David Ellensonhn, Klubsprecher der Wiener Grünen, will auf Gespräche bezüglich des Heumarkt-Turms setzen.

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Birgit Hebein, Sozialsprecherin, sieht ohne soziale Sicherheit keine echte Demokratie und ohne echte Demokratie keine langfristigen ökologischen Lösungen.

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Peter Kraus, Jugendsprecher, will in den kommenden Jahren 20.000 neue, leistbare Wohnungen auf den Weg bringen.

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Benjamin Kaan, Bezirksrat in Meidling, sieht sich als Quereinsteiger mit Erfahrung im politischen Bereich.

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Marihan Abensperg-Traun, Oberärztin, bevorzugt jene Partei, die in Verhandlungen die meisten grünen Projekte unterstützten und die wenigsten Kompromisse erfordert.

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Harald Frassine, Radiotechnologo, will ein Ende der Selbstverbiegung durch die sozialdemokratische Wachstumsideologie.

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Bernhard Redl, Autor und Computerschrauber, will nicht Vizebürgermeister werden.

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Jovan Stoilkovic, OP-Assistent, will erst die Wahlen abwarten, dann die Möglichkeiten einer Koalition abstecken.

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Ruth Trefny, Hausfrau, findet, die Grünen müssen stärker auf Naturschutz und eine extrem soziale Politik setzen.

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Bis 2. Oktober haben die Bewerber um die Nachfolge von Maria Vassilakou noch Zeit, um genügend Unterstützer für ihre Kandidatur zu finden. Rund 100 Unterstützungserklärungen brauchen neue Bewerber, die nicht mehr als eine Periode im Wiener Gemeinderat tätig waren, mindestens 50 davon müssen Mitglieder bei den Grünen sein. Für Sozialsprecherin Birgit Hebein und Klubchef David Ellensohn, die bereits zwei Perioden in Folge im Gemeinderat aktiv sind, verdoppeln sich die nötigen Unterstützer.

Gewählt wird ab Oktober per Brief. Bei der Landesversammlung der Wiener Grünen im November steht der oder die Nachfolge bereits fest.

Bei der Nationalratswahl war klar, dass Ulrike Lunacek als Spitzenkandidaten für die Grünen ins Rennen geht. Die Wiener Grünen entscheiden im November, wen sie an die Spitze der Liste setzen.
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Was unterscheidet Sie von den anderen Kandidaten, und wo ordnen Sie sich innerhalb der Wiener Grünen ein?

David Ellensonhn, Klubsprecher: Für eine Spitzenfunktion unabdingbar: Teamarbeiter mit Verantwortungsgefühl für alle; ich weiß, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, und ich halte die Hitze aus. Verhandlungsgeschick mit Zug zur Macht und Erfahrung; wir können uns kein Experiment leisten.

Birgit Hebein, Sozialsprecherin: Ich kann aufgrund meiner Lebenserfahrung, meines Berufs als Sozialarbeiterin, mit Menschen konkret Probleme lösen, ohne dabei meine Grundüberzeugung aus den Augen zu verlieren. Die Grundüberzeugung, dass jeder Mensch ein Anrecht darauf hat, ohne Angst einzuschlafen und ohne Angst aufwachen zu können.

Peter Kraus, Jugendsprecher: Meine Kandidatur wird getragen von einer Bewegung von Ehrenamtlichen. Ich kandidiere, weil ich Wien liebe. Und weil mir wichtig ist, wie es mit unserer offenen Weltstadt weitergeht. Ich glaube nicht, dass Wiener sich auf einen Kaffee treffen um darüber zu reden, wer Fundi oder Realo ist. Es geht um die lebensnahen Themen: Wohnen, leistbares Leben, die spürbaren Auswirkungen der Klimakrise.

Benjamin Kaan, Bezirksrat in Meidling: Ich bin kein Gemeinderat, doch als Bezirksrat in Meidling für die Grünen aktiv, also ein Quereinsteiger, verfüge aber über Erfahrung im politischen Bereich und bin langjähriger Aktivist der Grünen. Ich möchte keinem Lager zugeordnet werden, vielmehr möchte ich mit meiner Kandidatur ein Angebot an eine Versöhnung aller Lager sein.

