Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich auf dem "Netzgipfel" mit seinen Länderkollegen auf eine Doppelstrategie zum beschleunigten Netzausbau verständigt. "Wir brauchen mehr Stromnetze und zügig", sagte Altmaier nach einem Spitzentreffen in Berlin, dem sogenannten Netz-Gipfel.

"Wir wollen zum einen die Kapazitätsreserven in den bestehenden Netzen mit modernen Technologien heben und zum anderen dafür sorgen, dass die Stromnetze schneller ausgebaut werden." Laut deutscher Bundesnetzagentur sind von erforderlichen 7.700 Kilometern derzeit 1.750 km genehmigt und nur 950 km realisiert.

Windstrom braucht mehr Leitungen

Vor allem um mehr Windstrom von der Küste in den Süden Deutschlands zu den großen Industriezentren zu bringen, braucht es mehr Leitungen. Damit das schneller geht und der bis 2022 geplante endgültige Atomausstieg gemeistert werden kann, sollen Genehmigungsverfahren für den Bau von Stromtrassen in Zukunft vereinfacht werden – zugleich sollen die Bürger bei den Planungen umfassend eingebunden werden.

So könne etwa mit dem Bau eines Vorhabens bereits begonnen werden, "wenn von einer positiven Entscheidung der Behörde ausgegangen werden kann", heißt es in einem Ergebnispapier des Treffens. Zudem sollen alle notwendigen Genehmigungen für das sogenannte Startnetz und für die Stromautobahnen von Nord nach Süd bis 2021 kommen. Der von Altmaier im August vorgelegte Aktionsplan zum Netzausbau soll spätestens Anfang 2019 im Kabinett beschlossen werden.

Netzausbau sei Chefsache

Eine Einschränkung der Länderrechte, wie von den Grünen befürchtet, werde es dem Wirtschaftsminister zufolge nicht geben. "Wir waren uns einig, dass Netzausbau Chefsache ist – für die Chefs in den Ländern, genau so wie für den Chef im Bund", so Altmaier. Auch sein niedersächsischer Kollege Olaf Lies betonte: "Es wird keine Beschneidung geben."

Schwierig werde es jedoch, den Flächeneigentümern, auf deren Grundstücken die Trassen später gebaut werden sollen, regelmäßige Entschädigungszahlungen zukommen zu lassen. Dies werde in anderen Fällen, wie etwa bei Gasleitungen auch nicht so gehandhabt. Der Bauernverband fordert wiederkehrende Entschädigungen, da die Unternehmen ja auch fortwährend Gewinne mit den Leitungen machten.

In der Wirtschaft mahnte man zur Eile: "Hohe und ständig steigende Stromkosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie", hieß es vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Und Martin Neumann, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion sagte: "Eine wirkliche Beschleunigung des Netzausbaus und geringere Energiekosten kann es nur geben, wenn es endlich stärkere Anreize für Investitionen in intelligente Netztechnik gibt". Dagegen sehen die Linken den Ausbau insgesamt kritisch: Es brauche eine dezentrale Stromversorgung statt großer Stromtrassen.

Bremsklotz der Energiewende

Der Netzausbau gilt als einer der größten Bremsklötze der Energiewende, also des Umstiegs von Atom- und Kohlestrom auf Energie aus Sonne, Wind und Biomasse. Der Ausbau der Netze kommt im Vergleich zum Ökostrom-Ausbau langsam voran, und das hat Folgen: 1,4 Milliarden Euro kostete es alleine 2017, Netzengpässe zu managen. Vor allem die Windstrom-Erzeuger hatten den stockenden Ausbau der Übertragungsnetze wiederholt beklagt.

Bei der Offshore-Windenergie auf See geht es heuer und 2019 noch voran; bis 2020 werden Windkraftanlagen mit einer Leistung von 7,5 bis 7,7 Gigawatt auf Nord- und Ostsee installiert sein. Das entspricht etwa sieben großen Kernkraftwerken und ist relativ viel, wenn man bedenkt, dass diese Industrie in Deutschland noch keine zehn Jahre alt ist. Doch dann geht es schleppender voran: Für 2021 bis 2025 sind nur 3,1 Gigawatt zusätzlich vorgesehen. "Das ist deutlich zu wenig", so. Die Industrie will 1,5 GW mehr bauen, für die auch die nötigen Netzleitungen vorhanden wären.

Kein grünes Licht

Doch Altmaier bremst: Obwohl im Koalitionsvertrag ein zusätzlicher Beitrag der Offshore-Windenergie für die Energiewende vorgesehen ist, gibt es kein grünes Licht aus Berlin. Die Industrie fordert zudem, das Ausbauziel für die Offshore-Windenergie für 2030 von 15 auf 20 GW anzuheben und ein Testfeld in der Ostsee zu realisieren.

Auch der Ausbau der Windenergie an Land wird nicht im bisherigen Tempo weitergehen – das ist politisch so gewollt. Durch das Ausschreibungsverfahren, das 2017 eingeführt wurde, ist der Neubau auf 2,8 GW gedeckelt.

Für die deutsche Branche, die technologisch in vielen Bereichen vorn liegt, werden andere Regionen interessanter als der Heimatmarkt. Großbritannien und Frankreich, Japan und die USA, Taiwan und Indien. Selbst die Niederländer bauen in den nächsten Jahren mehr Offshore-Windenergie als Deutschland. Wird die neue Technologie der schwimmenden Windkraftanlagen erst einmal flächendeckend eingesetzt, kommen weitere Offshore-Märkte dazu. (APA, 21.9.2018)