"Gibt's da heute noch was zu essen?" Jugo Ürdens knurrt der Magen. Es ist Mittag, kurz nach zwölf, und der 22-Jährige hatte noch kein Frühstück. Er rutscht im Café Engländer auf seinem Platz hin und her, die Kellner lassen auf sich warten. So was ist Jugo in seinen Stammlokalen im 15. Bezirk nicht gewohnt, da sei der Service zügiger, und die Cevapcici-Portionen fielen üppiger aus – breites Grinsen, Augenzwinkern.

Jugo Ürdens wurde in einem Haus am Sparkassaplatz im 15. Bezirk in Wien fotografiert. Er trägt ein wattiertes Oversized-Hemd von Balenciaga (via Matchesfashion.com), einen Pullover von Hermès, eine Hose von Dolce & Gabbana, Socken von Prada und Schuhe von Bally.
Foto: Rafaela Pröll

Als der Kellner im Engländer irgendwann dann doch seinen Teller vor ihm abstellt, hat Jugo Messer und Gabel sofort in der Hand. Aufnahme läuft? Kein Problem, essen und Fragen beantworten geht ja auch gleichzeitig.

"Wenn ich so weitermache, bin ich bald der dickste Mann von Wien", bis Ende des Jahres wolle er Bauch und Kondition in den Griff bekommen, auch wegen der anstehenden Konzerte.

Bomberjacke von Versace, Rollkragenpullover von Z Zegna und Hose von Hermès.
Foto: Rafaela Pröll

Humor hat Jugo Ürdens, denn so etwas sagt ausgerechnet der Musiker, der in einem Song ankündigte, er werde "Model, wenn das mit dem Rappen nix wird". Mit seinem Aussehen hat der 22-Jährige in der Vergangenheit immer wieder kokettiert, nicht ohne Konsequenzen. "Vice" hat ihn als den "schönsten Rapper Österreichs", das Frauenmagazin "Woman" als den "schönsten Mann Wiens" bezeichnet.

Jugo – kahlrasierter Schädel, heute trägt er ein weißes T-Shirt, unauffällige schwarze Jeans, Vans, Bauchtasche – sagt, er habe keine Ahnung, wie dieses Image zustande gekommen ist.

"Als Kind habe ich mich immer wie ein schönes Mädchen gefühlt, schuld daran waren die ständigen Komplimente meiner Mutter, vor allem für meine Augen." Das hat er lange nervig gefunden, irgendwann dann für sich genutzt.

Seither verfolgt ihn das Etikett des feschen Rappers. Noch dazu gilt der 22-Jährige, geboren in Mazedonien, aufgewachsen in Österreich, als der Vorzeigemusiker mit Migrationshintergrund.

Dafür ist seine Single "Österreicher" verantwortlich. Mit seinem Stoßseufzer "Endlich Österreicher!" hat er ein Politikum aufs Tapet gebracht: Nicht jeder, der in diesem Land seit Jahren lebt, hat einen österreichischen Pass.

Kurzärmeliges Hemd und Unterziehpullover von Prada.
Foto: Rafaela Pröll

So hat er es in einen Arte-Beitrag mit dem Titel "Zwischen Weltoffenheit und Rechtsruck" geschafft, da ist er neben Stefanie Sargnagel aufgetreten.

Großes Missverständnis

Wenn man mit Jugo zusammentrifft, fühlt sich das alles nach einem großen Missverständnis an. Während des RONDO-Shootings wirkt er weder übermäßig eitel noch sonderlich kompliziert, Berührungsängste mit Mode und mit Marken hat er nicht, sogar Glitzersteinchen lässt er sich ums Auge kleben.

Alles, was der Stylist an Kleidung mitgebracht hat, probiert er erst einmal aus, besonders gut gefällt ihm das gepolsterte Oversize-Hemd von Balenciaga. Auf Instagram können sich seine 6000 Follower ziemlich uneitle Videos ansehen, die ihn in seinen Stammlokalen oder zu Hause auf der Couch zeigen.

Sozialkritische Lieder mag er nicht besonders, und Fragen nach seiner Herkunft kommentiert er mit einem abwinkenden "so was werde ich immer nur in Interviews gefragt."

Fragen wie diese sind trotzdem aufgelegt: Jugo Ürdens, sein Name fußt auf einem koketten Namensverdreher von Udo Jürgens, spielt mit Zitaten, die seine Familiengeschichte streifen. Mit sieben ist er mit Mutter und Schwester dem Vater nachgezogen, von Skopje nach Wien.

Hemd und Hose von Issey Miyake. Rollkragenpullover von Z Zegna, Slipper von Bally.
Foto: Rafaela Pröll

Auf dem Cover des neuen Albums ist ein Studentenwohnheim in der mazedonischen Hauptstadt abgebildet, dafür ist er extra mit einer Fotografin "runtergefahren". Für die Platte hat er "alte Samples von traurigen jugoslawischen Balladen zusammengestaucht und "gepitcht".

Mantel und Hose von Dries Van Noten, Rollkragenpullover von Hugo Boss, Schuhe von Bally.
Foto: Rafaela Pröll

Und während Maurice Ernst, der Frontmann von Bilderbuch, einen Lamborghini besingt, hat Jugo in der Vergangenheit dem jugoslawischen Mittelklassewagen Yugo, der es bis nach Hollywood geschafft hat, gehuldigt – Bruce Willis und Samuel L. Jackson haben in "Stirb langsam" darin wilde Verfolgungsjagden hingelegt.

Video mit Jugo Ürdens beim RONDO-Fotoshooting.
DER STANDARD

Jugo hat ein feines Gespür für große Themen und setzt sie mit seinem unaufgeregten, manchmal melancholischen Schmäh so in Szene, dass man nur zu gern in die Falle tappt und die Kunstfigur Jugo Ürdens gleichsetzt mit Aleksandar, der seinen Nachnamen nicht preisgeben will.

Aleksandar, E-Mails unterschreibt er mit Aleks, kennt Wien und seine Skate-Rampen in- und auswendig, hat in der Hauptstadt so einige Umzüge mitgemacht, in der Volksschule Tokio Hotel, später Deutschrap, System Of A Down, Metallica und irgendwann auch Bilderbuch gehört, dann Matura an einem Gymnasium im ersten Bezirk, ein halbherziges Einschreiben an der WU, die eigene Musik wurde immer wichtiger.

Hose Moncler 1952, Socken Falke, Sneaker Reebok (via Steffl 6th Floor).
Foto: Rafaela Pröll

"Jugo Ürdens Aleksandar, irgendwo zwischen Akademiker und Gastarbeiter", hat Jugo seine Identität in seinem Hit "DiesDas" kommentiert. Er wartet bis heute auf seinen österreichischen Pass, regelmäßig muss er sein Visum verlängern. Bis dahin geht es erst einmal um die Musik.

In den letzten Monaten hat Jugo täglich im 16. Bezirk im Tonstudio an seinem neuen Album gearbeitet, die Beats kämen bei ihm immer zuerst, mit den Texten quäle er sich oft herum.

"Manchmal brauche ich für eine 40-Sekunden-Sequenz Text einen Monat." Dafür singen bei den Konzerten alle mit, vor allem die Mädchen in der ersten Reihe. (Anne Feldkamp, RONDO, 28.9.2018)

Lederjacke Kenzo, Seidenhemd Dries Van Noten, Rollkragenpullover Hugo Boss, Hose Moncler 1952, Socken Falke, Sneaker Reebok (via Steffl 6th Floor), Gürtel Hien Le.
Foto: Rafaela Pröll