Marihan Abensperg-Traun, Oberärztin: Die Fähigkeit, gut zuzuhören. Menschen an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam Lösungen zu finden und Projekte voranzutreiben. Ich würde mich als faktenbasierte Visionärin bezeichnen.

Harald Frassine, Radiotechnologe: Ich strebe eine Richtungsänderung an: Lebenswerte Umwelt statt verordneter Urbanität. Veränderung braucht Fundament und Realitätssinn.

Bernhard Redl, Autor: In der Partei ordne ich mich gar nicht ein, ich hab's nicht so mit einordnen. Mitglied bin ich halt auch nicht. Ich leide nur sehr, wenn sie Unfug machen oder zu opportunistisch sind.

Jovan Stoilkovic, OP-Assistent: Mein dynamisches Alter, das mir einen großen Vorteil verschafft, mit Weitblick für ein besseres Wien. Ich sehe mich als Realist, ich werde mit Problemen genauso konfrontiert wie die Wiener.

Ruth Trefny, Hausfrau: Ich stehe für die milde Mitte. Ich strebe so weit wie möglich die ursprünglich grüne Herangehensweise an. Realo, würde ich sagen, aber sicher nicht "packeln" mit der "Baumafia".

Vor welchen Problemen stehen die Wiener Grünen?
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Was muss sich bei den Grünen in Wien ändern, auf welche Themen soll die Partei setzen?

Ellensonhn: Unsere Werte sind zeitlos. Doch wir müssen härter im Umgang sein, wo schärferes Vorgehen notwendig ist. Gegen Novomatic, Immobilienhaie, aber auch gegen Rechtsradikale. Mit Umarmen und Liebhaben gewinnen wir nicht. Wir Grüne sind das ökologische und soziale Gewissen der Stadt und als einzige absolut Lobbyisten-unabhängig. Wir kämpfen gemeinsam für uns alle.

Hebein: Ohne soziale Sicherheit gibt es keine echte Demokratie und ohne echte Demokratie gibt es keine langfristigen ökologischen Lösungen. Nur wenn Arbeits-, Wohn- und Geborgenheitsbedürfnisse erfüllt sind, haben Menschen die Möglichkeit zur politischen Teilhabe im Sinne der Demokratie. Unter diesem "linken Dach" sehe ich unsere grüne Zukunft. Und: Klimapolitik ist Sozialpolitik.

Kraus: Wir können nicht länger zusehen und lediglich darauf reagieren, was uns die Rechtskonservativen vortanzen. Meine Kandidatur bedeutet Aufbruch: Mit Mut, Zuversicht und Optimismus. Ich will mich den lebensnahen Fragen widmen: Wie kann ich mir in Wien noch eine Wohnung leisten aus eigener Kraft? Was tun wir, um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen?

Kaan: Unsere Meinungsvielfalt sollte viel mehr als Stärke, denn als Schwäche wahrgenommen werden. Wir sollten unsere Position in der Integrationspolitik nachschärfen und mehr auf unsere Werte beharren. Außerdem wünsche ich mir eine Versöhnung mit den WählerInnen der Liste Pilz, denn wenn die Linken zerstritten sind, haben die Rechten zu viel Einfluss.

Abensperg-Traun: Mehr auf Inhalte fokussieren. In einer Koalition sind Kompromisse zu schließen, aber mit grünem Augenmaß. Wir brauchen Lösungen, die vor allem auch für finanziell Schwächere Erleichterung bringen.

Frassine: Schluss mit Selbstverbiegung durch die sozialdemokratische Wachstumsideologie. Jede Straße und Gasse eine Allee. Ein Baum pro Wohnung. An jedem Eck eine Ladezone für den Lieferverkehr.

Redl: Die Grünen müssen die Bobos und Yuppies rausschmeißen. Es braucht billige Wohnungen, den Kampf der Spekulation, billige und leistungsfähige Öffis, ausreichende Mindestsicherung ohne Demütigungen. Und: Schluss mit der Verbotspolitik im öffentlichen Raum à la Praterstern, Nichtesser-U-Bahn oder Rauchverbote.

Stoilkovic: Die Grünen müssen zurück zu den Grundsätzen und wieder näher an die Basis. Sie müssen auf Verkehrspolitik und vor allem soziale Themen setzen.

