London ist die Stadt der Sünde. Andere mögen nach Paris pilgern. Ich hau mich lieber über die Häuser und den Ärmelkanal. Besser kopfüber eintauchen ins Londoner Chaos: die dicke Luft im Stau und das Entenquaken im Hyde Park. "Don’t let your dog upset the wildlife" hat dort mein Kind mal so übersetzt, dass man Londoner Hunden nicht die gute Stimmung versauen sollte. Wandern zwischen Backsteinhäusern und babelhohen Glasnadeln.

London hat viele Gesichter, und diese treffen sich alle in meinem Magen. Ein anständiges Fish and Chips mit einem Schuss Essig. Ein feuriges Curry. Ein Damaszener Kuchen. Sushi. Und schwerer dunkler Afternoon-Tea mit einem großzügigen Scone und Clotted Cream.

Nachher ist die Diät beim Teufel, und man wartet, bis man Breakfast-Tea trinken kann, denn an Schlaf ist sowieso nicht mehr zu denken, aber das nehme ich in Kauf. In der Zwischenzeit kann man ja schreiben, bis der Bagel im Toaster kracht. London schläft schließlich auch kaum.

BHs in allen Größen!

Ich muss da jetzt schnell ausrücken, um mir diese Stadt, bevor sie hinter dem Eisernen Brexitvorhang verschwindet, noch einmal mit allen ihren wundervollen Irrsinnigkeiten vor Augen zu führen. Dort deklamieren zerrupfte Schauspieler in kariertem Anzug im französischen Kaffeehaus in Soho so lange vor der Kassa, bis der Besitzer sie sehr höflich bittet, den bestellten Tee zu trinken.

Die Londoner legen Wert auf Unterwäsche und haben BHs und Unterflak in allen Größen! Und mit alle meine ich wirklich alle und nicht alle von 36 bis 42. Hier ist die Stofffarbe nude wirklich nude: in den Hauttönen dieser Welt, nicht nur in beigerosa. Und wo die Panties sitzen, lass dich nieder. (Julya Rabinowich, 21.9.2018)