Geschlecht wird in Schulen meist nur dann thematisiert, wenn es der Schulleitung oder LehrerInnen ein Anliegen ist.

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"Geschlechterthemen gehen allen nahe", sagt die Pädagogin Renate Tanzberger.

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Eine Königin will abdanken und möchte deswegen für ihren Sohn eine geeignete Prinzessin finden. Doch jegliches Bemühen scheitert, keine will dem Prinzen gefallen. Doch dann begegnet er Prinz Herrlich – und es war um ihn geschehen. Die Hochzeit war großartig, und die Königin konnte beruhigt in Pension gehen, denn "König und König", wie das gleichnamige Bilderbuch (Gerstenberg Verlag) heißt, übernehmen das Zepter. Geschichten wie diese als Lesestoff in der Grundschule gibt es noch selten bis nie. Zwar ist es inzwischen kein Tabu mehr, dass sich auch Buben später in Buben verlieben könnten, Mädchen nicht Mama werden wollen und er mit der Puppe und sie mit dem Bagger spielt – dennoch bilden sich moderne Geschlechterbilder in Lesebüchern, Lernmaterialien und generell im Unterricht noch selten ab.

Dabei steht Pädagogik, die auf Genderfragen nicht vergisst, seit Jahrzehnten auf der Agenda. Seit 1995 wurde das Unterrichtsprinzip "Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern" in allen Lehrplänen verankert, und ein Erlass machte die Schulen darauf aufmerksam, dass sie das Unterrichtsprinzip wahr- und ernst nehmen sollen. Das Streichen des Erlasses durch das Bildungsministerium im März dieses Jahres führte zu Protesten. Das Bildungsministerium hat nun angekündigt, dieses Unterrichtsprinzip aktueller gestalten und im Herbst veröffentlichen zu wollen.

Der Plan ist gut, die Umsetzung dürftig

Der Verein Efeu beschäftigt sich seit 1986 mit Sensibilisierung für Sexismus in der Bildung. Für Kindergärten, Schulen, pädagogische Hochschulen und Universitäten bietet Efeu Vorträge und Workshops von gendersensibler Berufsorientierung über geschlechtersensible Pädagogik bis hin zu Feminismus für Jugendliche an. Maßnahmen, Leitfäden und Initiativen zur Unterstützung von Lehrkräften und Schulleitungen gibt es von den zuständigen Ministerien, ob ein kritischer Umgang mit Geschlechterfragen aber tatsächlich an den Schulen ankommt, ist eine andere Frage, sagt Renate Tanzberger von Efeu. "Die Gesetzeslage und die moralische Unterstützung sind in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut", sagt Tanzberger. In Ungarn werden die Lehrpläne gerade völlig umgestaltet, sagt die Pädagogin. Das gehe so weit, dass die Gestaltung des Unterrichts gegen vorehelichen Geschlechtsverkehr oder Abtreibung gerichtet sein soll. "Im Vergleich dazu ist die Situation in Österreich fantastisch."

Trotzdem sei es eher ein Glücksfall, wenn Eltern ihre Kinder in einer Klasse wissen, wo es gendersensibilisierte LehrerInnen gibt. "Auch Schulleitungen, die sehr für das Geschlechterthema einstehen, sind eher die Ausnahme", schildert Tanzberger ihre Erfahrungen. Das hänge einerseits mit einer gesamtgesellschaftlichen Bewertung des Themas zusammen. Andererseits gebe es zwar viele Initiativen, es fehle aber an Ressourcen für die Umsetzung, an Verpflichtungen und an Evaluierung. Für die Genehmigung von Schulbüchern gibt es etwa Richtlinien zur Darstellung von Frauen und Männern in Unterrichtsmitteln, dass aber ein Schulbuch deswegen nicht approbiert wurde, das ist Tanzberger noch nie untergekommen. "Die gesetzlichen Grundlagen helfen, aber Ressourcen zu Umsetzung fehlen", kritisiert sie.

Angst vor Verbote

Die einzelnen pädagogischen Hochschulen und Universitäten widmen sich dem Thema sehr unterschiedlich. Ob man sich als künftige Lehrkraft zum Beispiel mit dem Zusammenhang von Geschlechterstereotypen und der Wahrnehmung von Kompetenzen auseinandersetzt, bleibt vom persönlichen Interesse abhängig. Renate Tanzberger weiß aus der Praxis, dass in Workshops für das gesamte Lehrpersonal, und nicht nur für Interessierte, die Widerstände bei manchen Lehrkräften groß sind: "Es gibt viele Vor-Urteile gegen die Auseinandersetzung mit Geschlechterthemen, und das Thema geht allen nahe." Oft werde das Stichwort "Gender" auch nur mit Sprache verbunden, nach dem Motto "Jetzt müssen wir das Binnen-I verwenden", oder mit einer Verbotskultur, "dass man dann gar nix mehr dürfe". "Am Ende einer Fortbildung hören wir immer wieder, dass es interessant und 'gar nicht so schlimm' war", erzählt Tanzberger.

Nichts darf man mehr? Für den König, der den König heiraten darf, ist das Gegenteil das Fall. Diese Geschichte jenseits des traditionellen Geschlechterarrangements wurde übrigens bei einer Fortbildung in einer Grundschule positiv aufgenommen, erzählt Tanzberger, die das Buch neben anderen an einer Volksschule vorgestellt hatte. Einer Lehrerin, die ihren SchülerInnen vor jeder Stunde eine Geschichte erzählt, gefiel es sehr, und sie kündigte an, dieses als Nächstes erzählen zu wollen. Ein Protest von Direktion und KollegInnen blieb aus. (Beate Hausbichler, 23.9.2018)