Trefny: Es muss sich sehr vieles ändern. Die Grünen müssen stärker auf Naturschutz und eine extrem soziale Politik setzen. Es braucht eine restriktivere Migrationspolitik und keine Drogen.

Noch sind Maria Vassilakou (Grüne, links) und Michael Ludwig (SPÖ. rechts) das Team an der Spitze der Stadtregierung. Nicht alle der Kandidaten um Vassilakous Nachfolge wollen die rot-grüne Koalition fortsetzen.
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Soll nach der Wien-Wahl 2020 die rot-grüne Koalition fortgesetzt werden, oder bevorzugen Sie eine andere Partei bzw. die Opposition?

Ellensonhn: Mit den Miesmachern und Wien-Schlechtrednern kann man keine Zukunft bauen. Die nächste Koalition sollte so grün wie möglich sein, Grün-Rot für eine weltoffene, soziale und ökologische Stadt muss das Ziel sein.

Hebein: Es macht für die Wienerinnen und Wiener einen konkreten Unterschied, ob ich als Grüne Sozialsprecherin die Mindestsicherung oder die Einrichtung von Notquartieren mitbestimme oder nicht. Das Grün in Rot-Grün wäre angesichts der Schwarz-Blauen Regierung vernünftig.

Kraus: Wien ist umzingelt von schwarz-blauen Kurz-Klonen. Wer Rot-Grün aus taktischen Gründen gefährden will, ist auf dem falschen Dampfer. Wir haben einen Gestaltungsanspruch für eine progressive Stadt, darum muss unser Ziel eine gestaltende Rolle in der Regierung sein.

Kaan: Rot-Grün ist ein starker Gegenpol zu Schwarz-Blau, keiner kann sich wünschen, dass ÖVP und FPÖ in Wien die Macht übernehmen. Die SPÖ in der Absoluten hat zu viel Macht. Wir garantieren Kontrolle.

Abensperg-Traun: Ich bevorzuge jene Partei, die in Verhandlungen die meisten grünen Projekte unterstützten und die wenigsten Kompromisse erfordert. Falls das Opposition bedeutet: Die Grünen waren schon früher stark in dieser Rolle.

Frassine: Unser Koalitionsangebot muss spürbare stadtökologische Verbesserungen in allen Teilen der Stadt beinhalten. Da es die liberale ÖVP unter Erhard Busek nicht mehr gibt, bleibt es wohl die SPÖ.

Redl: Weder noch. Die Grünen sollten den SPÖ-Bürgermeister mitwählen, aber ordentlich oppositionell sein und Kontrolle ausüben, damit der Druck auf die Rathausbürokratie nicht nur von rechts kommt.

Stoilkovic: Zuerst kommen die Wahlen, und man wird sehen, welche Möglichkeiten überhaupt bestehen. Jedenfalls ist aber auch die Opposition keine Schande, sondern ein wichtiges Element der Demokratie.

Trefny: Ich bin für die rot-grüne Koalition. Und für vertrauensvolle und pragmatische Zusammenarbeit mit allen im Wiener Gemeinderat vertretenen Fraktionen zum Wohle aller Wiener.

Das wohl bekannteste Projekt der amtierenden Vizebürgermeisterin Maria Vassilkaou (Grüne) war die Umgestaltung der Wiener Mariahilfer Straße zur Begegnungszone.
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Was wäre das erste Projekt, das Sie als neuer Wiener Vizebürgermeister umsetzen würden?

Ellensonhn: Wohnen und Klimapolitik. Der private Wohnungsmarkt dreht völlig durch. Wir müssen alles tun, um soviel leistbare Wohnungen zu schaffen wie möglich. Mehr Gemeindewohnungen bauen und Genossenschaften unterstützen. Und sobald wir in der Bundesregierung sind ein neues, faires Mietrecht beschließen. Gleichzeitig muss Wien alles in seiner Macht stehende unternehmen, um schädliche Emissionen weiter zu reduzieren. Die Grundlagen hierfür werden im Stadtplanungsressort gelegt.

Hebein: Das hängt vom Ressort ab, aber insgesamt: mehr Fünfhaus, weniger Opernhaus. Ich stehe für lebensnahe Politik.

