Erst das Höchstgericht erzwang vom Innenministerium die Herausgabe der Akten.

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In der Aufregung um die öffentliche Selbstdemontage der SPÖ in der vergangenen Woche ging eine andere, versuchte Demontage fast völlig unter – nämlich jene des österreichischen demokratischen Rechtsstaats. Das Innenministerium, das für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung im Staat stehen sollte, hat offenbar genau das Gegenteil davon getan und für maximales Chaos und Unordnung in den Reihen der Staatsschützer gesorgt.

FPÖ-Mann Herbert Kickl, der Innenminister persönlich, versteht unter Recht und Ordnung offenbar, dass er und seine Vertrauensleute nach Belieben schalten und walten, nach Belieben intervenieren zu dürfen – ohne Rücksichten, ohne Grenzen.

Ignoranz und Arroganz

Das mag ein wenig dramatisch klingen, aber genau so stellte es sich dar bei den bisherigen Ermittlungen und beim parlamentarischen Untersuchungsausschuss rund um die vom Innenministerium angeordnete Razzia im (hauseigenen) Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Was sich in den bisherigen U-Ausschusssitzungen gezeigt hat, ist eine bemerkenswerte Mischung aus Ignoranz, arrogantem Machtgehabe und Missachtung des Parlaments.

Erst musste der Verfassungsgerichtshof das Ministerium zwingen, den Nationalratsabgeordneten im Ausschuss auch wirklich alle wichtigen Akten zu übergeben.

Dann sagten die beiden wichtigsten Zeugen, Peter Goldgruber, Generalsekretär im Innenministerium, und Udo Lett, Referent im Kabinett Kickl, ihre Befragungstermine im November kurzfristig ab – wegen Auslandsreisen. Wertschätzung gegenüber dem Parlament sieht anders aus.

Einflussnahme oder Service?

Der Chef des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung sagte dagegen aus – und er berichtete dabei von einer "Einflussnahme in bisher einmaligem Ausmaß" – durch das Kabinett Kickl. Der Chef der schnellen Eingreiftruppe, welche die Razzia bei den Kollegen durchgeführt hatte und eigentlich auf Straßenkriminalität spezialisiert ist, erklärte das rambo-artige Auftreten seiner leute inklusive Drohungen als "Serviceleistung".

Was die Razzia selbst betrifft, verwickelten sich die Beteiligten gegenüber dem U-Ausschuss in eklatante Widersprüche. Warum man die Rechtsextremen-Datei "sichergestellt", wie man die Staatsschützer eher bedroht statt beschützt hat – das wird aber noch Gegenstand weiterer Befragungen sein müssen.

Rechthaberei

Dann trat auch noch der Innenminister selbst bei einer Sondersitzung des Nationalrats auf und wusste nichts Erhellenderes zu seinen Kritikern zu sagen als: "Ich habe recht, und Sie haben unrecht."

Problembewusstsein? Gar Einsicht? Oder zumindest ein Gespür dafür, wann eine Grenze überschritten ist? Fehlanzeige. Es gibt keine Konsequenzen aus der missglückten Hausdurchsuchung, es gibt keine plausible Erklärung dafür, dass ein Innenminister Kabinettsmitglieder mit rechten Verbindungen um sich schart, die dann in Untersuchungen über eben diese Verbindungen eingreifen. Im Büro Kickl glaubt man, so weitertun zu können wie bisher, Kickl hält an seinen Leuten und deren Vorgangsweise eisern fest.

Berliner Lerneffekt

Szenenwechsel nach Deutschland: Auch dort fühlte sich der oberste Staatsschützer Hans-Georg Maaßen unverwundbar, trotz seines unsäglichen Verhaltens nach der Hetzjagd in Chemnitz auf ausländisch aussehende Menschen. Und der zuständige Innenminister Horst Seehofer deckte ihn und sorgte dafür, dass er als Staatssekretär ins Ministerium "weggelobt" wurde.In Berlin ist das letzte Wort in der Causa freilich noch nicht gesprochen – die deutsche Kanzlerin und ihre Koalitionspartnerin lernen gerade dazu.

Vielleicht ist das in Österreich ja auch noch möglich. (Petra Stuiber, 22.09.2018,)