Wien – Nein, eine Bespitzelungseinheit will man nicht aufbauen, heißt es beim Arbeitsmarktservice (AMS) in Niederösterreich. Wenn allerdings ein "begründeter Verdacht" besteht, dass ein Arbeitsloser sich nicht an die ihn betreffenden gesetzlichen Verpflichtungen halte, dann wollen die St. Pöltener in Zukunft genauer hinsehen.

Deshalb hat das AMS Niederösterreich Mitte September einen eigenen "Erhebungsdienst" eingerichtet: Zunächst drei, ab November fünf Mitarbeiter sollen möglichen Fällen von Sozialbetrug nachgehen. Was genau ist geplant? Arbeitslose sind verpflichtet, sich bei Unternehmen um ihnen zumutbare Jobs zu bewerben. Das AMS wird künftig verstärkt nachprüfen, ob Betroffene die Bewerbung auch ernst genommen haben. Wird bewusst die Annahme einer Stelle sabotiert, droht die Sperre des Arbeitslosengeldes.

AMS-Mitarbeiter aus dem Ermittlungsteam werden Arbeitslose auch direkt zu Hause aufsuchen. Die Bediensteten verfügen natürlich über keine Exekutivgewalt, ihnen nicht aufzumachen, wenn sie klingeln, verstößt also gegen kein Gesetz der Welt. Doch mittels der "Hausbesuche" sollen zum Beispiel Scheinanmeldungen entlarvt werden, also jene Fälle, bei denen ausländische Staatsbürger sich in Österreich wohnhaft melden, obwohl sie eigentlich im Ausland wohnen. Eine Wohnadresse in Österreich ist die Voraussetzung dafür, Arbeitslosengeld zu beziehen.

Mit den Hausbesuchen sollen auch Fälle aufgedeckt werden, bei denen jemand neben dem Bezug des Arbeitslosengeldes kräftig schwarz dazuverdient. Niederösterreich ist nicht das erste Bundesland, in dem eine Erhebungseinheit eingerichtet wird: In Wien existiert eine solche Gruppe bereits seit Jahren, heißt es beim AMS in der Hauptstadt. Diese Einheit hat die Aufgabe, Scheinwohnsitze zu identifizieren und Schwarzarbeit aufzudecken.

Beim AMS in St. Pölten wird die neue Maßnahme damit begründet, dass die Unternehmen angesichts der guten Konjunktur besonders viele Arbeitskräfte nachfragen. Aufgabe des AMS sei es, in dieser Situation geeignete Kandidaten zu finden. Als Begründung wird aber auch angeführt, dass die türkis-blaue Regierung den Kampf gegen vermuteten Sozialbetrug forcieren will.

Österreichweit ist die Zahl der Sperren von Arbeitslosengeld 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen: Zwischen Jänner und August wurden 25.825 Sanktionen verhängt, im selben Zeitraum 2017 waren es nur 16.123 Fälle. Die Dauer der Sperren ist unterschiedlich, beträgt aber laut Gesetz mindestens sechs Wochen.

Grund für den starken Anstieg ist laut Arbeitsmarktservice, dass die Arbeitskräftenachfrage in Österreich so stark gestiegen ist. Arbeitslose müssen sich also deutlich öfter bewerben als noch im Vorjahr. (szi, 24.9.2018)