vor einem meist ausschließlich weißen Publikum agieren?

Satire ist ein Spiegel der Gesellschaft, lautet der Tenor befragter Kabarettisten. Und weil das N-Wort in der Gesellschaft noch immer weit verbreitet sei, dürfe es im Kabarett, wo der Finger in Wunden gelegt werden soll, erst recht nicht tabuisiert werden.

Wort-Ausrottung löse keine Probleme

Für Lisa Eckhart ist die Ausrottung von Worten keine Lösung der Probleme: "Es ist Arroganz, wenn man glaubt, dass eine Änderung der Sprache eine direkte Veränderung der sozialen Wirklichkeit bewirkt", meint sie. "Das Publikum ist nicht nur weiß, sondern links, liberal, teilweise recht sprachbewusst und nicht selten mit allen Wassern der politischen Korrektheit gewaschen. Genau in deren Wunden möchte ich greifen. Wenn die sich an dem Wort "Neger" stoßen, dann sollten sie dringlichst überlegen, warum." PC breche nämlich keine Vorurteile auf, sondern weiche ihnen aus. "Sie lindert das schlechte Gewissen einer privilegierten weißen Kaste, aber nicht die erschwerten Lebensbedingungen jener, die es wahrlich betrifft."

Fritz Jergitsch von der Tagespresse findet die Vorstellung, dass man durch die satirische Nutzung des Begriffs "Neger" auch dessen fortwährende Anwendung fördert, "absurd". "Zu hoffen, ein Wort verschwindet, wenn man es tabuisiert, widerspricht diametral dem menschlichen Wesen. Tabus haben enorme Anziehungskraft."

Thomas Maurer meint, er habe das Wort bis zu seiner Ächtung eher als beschreibend denn als beleidigend wahrgenommen. Die Tabuisierung fördere vor allem jene rechten Kräfte, "die sich lustvoll darüber erregen, dass sie exakt das 'ja nicht mehr sagen dürfen', was sie ohnehin gerade gesagt haben." Maurer hält es eher mit Louis C.K., der gesagt hat, beim Kunstbegriff "N-Wort" müsse er erst recht an das N-Wort denken, und das wolle er ja eben gerade nicht. Eine sich selbst genügende "Das-ist-jetzt-voll-nicht-politically-correct-hihihi-Attitüde" findet Maurer allerdings "geistlos und öde". Darauf könne man wahrlich verzichten.

Heuchelei unter politisch Korrekten

Die Kabarettistin Isabel Meili verwendet "Neger" in ihrem Programm viermal hintereinander, um mit der Aufforderung anzuschließen, dass "mindestens einer von euch mich jetzt unterbrechen hätte sollen, um meine Wortwahl zu kritisieren." Ihr geht es um Kritik an der Scheinheiligkeit eines auf PC bedachten Publikums.

Heuchelei mit der PC stört auch den schwarzen Wiener Comedian Soso Mugiraneza. Er verwendet das N-Wort selbst auf der Bühne als eine Art Therapie. "So kann ich meine Traurigkeit über Rassismus in Komödie verwandeln." Es komme immer sehr stark auf den Kontext an, in dem das Wort verwendet wird.

PC, meint er, sei im realen Leben schon wichtig, "denn natürlich soll da niemand als 'Neger' bezeichnet werden". Aber Rassismus finde durch übertriebene Political Correctness oft versteckt statt. Wenn bei sich politisch korrekte verhaltenden Leuten Rassismen offenkundig werden, tue das "oft noch mehr weh, wie wenn jemand sich gleich klar als Rassist zu erkennen gibt". Er selbst habe das etwa erlebt, als ihm anfangs keine einzige Kleinkunstbühne die Chance auf einen Auftritt geben wollte. "Es wird oft viel mehr darüber geredet, wie man Menschen nennen soll, als darüber, wie man Menschen behandeln soll", sagt er. (Stefan Weiss, 21.9.2018)