STANDARD: Nehmen wir an, Sie glaubten an Wiedergeburt: Würden Sie lieber als Mann oder als Frau wieder auf die Welt kommen?

Susanne Widl: Lieber als Frau.

STANDARD: Warum?

Widl: Weil ich ein Fan von Schönheit bin und Frauen nun einmal schöner als Männer sind. Sie kleiden sich auch schöner und haben mehr Sinn für das Schöne. Außerdem sind Frauen kultivierter und sensibler. Ihre Intuition ist oft fruchtbarer und produktiver als die männliche Intelligenz.

STANDARD: Touché! Sagen Sie, gibt es Männer, die sich vor Ihnen fürchten?

Widl: Ich glaube, Polizisten haben Angst vor mir. Und alle Leute, die vor Türen stehen und mir den Einlass verwehren.

"Manche Männer sind so schön, dass es gefährlich sein könnte, ihnen zu nahe zu sein."
Foto: Hubertus von Hohenlohe, Wien; Buch "Widl – Mein Leben im Spiegel der Medien"

STANDARD: Wie soll man Susanne Widl fassen? Mit ihrem Namen werden Begriffe wie Muse, Künstlerin, Legende, Topmodel, Schauspielerin in Verbindung gebracht. Welcher trifft's am besten?

Widl: Am liebsten wäre mir der Begriff Mensch, vielleicht sogar Ausnahmemensch. In allen meinen Funktionen, von Muse bis Schauspielerin, wollte ich immer das Menschliche verkörpern. Darum heißt mein Lieblingsfilm auch "Menschenfrauen". Es ist ein Film von Valie Export.

STANDARD: Sie haben Männer wie Burt Lancaster, Peter Falk oder Peter Alexander gekannt und mit ihnen gearbeitet. Mit Peter Falk, allen als Inspektor Columbo bekannt, wird Ihnen eine Affäre angedichtet. War Burt Lancaster nicht fescher?

Widl: Ich war mit einer Reihe faszinierender Männer liiert. Aber ich lege mehr Wert auf Intelligenz und Charme.

Susanne Widl mit "Columbo" Peter Falk in L.A. (1986).
Foto: Markus Morianz; aus dem Buch "Widl – Mein Leben im Spiegel der Medien"

STANDARD: Über den Künstler Christian Ludwig Attersee sagten Sie, er sei wunderschön.

Widl: Manche Männer sind so schön, dass es gefährlich sein könnte, ihnen zu nahe zu sein.

STANDARD: Also sind Sie doch empfänglich für Feschaks.

Widl: Eigentlich nicht sehr. Wie gesagt, Intelligenz, Humor, Charme sind wichtiger. Aber eine gewisse Männlichkeit sollte ein Mann anatomisch gesehen schon ausstrahlen.

STANDARD: In den Medien taucht regelmäßig die Frage nach der Rolle des "neuen" Mannes auf. Was sagen Sie dazu?

Widl: Ein Mann sollte heute wissen, dass die Definition von Männlichkeit ein historisches Produkt ist, konstruiert durch eine Vielzahl gesellschaftlicher Normen. Der Mann wächst also im Gefängnis der Geschichte auf. Aus diesem Gefängnis festgelegter alter Rollen sollte er ausbrechen. Ich liebe freie Männer.

STANDARD: Gibt es einen Typ Mann, den Sie partout nicht ausstehen können?

Widl: Männer, die nicht großzügig sind, Männer, die gewalttätig sind, solche, die keine weibliche Seite haben, Männer, die engstirnig sind. Außerdem fantasielose und herzlose Männer.

Susanne Widl barbusig im Pool.
Foto: Gerhard Sokol aus dem Buch "Widl – Mein Leben im Spiegel der Medien"

STANDARD: Apropos anatomische Männlichkeit: Angeblich war die Frau von Burt Lancaster sehr eifersüchtig auf Sie. Er war ein sehr männlicher Typ.

Widl: Ja, die Geschichte stimmt, Frau Lancaster hat ihren Augen nicht getraut, als sie sah, wie intensiv mir Burt in einem Lokal in Jugoslawien in die Augen blickte. Das war während der Dreharbeiten zu "Das Schloss in den Ardennen". Daraufhin hat sie ihm ein blaues Auge geschlagen. Da gab es viel Geschrei in der internationalen Yellow Press.

STANDARD: Wann waren denn Sie zum letzten Mal eifersüchtig?

