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Sigi Denk war vielleicht das größte Radsporttalent, das Österreich je hervorgebracht hat. Letztlich scheiterte er an sich selbst, sagen Weggefährten.

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Sein verweintes, jungenhaftes Gesicht machte ihn zum tragischen Helden. Diese Rolle behielt er bis zu seinem Tod und darüber hinaus. Siegfried "Sigi" Denk war eine der prägenden Figuren des österreichischen Radsports der 1970er-Jahre. Eine Zeit, in der legendäre Teams wie Alpi Tirol oder Schartner Bombe für Furore sorgten. Rennradfahren stand hoch im Kurs, jedes Wochenende fanden zahlreiche Rennen statt. Die Stars der Szene, offiziell Amateure, verdienten gut und waren in den Medien ähnlich präsent wie heute die Skifahrer.

Denk war der schillerndste unter ihnen. Liebling der Fans und der Reporter. Weil er nicht nur auf dem Rad, sondern auch abseits des Pelotons für Schlagzeilen sorgte. Manche glauben, dass er das größte Talent war, das der heimische Radsport je hervorgebracht hat. Allein umzusetzen vermochte er dies nur selten. Meist stand er sich selbst im Weg.

1969 ging der Stern des Sigi Denk bei der Dusika-Jugendtour auf. Das Nachwuchsrennen galt als Bühne für die kommenden Stars des Radsports. Der junge Braunauer fuhr die europäische Konkurrenz in Grund und Boden. Ein Jahr später sorgte der erst 19-Jährige bei der Österreichrundfahrt für Furore. Im gelben Trikot des Gesamtführenden ging Denk auf die kurze Etappe von Salzburg nach Braunau, verspielte aber wegen taktischer Fehler den Sieg beim Zieleinlauf in seiner Heimatstadt Braunau. Das verweinte Gesicht des jungen Mannes wurde zum Symbol, Denk wurde zum tragischen Helden verklärt.

Zum Märtyrer gemacht

Dabei sagen ehemalige Weggefährten wie Rupert Preuer, dass die Niederlage selbstverschuldet war: "Die Medien haben Sigi zum Märtyrer gemacht, der er nicht war. Alle hatten ihn davor gewarnt, die Holländer davonziehen zu lassen, aber er hat nicht hören wollen." Damals sei der Sigi "noch ein lieber Bursch" gewesen. Doch mit den ersten Erfolgen sei er selbstherrlich geworden.

Ob disziplinärer Verfehlungen wurde er 1970 von seinem Team Schartner Bombe suspendiert, zahlreiche Wirte in der Region Braunau verbannten Schartner Bombe daraufhin aus ihren Gaststuben.

Sein großes sportliches Talent bewahrte Denk immer wieder vor Konsequenzen. 1971 fuhr er seinen ersten Staatsmeistertitel ein, 1974 den zweiten. "Er genoss unglaubliche Sympathien und durfte sich daher vieles erlauben", sagt Preuer. Doch bei den Olympischen Spielen 1972 in München überspannte er den Bogen. Denk stahl sich aus dem Teamquartier davon, um die Nacht bei seiner Freundin in Salzburg zu verbringen. Tags darauf kam er zu spät zum Start des Teamzeitfahrens, woraufhin ihn der Verband rauswarf. Der Streit gipfelte in einem unüberlegten TV-Interview Denks, das ihm eine lebenslange Sperre einbrachte.

Förderer Dusika

Sein großer Förderer Ferry Dusika fing Denk auf und bewegte den Verband, die Sperre 1974 aufzuheben. Dusika verschaffte ihm in Wien eine Wohnung und einen Job. Doch die Großstadt war kein gutes Pflaster für den leicht beeinflussbaren Braunauer. Er geriet "in falsche Kreise", Rotlichtmilieu und Drogen. Die gebotene Chance ließ Denk ungenutzt. Dusika fasste das Leben seines Protegés so zusammen: "Ich habe dieses Ende kommen sehen. Sigi war sehr labil und leicht beeinflussbar. Aber trotz seiner Fehler konnte man ihm nie böse sein."

Nachdem er 1975 unerlaubt das Trainingslager in Schielleiten verlassen hatte und erst am Morgen darauf betrunken zurückgekehrt war, folgte der finale Rauswurf bei Schartner Bombe. Denk hatte das Vormittagstraining mit den Worten "I bin rauschig" verweigert.

Sportlich folgten noch ein zweiter Etappenplatz auf der Österreichrundfahrt 1976 sowie zwei Etappensiege bei der Rundfahrt 1977. Nach insgesamt 14 Rennsiegen endete die Radkarriere des ewigen Talents Denk in den späten 1970ern. Es war eine kurze, aber umso intensivere Geschichte des Scheiterns an sich selbst.

Der gefallene Star versuchte sein Leben in den Griff zu bekommen. Er wurde Masseur und war als solcher 1981 noch einmal im Betreuerstab der Österreichrundfahrt mit dabei. Doch der Alkohol machte ihm erneut einen Strich durch die Rechnung. Seinen letzten Arbeitsplatz im Wiener Fitnesscenter "Tu was" verlor er im Jänner 1982, nachdem er mehrmals unbefugt Geld aus der Kassa entwendet hatte. Dabei hatte auch sein letzter Chef nur lobende Worte für ihn übrig: "Ein ausgezeichneter Masseur mit tadellosem Benehmen, pünktlich, zuverlässig und hilfreich."

Tragisches Vermächtnis

Am Freitag, dem 5. März 1982, kurz nach Mittag fand man Denks leblosen Körper in der Wohnung Brückengasse 16 in Wien. Er hatte seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Im früheren Umfeld Denks wird bis heute über dieses Ende gemutmaßt. Manche meinen, es sei ein Unfall gewesen, ein verzweifelter Hilfeschrei. Man habe ihn zu spät gefunden.

Mit nur 31 Jahren trat Österreichs vielleicht größtes Radsporttalent ab. Er hinterließ einen Sohn und ein tragisches Vermächtnis, das von vertanen Chancen handelt. Sein Jugendfreund Preuer fasst die Tragik der Person Sigi Denk in einem Satz zusammen: "Sein Kopf ist seinem Körper immer im Weg gestanden." (Steffen Arora, 24.9.2018)

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