"Ein Hallenbad … und ich konnte mir nicht vorstellen, wie das an ein höchst uninteressantes Einfamilienhaus anzubinden und zu integrieren sei", schrieb Paul Flora in einem Nachruf auf seinen im Jahr 2000 verstorbenen Freund Josef Lackner, einen der wichtigsten Architekten der Tiroler Moderne. "Er löste das Problem sehr ingeniös und schuf ein kleines poetisches Bauwerk, das das Entsetzen des zuständigen Beamten erregte." Dieser Tage erregt das für den seinerzeit rückenkranken Zeichner und Karikaturisten Flora errichtete Privatbad auf der Innsbrucker Hungerburg erneut Entsetzen, wiewohl nicht aufgrund seiner Errichtung, sondern seines am Wochenende erfolgten Abbruchs.

Ein Schutthaufen liegt jetzt da, wo einst das Paul-Flora-Bad stand.
Foto: Wojciech Czaja

Trotz seiner kleinen Größe von nur 35 Quadratmetern galt das 1969/1970 errichtete Bad mit seinen begrünten Betonwänden und sieben Lichtkuppeln in der Decke in der Fachwelt als außergewöhnliches Beispiel für die Tiroler Nachkriegsmoderne. "Auch wenn das Gebäude nicht viel größer als eine Badewanne oder ein Super-Whirlpool war, wurden hier dennoch räumliche Qualitäten geschaffen, die bei vielen anderen Bädern dieser Zeit nicht zu finden sind", sagt die Architekturtheoretikerin und Kunsthistorikerin Bettina Schlorhaufer, die mit dem Innsbrucker Architekten Rainer Köberl vor drei Jahren ein umfangreiches Gutachten erstellt hat. "Hier ist ein unwiederbringliches Stück Architekturgeschichte zerstört worden."

Das Grottenbad vormals. Daneben der Baum, der ihm nun zum Verhängnis wurde.
Foto: Günter Richard Wett

Die Zerstörung des Projekts, das sich laut dem Tiroler Landeskonservator Walter Hauser (Bundesdenkmalamt) derzeit in einem Unterschutzstellungsverfahren befand, das in erster Instanz in Kürze rechtskräftig geworden wäre, habe sich nach Aussage des Eigentümers jedoch durch Zufall zugetragen. "Auf Wunsch einer Nachbarin haben wir, damit sie nicht vom Laub belästigt wird, einen alten Baum umgeschnitten, doch der war leider schon faul und fiel dann aufs Bad, wodurch ein Teil der Decke und Mauer eingestürzt ist", erklärt der Architekt und Grundstückseigentümer Fritz Schwaighofer auf Anfrage des STANDARD.

"Wahrscheinlichkeit des Zufalls"

Delikat wird die Angelegenheit dadurch, dass der Bauherr, ohne den Vorfall bei der zuständigen Bau- und Feuerpolizei gemeldet zu haben, mit einem eigenen Statiker aufgrund der korrodierten Bewehrung und der Risse und Beschädigungen "Gefahr in Verzug" feststellte und den Rest des Gebäudes mit einem Schrämmbagger, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks bereits an Ort und Stelle befand, kurz darauf dem Erdboden gleichmachte. Als die Experten eintrudelten, war Paul Floras Grottenbad bereits Geschichte.

Innenansicht des Baus von Josef Lackner.
Foto: Günter Richard Wett

Was für Grundstückseigentümer Schwaighofer, der den Zubau von Josef Lackner schon seit seinem Grundstückskauf loswerden wollte, "ein glücklicher Zufall" ist, weckt bei vielen seiner Kollegen Wut und Ärger. Arno Ritter, Leiter von a.u.t. architektur und tirol, spricht in einem offenen Brief von einem "Akt der Vernichtung einer Ikone". Für den Innsbrucker Architekten Rainer Köberl bestehe die Kunst des Baumfällens darin, "dass man den Baum so fällt, dass er dort hinfällt, wo man ihn hinfallen lassen möchte". Und Landeskonservator Walter Hauser meint sogar: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Baumschneider, Stahlbetonfachmann und Baggerfahrer im selben Moment am Ort des Geschehens sind und eilends handeln, verleiht der Wahrscheinlichkeit des Zufalls doch eher eine traurige Gewissheit."

Das Grottenbad vormals. Dahinter der Baum, der ihm nun zum Verhängnis wurde.
Foto: Günter Richard Wett

Die Vergangenheit ist nicht rekonstruierbar. Wie auch immer sich die Ereignisse zugetragen haben mögen, für Grundstückseigentümer Schwaighofer ist die Aufregung um das "Unglück" nicht nachvollziehbar: "Seit 2009 ist Paul Flora tot, und seit damals befand sich das Gebäude in einem technisch miserablen, de facto unsanierbaren Zustand. Drei Jahre lang hat das Bundesdenkmalamt es nicht geschafft, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen, drei Jahre lang ist es niemandem gelungen, eine passende Nachnutzung, geschweige denn einen Investor für die Sanierung zu finden – und jetzt das."

Behördenverschulden

Die Zerstörung von Paul Floras Bad ist exemplarisch für die immer noch fehlende Sensibilität im Umgang mit der österreichischen Nachkriegsmoderne, die ihren Stempel des Billigen, Banalen und Brutalen nicht loszukriegen scheint. Historikerin Bettina Schlorhaufer sieht in der Causa Grottenbad zudem ein klares Behördenverschulden: "Wenn die Unterschutzstellung eines Bauwerks von 2015 bis 2018 dauert, dann brauche ich keine Denkmalpflege." Landeskonservator Walter Hauser bedauert, mit der Arbeit im Bundesdenkmalamt kaum noch nachzukommen. Es gibt einen akuten Personal- und Ressourcenmangel. "Die Nachkriegsmoderne liegt mir persönlich am Herzen, ist aber immer noch das geringere Übel. Uns fliegen seit Jahren die historischen Bauernhäuser um die Ohren."

Blick hinaus durch die Lichtluken im Dach des Bades.
Foto: Günter Richard Wett

Was tun, damit sich so ein Vorfall nicht wiederholt? "Unser Learning aus dieser Sache ist, dass wir Denkmalschutzverfahren in Zukunft schneller und effizienter einleiten müssen, ohne dabei drei Jahre für irgendwelche Erst- und Zweitgutachten zu verschwenden", meint der ehemalige Planungsstadtrat und nunmehrige Gemeinderat Gerhard Fritz (Grüne). "Aber ich nehme auch diejenigen in die Pflicht, die immer nur rufen, man müsse dieses oder jenes Haus retten. Manche Sanierungen und Nachnutzungen kosten viel Geld. Man kann nicht immer nur reden, man muss auch was tun!" Mit Crowdfunding, wie dies in anderen Ländern praktiziert wird, hätte man das kleine Josef-Lackner-Projekt unter Umständen retten können, so Fritz.

Nach Auskunft der Stadt ist derzeit ein Verwaltungsstrafverfahren für den illegalen Abbruch des Objekts in Vorbereitung, nachdem dieses ohne Abbruchanzeige entfernt worden ist. Der Hauseigentümer muss mit einer Strafe in der Höhe "von einigen Tausend Euro" rechnen. Damit ist das Kapitel Paul-Flora-Bad beendet. (Wojciech Czaja, 21.9.2018)