Widl: Oh, das ist ein heikles Kapitel. Ich war früher häufig eifersüchtig und habe daher auch eine Kunstaktion mit dem Titel "Schmerzzone Liebe" realisiert. Ich bin froh, dass meine Liebe nun schmerzfrei ist und ich kaum eifersüchtig bin.

STANDARD: Es soll einige Männer gegeben haben, die sich wegen Ihnen von ihren Frauen scheiden lassen wollten. Warum kam es nicht dazu?

Widl: Ich stehe stets eher auf der Seite der Frauen als auf der Seite der Männer. Der Gedanke, einen Mann glücklich zu machen und dabei eine Frau unglücklich zu sehen, würde auch mich als Frau unglücklich machen.

STANDARD: Ich habe gelesen, Sie hätten dem zweitreichsten Mann Griechenlands einen Korb gegeben. Der war sicher auch unglücklich.

Widl: Dazu sage ich lieber nichts. Das wäre zu kompliziert ...

STANDARD: Wie hieß er denn?

Widl: Kein Kommentar!

Susanne Widl mit ihrem Lebenspartner Peter Weibel (1974).
Foto: Archiv Susanne Widl aus dem Buch "Widl – Mein Leben im Spiegel der Medien"

STANDARD: Schade! Trotz all dieser Geschichten, die kursieren, sind Sie seit über 45 Jahren mit dem Künstler Peter Weibel liiert. Wie funktioniert eine Beziehung über so lange Dauer?

Widl: Mittels viel Verständnis für die unterschiedlichen Lebensstile. Mittels einer Toleranz, die individuelle Freiheitsgrade erlaubt und durch Ferntechnologie. Weibel arbeitet ja seit fast vierzig Jahren mehrheitlich als Professor im Ausland. So haben wir vor allem eine telefonische Fernverbindung und dies mehrmals täglich. Deshalb wird auf unserem Grabstein stehen: im Leben getrennt, im Tode vereint.

STANDARD: Sie nennen Peter Weibel Bärli. Mag er das?

Widl: Ja, besonders gerne hat er es, wenn ich ihn Prof. Bärli nenne.

STANDARD: Sie verglichen Ihre Beziehung zu Ihrem Bärli einmal mit jener von Liz Taylor und Richard Burton, der seine Liz übrigens "Pummelchen" genannt haben soll. Streiten Sie so oft oder trinken Sie so viel wie die zwei? Die beiden sollen sich auch verprügelt haben.

Widl: Wir trinken kaum und prügeln uns gar nicht. Wir streiten gelegentlich. Jeder von uns wird mit zunehmendem Alter eigensinniger. Dadurch entsteht immer wieder ein Impuls der Abneigung. Aber dann ist das Band der Liebe doch stärker und wir raufen uns nicht zusammen, sondern schmiegen uns zusammen.

Mit Schauspieler Eddie Constantine (1968).
Foto: Christine de Grancy aus dem Buch "Widl – Mein Leben im Spiegel der Medien"

STANDARD: Sie betreiben seit vielen Jahren das Café Korb in der Wiener Innenstadt. Dort treffen sich viele bekannte Künstler, Literaten und Schauspieler. Sogar Andy Warhol soll da gewesen sein. Welche männlichen Gäste liegen oder lagen Ihnen besonders am Herzen?

Widl: Ich freue mich über jeden Gast, ob Mann oder Frau, ob jung, ob alt, ob reich, ob arm, ob berühmt oder unbekannt. Aber es ist natürlich auch schön, dass das Café Korb ein Kultcafé ist, das sowohl aus dem Ausland wie auch aus dem Inland eine ganze Sphäre kreativer Intellektueller anzieht. Einer meiner Lieblingsgäste war der Schriftsteller Arthur Miller. Er war mit Marilyn Monroe und später mit der österreichischen Fotografin Inge Morath verheiratet.

STANDARD: Schon einmal einen Gast nach der Sperrstunde mit nach Hause genommen?

Widl: Nein, weil nach der Sperrstunde ist alles zugesperrt, auch mein Herz.

STANDARD: Im Korb arbeiten nur männliche Kellner. Wie sind Sie denn so als Chefin?

Widl: Es ist eine alte Wiener Tradition, dass die Kellner männlich sind und die Chefin eine Frau ist. Denken Sie an das Café Prückl, an das Café Hawelka, an das Hotel Sacher usw. Und wie die Jahrhunderte beweisen, funktioniert das gut.

STANDARD: Sie sagten einmal, Ihre beste Freundin sei ein Mann. Wem gebührt diese Ehre und warum nennen Sie ihn Freundin?

