Anton Corbijn interpretiert Vergänglichkeit und Alltagssituationen auf ganz eigene Art und mit originärer Ästhetik. "Glück ist ein gefährlicher Geisteszustand."

Foto: Die Einblicke in Anton Corbijns neue Publikationen dokumentierte Lukas Friesenbichler.

"Ich glaube, dass ein Porträt ein Geheimnis zunichtemachen kann, es andererseits aber auch vertiefen und fördern kann. In gewisser Weise mache ich Dinge sichtbar. Eine Fotografie ist wie ein kleines Stück Wahrheit, das nur einmal vorkommt. Am zufriedensten bin ich mit meiner Arbeit, wenn ich ein Bild mache, das die Aufmerksamkeit von jemandem fesselt, der die abgebildete Person nicht kennt, oder, noch besser, wenn diese Person den Porträtierten kennt, aber eine unerwartete Tiefe entdeckt." Genau jene Tiefe des Unerwarteten, des Unerwartbaren ist es, für die Anton Corbijn bekannt und berühmt, wenn nicht gar berüchtigt ist.

Eine spezielle visuelle Poesie wohnt den Porträts des 1955 in den Niederlanden geborenen Chronisten inne. Als Autodidakt begann er in London, Underground-Bands zu begleiten, aus Leidenschaft für die Musik selbst, um Musikern und Musik nahe zu sein – aus dem Unbehagen heraus, selbst nicht mit musikalischer Begabung gesegnet zu sein. Aber genau diese Liebe und Wertschätzung des Subjekts der Begierde macht wohl seine Fotos aus.

In seltener Äquilibristik von Nähe und Distanz entstanden Momente der Intimität; gleichgültig, ob er Celebrities fotografierte oder "normale Leute" oder Statuen, Monumente und Friedhöfe. "In Wirklichkeit bin ich ständig auf der Suche", bekennt Corbijn im Gespräch mit Marie-Noel Rio. "Suchen setzt Geist und Körper in Bewegung, und diese Bewegung endet nie." (Gregor Auenhammer, 26.9.2018)