Ein neues Modell zur realistischen Simulation von Hangrutschungen haben deutsche und österreichische Forscher entwickelt. Derzeit würden Programme Muren oder Lawinen stark vereinfacht darstellen und damit der komplexen Realität oft nicht gerecht werden. Das neue Modell berücksichtige dagegen Wasser und Feststoffe sowie deren Interaktion, berichtet der Wissenschaftsfonds FWF.

Für die Raumplanung, Schutzbauten oder Frühwarnsysteme werden Computersimulationen von Hangrutschungen benötigt. Die derzeit dafür verwendeten Programme würden aber der Realität oft nicht gerecht, erklärte der Geograph Martin Mergili vom Institut für Angewandte Geologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Denn bei solchen Ereignissen seien komplexe physikalische Prozesse im Spiel. "Man hat Material von verschiedener Korngröße – von ganz feinem Schlamm bis hin zu großen Felsbrocken, dazu Wasser, im Extremfall Eis und Schnee", so der Experte.

Die meisten Simulationsmodelle würden dieses heterogene Gemisch als homogene Masse berechnen. Viele Naturereignisse ließen sich mit solchen "Ein-Phasen-Modellen" aber kaum simulieren. Als Beispiel nannte Mergili den Bergrutsch von Bondo in der Schweiz im August vergangenen Jahres, wo mehrere Millionen Kubikmeter Gestein abrutschten und schließlich als gewaltige Mure den Ort verwüsteten. Hier hätten Gestein und Wasser zusammengespielt und bisherige Berechnungsmethoden an ihre Grenzen gebracht.

Wasser und Schutt

Im Kooperation mit deutschen Kollegen hat Mergili ein Zwei-Phasen-Modell entwickelt, das Wasser und Schutt getrennt berücksichtigt. Shiva Pudasaini von der Universität Bonn hat das Gleichungssystem, das die Bewegung von dieser Zwei-Phasen-Strömung beschreibt, entwickelt. Dieses wurde von Mergili in eine anwendbare Modellumgebung implementiert, um die Berechnungen mit realen Geländedaten durchführen zu können. "In unserem Modell wird die Interaktion von Wasser und Feststoffen berechnet, weil diese auch in der Realität interagieren", sagte Mergili.

Die neue Simulationsumgebung namens "r.avaflow", die die Wissenschafter in mehreren Fachpublikationen vorgestellt haben, ist frei verfügbar und wird derzeit international getestet und adaptiert. Das Modell sei dabei "mehr im Einsatz als ich mir das momentan wünschen würde", sagte Mergili. So werde es bereits von einem Schweizer Ingenieurbüro verwendet. Noch müsse man bei Anwendungen aber vorsichtig sein, es wären mehr Rückmeldungen zu möglichen Schwächen und mehr Erprobungen wünschenswert. (APA, 24.9.2018)