In Deutschland soll künftig mehr leistbarer Wohnraum geschaffen werden.

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Berlin – Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, des Mieterbundes sowie von Gewerkschaften und Bauwirtschaft beraten heute in Berlin über Wege zur Schaffung von mehr Wohnungen. An dem von der Bundesregierung initiierten Wohngipfel nahmen Kanzlerin Angela Merkel, der für den Baubereich zuständige Innenminister Horst Seehofer, und diverse Ressortchefs teil. Vor dem Treffen wurde bereits bekannt, dass der Bund das Wohngeld für Geringverdiener im Jahr 2020 anheben will.

Deutschland will in dieser Legislaturperiode fünf Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Das kündigte Justizministerin Katarina Barley (SPD) rund um den Gipfel in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk an. Die Bundesregierung wolle das Grundgesetz ändern, so dass "der Bund dauerhaft sich möglichst an dem sozialen Wohnungsbau beteiligt, der eigentlich eben Sache der Länder ist", so die Ministerin.

Vereinfachte Genehmigungsverfahren

Die Justizministerin kündigte vereinfachte Genehmigungsverfahren beim Bauen an. "Da will man halt schon schauen, dass es gestrafft wird, einfacher wird, ohne dass man dabei aber wichtige Standards aus dem Auge verliert." Insbesondere bei Energieeffizienz oder Barrierefreiheit dürfe es aber keine Abstriche geben. Das Ziel: Die Vielzahl an Vorschriften überschaubarer und besser beherrschbar für die Bauherren zu machen.

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte Maßnahmen für ein schnelleres Bauen. Für ihn sei dies die einzige Möglichkeit, um Wohnungsnot zu lindern, sagte der CDU-Politiker der "Passauer Neuen Presse". So sollten bei den Energievorschriften die Standards erst einmal nicht erhöht werden, um zusätzliche Bürokratie und Kosten zu vermeiden. Klimaziele und ein schneller und bezahlbarer Wohnungsneubau dürften keine Gegensätze sein. Die "Deutsche Umwelthilfe" (DUH) warnte gleichzeitig zusammen mit auf Sanierung spezialisierten Verbände davor, die Energieeffizienz in Gebäuden als Sündenbock für steigende Mieten und Baupreise zu nutzen.

Mehr günstige Wohnungen

Im Koalitionsvertrag vereinbart sei außerdem, dass der Bund bundeseigenen Baugrund zu erschwinglichen Preise an Kommunen verkaufen könne, wenn dort bezahlbarer Wohnraum entsteht, so Barley, die so günstige Wohnungen schaffen will. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigte das an und verwies auch darauf, dass zudem im Baurecht die Verfahren überdacht und beschleunigt werden müssen. In der Bauwirtschaft seien überhaupt mehr Investitionen nötig, um bestehende Kapazitätsengpässe zu beheben.

Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verbieten

Scholz plädierte für ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. "Ein Verbot, Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln, wäre ein noch wirksameres Mittel, um Mieter zu schützen", schrieb er in einem Gastbeitrag im "Handelsblatt" vom Freitag. Das lenke auch Geld von Investoren in den nötigen Neubau statt Spekulationen mit Bestandsbauten zu fördern. Zudem sollte nach seiner Auffassung der Missbrauch bei Eigenbedarfskündigungen eingeschränkt werden.

Generell müsse es um kurz- wie längerfristige Maßnahmen gehen, um das Problem steigender Mieten in Ballungsräumen zu bekämpfen. "Wohnen ist eine zentrale Frage des 21. Jahrhunderts, auf die wir eine Antwort geben müssen", schrieb Scholz. Die ersten Schritte dazu wolle man jetzt gehen, "doch es müssen weitere folgen". Der Minister sprach unter Berufung auf Fachleute von 400.000 Neubauten, die jährlich nötig seien. Um in diese Richtung zu gehen, müsse auch mehr Bauland ausgewiesen werden.

Mietenstopp

Aus der SPD kam auch die Forderung nach einem fünfjährigen Mietenstopp. In dieser Zeit sollten die Mieten nur entsprechend der Inflation steigen, sagte der Fraktionsvize und Bauexperte Sören Bartel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Mieter bräuchten eine Atempause, bis die Fördermaßnahmen für den Wohnungsbau griffen und sich die Lage entspanne. "Wir müssen eine Schippe drauflegen", sagte Bartel.

Gegengipfel

Parallel zum Wohngipfel organisierten rund 200 Initiativen und Organisationen, darunter Deutscher Mieterbund, DGB, Paritätischer Wohlfahrtsverband und VDK, einen alternativen Gegengipfel vor dem Kanzleramt. Das Mott: "Gemeinsam gegen #Mietenwahnsinn". Der Hintergrund, dem die Süddeutsche Zeitung im Vorfeld des Gipfels einen Artikel widmete: Rund 53 Prozent der Menschen wohnen in Deutschland zur Miete. Dafür gebe ein Durchschnittshaushalt etwa doppelt so viel Geld aus wie für Ernährung. Die Miete fresse die Familieneinkommen auf. Die Mietpreise würden damit zum Sprengstoff der Gesellschaft, wie die Süddeutsche analysiert.

Kritik am Eckpunktepapier

Der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, reagierte auf den Gipfel mit der Kritik. Das entsprechende Eckpunktepapier der Bundesregierung sei verbesserungswürdig. "Neben Ankündigungen, die bereits im Koalitionsvertrag angekündigt und zum Teil bereits umgesetzt wurden, hat sich die Bundesregierung leider wieder einmal auf Verbote und Eingriffe unter anderem in das Mietrecht konzentriert. Wirkliche Anreize wie die Novellierung einer Musterbauordnung, Unterstützung der Kommunen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine Erleichterung der hohen Auflagen an das Bauen bleiben zu unkonkret", so ZIA-Präsident Andreas Mattner in einer Aussendung. Kritik übte er auch an den Eingriffen in das Mietrecht. Zudem erhoffe man sich eine schnelle Einführung der Sonderabschreibung der energetischen Gebäudesanierung, die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigt wurde und bislang weiter fehle. (red/APA/Reuters/21.9.2018)