Widl: Oswald Wiener hatte in seinem Roman "Die Verbesserung von Mitteleuropa" geschrieben: "Alle Menschen sollten gute Freundinnen sein." Diesem Wunsche schließe ich mich an, denn er verspricht Frieden im Namen der Freundschaft. In diesem Sinne ist Weibel meine beste Freundin.

STANDARD: Was ist denn der Unterschied zwischen Freund und Freundin? Außer dem Geschlecht?

Widl: Freund und Freundin haben verschiedene Konnotationen. Freundschaften unter Männern werden in unserer Gesellschaft eigenartigerweise viel höher bewertet als die Freundschaft unter Freundinnen. Offensichtlich führen Männerfreundschaften zu Verhaltensweisen, die den wechselseitigen Vorteilen dienen, die besonders in der Politik und in der Wirtschaft in Erscheinung treten. Freundinnen sind nicht so mächtig, sich gegenseitig Jobs zuschanzen zu können.

Als Model in New York (1967).
Foto: Roland Pleterski; aus dem Buch "Widl – Mein Leben im Spiegel der Medien"

STANDARD: 1980 traten Sie am Wiener Opernball im Frack auf, einem sehr männlichen Kleidungsstück. Was wollten Sie damit ausdrücken?

Widl: Ich wollte damit gesellschaftliche Mechanismen der Unterdrückung offenbaren. Wir leben alle in einer Gesellschaft implizierter Codes: Verhaltenscodes, Geschlechtercodes, Sprachcodes und Dresscodes. Auf der Einladung zum Opernball stand: "Erscheinen in Frack oder Abendkleid." Durch die Herrschaft der Geschlechtertrennung nimmt man automatisch an, dass die Frauen im Abendkleid und die Männer im Frack erscheinen.

STANDARD: Und Sie haben diesen Code geknackt!

Widl: Genau! Indem ich im Frack erschien, wollte ich die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frau visualisieren. Ich wollte einen Beitrag zur Emanzipation der Frau leisten, indem ich die soziale Rolle der Frau, die sich in der Kleidung spiegelt, aufwerte. Da gibt es einen berühmten Witz von Marcello Mastroianni, der lautet: "Modeschöpfer haben den zweitschönsten Beruf der Welt, sie ziehen Frauen an." Dieser abwertende Witz würde nicht funktionieren, wenn Mastroianni sagen würde "sie ziehen Männer an", weil Ausziehen und Anziehen von Kleidung zum Reich der Frau gehört.

STANDARD: Apropos Unterdrückung: Sie wollten eigentlich Ärztin werden, doch Ihr Vater hat Sie in eine Hauswirtschaftsschule gesteckt. Waren Sie Ihrem Vater sehr böse?

Widl: Nein, ich liebe meinen Vater bis heute.

STANDARD: Anfang der 1970er-Jahre lebten Sie in Rom und New York und arbeiteten als Model. Das war lange vor #MeToo. Was sagen Sie zu der Debatte?

Widl: Es könnte sein, dass der Druck auf Frauen im Model- und Schauspielgewerbe zugenommen hat und es als Reaktion darauf zur #MeToo-Debatte kam. Zu meiner Zeit waren natürlich die erotischen Wünsche der Fotografen und Filmregisseure ebenfalls existent, aber ich glaube, sie haben sich zivilisierter artikuliert, und dadurch waren wir Frauen weniger Druck ausgesetzt.

STANDARD: Es gibt ein Foto von Ihnen, auf dem man Sie in einem Pool mit nacktem Busen sieht. Es ziert sogar eine Streichholzschachtel Ihres Cafés. Wahrscheinlich dürfte man heute so ein Foto auf Facebook gar nicht zeigen. Leben wir in einer neuen Prüderie?

Widl: Ja, wir leben in einem Zeitalter eines neuen Biedermeiers. Nachdem es Nationen gibt, deren wirtschaftliche, militärische und intellektuelle Kraft im Sinken Begriff ist, kann man nur mehr moralisch Überlegenheit behaupten. Dies führt natürlich zu einem Tugendterror. Der spielt sich aber Gott sei Dank nur in der Meinungssphäre ab. Die Gesetze sind davon weitgehend verschont. Die gestatten heute glücklicherweise mehr Freiheiten denn je.

STANDARD: Frau Widl, war früher alles besser?

Widl: Lassen sie es mich so sagen: Früher war vieles anders. (Michael Hausenblas, RONDO, 1.10.2018)

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