Kraus: In den kommenden Jahren sind 20.000 neue, leistbare Wohnungen auf den Weg zu bringen. Weil Menschen täglich arbeiten gehen. acht, zehn, zwölf Stunden, und am Ende des Monats geht der Großteil für Miete drauf. Diese Entwicklung macht mir Sorgen.

Kaan: Erstes wäre die Reduktion der Höhe des Heumarkt-Turms. Ich will mich für die City-Maut einsetzen, um die 365-Jahreskarte in der VOR-Region zu erreichen, den Lobau-Tunnel verhindern und einen Spritzwein bestellen.

Abensperg-Traun: Soziale Projekte, Initiativen beim Bildungssystem, mehr Grün bei Neubauten – da gibt es vieles. Mehr Grünflächen würden die gefühlte Temperatur in der Umgebung merklich senken.

Frassine: Sofort alle Gehsteig-Stellplätze entfernen. Parkpickerl zur Straßennutzung auch für Menschen ohne Auto. In der Stadtkarte die Einbauten einzeichnen, damit sich die Bürger Bäume wünschen können.

Redl: Ich will nicht Vizebürgermeister werden. Abgesehen davon kann niemand diese Frage seriös beantworten, weil das doch immer davon abhängt, wie viel Spielraum einem die SPÖ lässt.

Stoilkovic: Wenn ich als Wahlsieger vom Platz gehen sollte, gebe ich liebend gern die geplanten Projekte bekannt.

Trefny: Alleen und Planungen mit Bezirksräten.

Die Umgestaltung des Wiener Heumarkt-Areals wurde mit den Stimmen von Rot und Grün im Gemeinderat bereits beschlossen. Die Grünen hatten erst ihre Basis befragt, ob sie für dem Umbau inklusive Luxuswohnturm sind. Die Basis hatte sich dagegen entschieden.
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Sind Sie dafür, dass das Heumarkt-Projekt samt 66-Meter-Wohnturm umgesetzt wird?

Ellensonhn: Der Heumarkt-Chef macht in Wien viele Probleme: gemeinnützige Wohnungen verschwinden vom Markt, statt 300 Euro Miete pro Monat werden sie über Nacht um 315.000 Euro als Eigentumswohnung verscherbelt. Beim Heumarkt will er die Probleme auch nicht sehen. Noch hat er nicht begonnen zu bauen, noch setze ich auf Gespräche.

Hebein: Die Entscheidung ist getroffen. Dabei wurden unsere inneren Widersprüche ganz offensichtlich, die müssen wir in Zukunft vor solchen Entscheidungen breit und ehrlich diskutieren – und übrigens auch solche Widersprüche in anderen Parteien benennen.

Kraus: Die Widmung ist beschlossen und erledigt. Die Spitzenwahl hat darauf keine Auswirkung.

Kaan: Der Turm muss auf eine Bauhöhe reduziert werden, die dem Stadtbild entspricht und von der Unesco toleriert wird. Ich bin für Hochhäuser, jedoch nicht, wenn es das Weltkulturerbe bedroht.

Abensperg-Traun: Das ist in erster Linie ein juristisches Problem. Ich werde mein Möglichstes tun, damit das Weltkulturerbe nicht verlorengeht.

Frassine: Das ist Geschmacksache, lasst die Bürger und Bürgerinnen abstimmen. Das ist kein ökologisches Thema.

Redl: Wenn es billige Wohnungen sind, ja. Es empfiehlt sich die Verwaltung als Gemeindebau. Zum Ausgleich kann man ein paar Protzbauten aus früheren Jahrhunderten abreißen,etwa den Stephansdom. Herrschaftssymbole, egal ob solche des Feudalismus, des Klerikalismus oder des Kapitalismus brauchen wir nicht. Das Weltkulturerbe ist mir blunzen, denn wer will schon in einem Freiluftmuseeum wohnen.

Stoilkovic: Der Bau wird kaum noch zu verhindern sein. Wir werden aber in Zukunft sorgfältiger mit der Widmung von Gebäuden im Bereich des Weltkulturerbes umgehen müssen.

Trefny: Der Heumarktturm wird nicht umgesetzt oder niedriger gebaut. Durch das Hochhaus ist das Unesco-Weltkulturerbe der Stadt Wien in Gefahr. (Überblick: Oona Kroisleitner, 21.9.2018)