Marmelade einkochen war gestern, heute kommt die Marille in den vollautomatischen Schnapsbrenner von Jochen Lidauer.

Foto: WKOÖ/Simlinger

Jochen Lidauer schwört auf den Kern. Nein, der Oberösterreicher trauert nicht dem scheidenden SPÖ-Chef nach, vielmehr geht es dem passionierten Schnapsbrenner um die inneren Werte der Frucht.

Denn es ist beim Schnapsbrennen eine wahre Glaubensfrage, ob sich nun im Kupferkessel auch die Kerne zur Maische gesellen dürfen. "Also, ich schwöre darauf. Der Kern ist doch der eigentliche Aromaträger. Essen Sie eine Marille und lutschen Sie dann den Kern: Das Geschmackserlebnis ist unvergleichlich", erzählt der Marchtrenker im Standard-Gespräch.

Vollautomatische Anlagen

Doch ganz getreu dem Motto "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps" brennt der 43-Jährige eigentlich nur in der Freizeit. Beruflich hat sich Lidauer auf die Herstellung der nötigen Utensilien spezialisiert. Lidauer ist seit 2001 Eigentümer und Geschäftsführer der Jessernigg & Co GmbH mit Sitz in Stockerau und im oberösterreichischen Marchtrenk. Jessernigg & Co produziert – als einziges Unternehmen in Österreich – neben Spritzanlagen für Pflanzenschutzmittel vollautomatische Schnapsbrennanlangen. Gegründet wurde Jessernigg bereits 1912 in Stockerau. Obwohl keine verlässlichen Daten vorliegen, darf man davon ausgehen, dass das Unternehmen seither rund 100.000 Schnapsbrennanlagen produziert hat.

Jochen Lidauer nimmt an, dass rund 150.000 der insgesamt 180.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich über eine Schnapsbrennanlage verfügen. "Sehr zurückhaltend geschätzt sind zumindest zwei Drittel davon von Jessernigg", sagt Lidauer. Weil eine Schnapsbrennanlage praktisch "unkaputtbar" ist, hat sich die Jahresproduktion auf rund 50 Anlagen eingependelt. Der Gesamtumsatz liegt bei rund fünf Millionen Euro, davon spült die Schnapsnische gut 500.000 Euro jährlich in die Firmenkasse. 30 Mitarbeiter sind an beiden Standorten tätig.

Verkauft wird fast ausschließlich in Österreich. Lidauer: "Aber es wird spannend. Da Deutschland seit heuer für das Schnapsbrennen eine ähnliche Regelung wie Österreich hat, dürfte dort die Nachfrage nach Schnapsbrennanlagen anziehen. Davon könnten wir profitieren." Der Hintergrund für diesen Optimismus ist eine neue gesetzliche Regelung in Deutschland, die es seit Jahresbeginn erlaubt, auf dem eigenen Grund geerntetes Obst auch selbst zu verarbeiten und zu veredeln. In den meisten europäischen Ländern ist ein Gewerbeschein erforderlich.

Glasklar in 45 Minuten

Im heurigen Jahr hat Lidauer tatsächlich auch allen Grund, auf den Erfolg entsprechend anzustoßen: "Wir erleben heuer ein Jahr mit einer überdurchschnittlichen Obsternte. Das befeuert die Nachfrage."

Nicht befeuert werden übrigens die meisten Anlagen, die Jessernigg aktuell produziert. "Seit fünf Jahren bieten wir elektrisch geheizte und gesteuerte Anlagen", sagt Lidauer. So kann vermieden werden, dass so manchem Hobbybrenner der Kessel um die Ohren fliegt. Neben der höheren Sicherheit bieten die unterschiedlich großen Anlagen – das Einsteigermodell (Bonsai-Brenner) für den Esstisch gibt es um 1200 Euro, Großgeräte kosten bis zu 12.500 Euro – auch einen Qualitätssprung durch eine automatische computergesteuerte Leistungsregulierung. Gut 45 Minuten dauert es übrigens nur, bis der Klare ins Stamperl tropft.

Lidauer selbst trinkt übrigens kaum Schnaps: "Vielleicht einen halben Liter im Jahr. Aber er ist für mich dennoch die beste Art, Obst zu verwerten." (Markus Rohrhofer, 22.9.2018)