Die ehemalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner soll aus der behäbigen SPÖ eine junge, schnelle, kantige Oppositionspartei machen.

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Wenn Feuer am Dach ist, muss eine Frau ausrücken, um es zu löschen. Oder ein(e) Angehörige(r) einer Minderheit, am besten auch weiblich. Warum? Weil diesen "weichere" Wesenszüge zugeschrieben werden, die nun einmal im Krisenfall gebraucht werden.

Das ist kein Klischee, sondern Ergebnis einer Untersuchung der US-Forscherinnen Alison Cook und Christy Glass im Jahr 2014. Die beiden stützen sich dabei auf Führungswechsel in den 500 größten US-Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren – und kamen eben dahinter, dass Frauen besonders dann gerne an die Spitze eines Unternehmens gelobt werden, wenn es im Getriebe gehörig knirscht. Was die Untersuchung belegt, ist ohnehin schon lange eine Binsenweisheit: Frauen werden immer dann ins Spiel gebracht, wenn alle infrage kommenden Männer keine Lust auf den schwierigen und undankbaren Job haben.

Das war so, als die CDU nach der Spendenaffäre um Langzeitkanzler Helmut Kohl darniederlag und Angela Merkel an die Spitze kam. Das war auch so, als David Cameron die Brexit-Abstimmung entglitten war – da musste Theresa May die Scherben der Tory-Politik auflesen. Und das ist jetzt auch bei der österreichischen Sozialdemokratie so.

Nun, in der verfahrenen Situation, in die sich die SPÖ samt ihrem Vorsitzenden Christian Kern selbst manövriert hat, muss eine Frau ran und retten, was noch zu retten ist. Nachdem Doris Bures abgesagt hat, ist nun Pamela Rendi-Wagner in der Ziehung. Sie ist klug, eloquent, telegen, was sie sagt, hat Hand und Fuß, und sie hat eine angenehme, unaufgeregte Art. Und sie ist da. So weit ist die Auswahl natürlich nachvollziehbar.

Gegenpol zu Sebastian Kurz

Dass sie als promovierte Medizinerin auch noch eine ausgewiesene Gesundheitsexpertin ist, wird vielleicht Anlass für allerlei Witzchen über ihre diesbezüglichen Aufgaben in der SPÖ sein. Dass ihr Expertinnentum tatsächlich den Ausschlag für sie gegeben haben könnte, muss man dagegen bezweifeln. Was von der neuen Frau an der Spitze erwartet wird, ist ganz klar: Sie soll die internen Fehden beenden und die zutiefst zerstrittene Partei befrieden. Sie soll aus der ewig behäbigen Ex-Regierungspartei SPÖ eine junge, schnelle, kantige Oppositionspartei machen. Und sie soll bei der nächsten Wahl ein attraktiver Gegenpol zu Sebastian Kurz sein – und am Ende natürlich Wahlen gewinnen.

Wer diesen Aufgabenkatalog durchdenkt, ist nicht verwundert, dass den Job eigentlich niemand wollte – schon gar keiner der Alphamänner in den Bundesländern, die lieber aus der zweiten Reihe gute Ratschläge geben.

Ist diese Entscheidung weise, ist der Zeitpunkt richtig? Die Antwort lautet: weder noch. Die sich abzeichnende Lösung mit Rendi-Wagner ist aus der Not heraus geboren, es gibt keine tiefere Überlegung dahinter. Beispielsweise wird völlig ausgeblendet, dass sie nur sehr schwach in der Partei verankert ist. Offiziell ist sie zu kurz dabei, sie hat keine Hausmacht. Ihre wirklichen Fans sind im Kreis um Christian Kern zu finden – und der befindet sich im Abgang. Das ist gegenüber machtbewussten Wienern, Eisenstädtern oder Gewerkschaftern keine wirklich starke Stütze in der Partei.

Dazu kommt noch: Rendi-Wagner wäre tatsächlich eine ideale Kanzlerkandidatin für die SPÖ. So jemanden verheizt man nicht in der Tagespolitik – lange vor der nächsten Wahl.(Petra Stuiber, 21.9.2018)