Kai Diekmann diskutiert am Donnerstag mit Wolfgang Fellner, Rainer Nowak und Christian Rainer über die Qualität der Boulevardmedien.

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Noch vor der Veröffentlichung der vielkritisierten Mail aus dem Innenministerium haben die Polizeipressestellen vor wenigen Tagen einen anderen Wunsch des Ministeriums umgesetzt: Die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen werden von nun in Polizei-Aussendungen explizit genannt. Die Frage, ob in der Berichterstattung die Nennung der Herkunft mutmaßlicher Täter eine Notwendigkeit ist, wird in den Medien seit vielen Jahren kritisch und kontrovers diskutiert.

"Schere im Kopf"

Keinen Diskussionsbedarf in dieser Frage sieht Kai Diekmann, langjähriger ehemaliger Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, der zu den Österreichischen Medientagen nach Wien kommt. Viele Medien hätten "aus falscher Rücksicht und aus falsch verstandener politischer Korrektheit tatsächlich mit einer Schere im Kopf" auf solche Nennungen verzichtet, sagt Diekmann im Telefoninterview mit dem STANDARD. Das habe ihnen geschadet, das sei einer der Gründe für den Verlust an Glaubwürdigkeit, für "die Glaubwürdigkeitskrise".

Die "Bild" nimmt Diekmann hier explizit aus. Die "Bild" sei immer dafür gescholten worden, dass im Zusammenhang mit Strafdelikten der "möglicherweise relevante ethnische Hintergrund eines Täters genannt" wurde.

Diekmann nimmt am Donnerstag bei den Medientagen an dem Panel "Boulevard vs. Qualität: Das große Duell der Medienmacher" teil. Niemand weiß im deutschsprachigen Raum besser, wie man Boulevard macht: Diekmann war über 30 Jahre beim Springer-Verlag, 15 davon als Chefredakteur der "Bild", bevor er 2017 den Verlag auf "eigenen Wunsch", wie er betont, verließ.

Mit Wolfgang Fellner (Mediengruppe Österreich), Rainer Nowak ("Presse") und Christian Rainer ("Profil") soll Diekmann unter anderem die Frage diskutieren, "was man voneinander lernen" kann und wo die Unterschiede zwischen den beiden Genres liegen. Von der Trennung in Boulevard und Qualitätspresse hält Diekmann allerdings nicht viel. "Guter Boulevard" sei Qualität und "Boulevard" lediglich eine Gattungsbeschreibung, betont er.

Was die Herausforderung durch die Existenz der sozialen Medien angeht, sieht Diekmann allerdings "alle klassischen Medienbrands gleichermaßen herausgefordert", jene, die man gemeinhin dem Boulevard zurechnet, genauso wie jene, die sich Qualitätspresse nennen. Ebenso verhält es sich mit der Frage der journalistischen Glaubwürdigkeit. Dass die "Bild" in Bezug auf die Herkunft mutmaßlicher Täter oder etwa auf den Migrationshintergrund arbeitsloser Jugendlicher "immer alles klar benannt hat", sieht Diekmann als großen Unterschied zu anderen, die anders agiert hätten. Das habe zum Misstrauen vieler gegenüber den meisten Medien beigetragen. Im Nachhinein sehe er sich darin bestätigt.

"Sie reden Unsinn"

Doch wie kontrovers dieses Thema noch immer ist und wie sehr es die Gemüter erhitzt, zeigt das Ende des Gesprächs mit dem ehemaligen "Bild"-Chef. Bei den Hindernissen für Integration sprach Diekmann auch das Sprechen der Muttersprache auf dem Pausenhof an. Auf die Nachfrage, ob es wirklich die Glaubwürdigkeit von Medien stärke, alle "Integrationsprobleme auf die ethnische Schiene zu schieben", antwortete Diekmann gereizt: "Sie reden Unsinn, wir haben immer alles klar benannt und nicht auf die ethnische Schiene geschoben. So hat das keinen Sinn, Sie wollen diskutieren und kein Interview führen!", und legte auf. (Olivera Stajić, 26.9.2018)

Im Sinne der Transparenz. Kurz nachdem Kai Diekmann unser Interview abgebrochen hat, kam dieser Tweet: