Er sei ein strebsamer Student gewesen, der während seiner Schulzeit und auch auf dem College keinen Sex gehabt habe, beschreibt sich Richteraspirant Brett Kavanaugh.

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Neulich waren es Studenten und Studentinnen der Rechtsfakultät der Universität Yale, die in Bussen nach Washington reisten, um gegen Brett Kavanaugh zu protestieren. Sie wollten deutlich machen, dass sie ihn für keine gute Wahl halten, den Kandidaten fürs Oberste Gericht, der vor Jahrzehnten selbst an ihrer renommierten Alma Mater studierte. In einem Bürogebäude des US-Senats wiederum versammelten sich mehrere Hundert schwarz gekleidete Demonstranten, auf deren Postern zu lesen war: "Ich glaube Christine Blasey Ford."

Schon das Vorgeplänkel lässt ahnen, was für ein Spektakel den Kapitolshügel Washingtons am Donnerstag erwartet. Dann wird Blasey Ford, eine Psychologieprofessorin aus Kalifornien, gegen Kavanaugh aussagen, gegen einen konservativen Juristen, der anstelle des ausgeschiedenen Veteranen Anthony Kennedy in den Supreme Court aufrücken soll. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Schlacht, wie sie selbst der amerikanische Kongress mit seinen tiefen politischen Gräben in solcher Härte nur selten erlebt.

Kampf vor Midterm-Wahlen

Die neun Höchstrichter werden auf Lebenszeit ernannt, eine Berufung in den illustren Kreis ist eine Weichenstellung mit Langzeitfolgen, schon das erklärt die Schärfe der Auseinandersetzung. Zudem steht die Schlacht um Kavanaugh bereits ganz im Zeichen der Midterm-Wahlen. Für die Demokraten wäre es nach langer Durststrecke ein erster Erfolg, eine Art Mutmacher mit Blick auf das Votum im November, wenn sie den Favoriten Donald Trumps ausbremsen könnten. Die Republikaner wiederum sehen es als Zeichen der Schwäche, falls es ihnen nicht gelingt, die Personalie durchzusetzen, solange sie noch die Mehrheit im Parlament bilden.

Christine Blasey Ford wiederum hat verständlicherweise eine Weile mit sich gerungen, ehe sie bereit war, in diesem Hexenkessel namens Washington auf die Bühne zu treten. Sie habe, so sagt es ihr Mann, um ihre Sicherheit gefürchtet, nachdem es Morddrohungen gegeben habe. Eine Akademikerin, die ihre Freizeit gern wellenreitend auf einem Surfbrett verbringt, das ist die Quintessenz dessen, was man über sie weiß. Ihre Forschungsarbeiten drehen sich um Depressionen im Zuge von Traumata. Um ein Trauma zu verarbeiten, deutete sie in einem Gespräch mit der "Washington Post" an, sei sie vor Jahren von der Ost- an die Westküste gezogen. Ihr ganzes Leben habe sie mit dieser Geschichte im Hinterkopf verbracht, sie habe sie verdrängt, sich ihrer Karriere gewidmet, eine Familie gegründet. Als dann aber Kavanaugh ins Rampenlicht rückte, habe sie ihr Schweigen brechen müssen.

Kavanaugh, schilderte die Psychologin, habe sie auf einer Party in einem Villenvorort Washingtons sternhagelvoll auf ein Bett geworfen, sich auf sie gelegt und versucht, ihr die Kleidung vom Leib zu ziehen – sie war 15, er 17. Vor wenigen Tagen erzählte Deborah Ramirez dem Magazin "New Yorker", Kavanaugh habe auf einer wilden Party im Studentenwohnheim der Uni Yale die Hosen heruntergelassen und seinen Penis in ihr Gesicht gereckt, sodass sie diesen gegen ihren Willen berührte, als sie ihn wegstieß.

Der beschuldigte Richter selbst bestreitet alle Vorwürfe vehement, und um sein Dementi zu bekräftigen, setzte er sich in ein Studio des konservativen Senders Fox News, wo ihm seine Frau Ashley wortreich bescheinigte, dass nichts von dem, was sie neuerdings höre, zu dem Mann passe, den sie kenne. Er selbst zeichnete das Selbstporträt eines Strebsamen, der weder in der Schule noch auf dem College Sex gehabt, geschweige denn jemanden sexuell belästigt habe. Klassenkameraden von damals beschreiben hingegen einen unsicheren Teenager, der sich regelmäßig betrank und dann leicht aggressiv werden konnte. Wobei sich die Frage stellt, was davon heute noch relevant ist.

Trump im Angriffsmodus

Nichts, findet Mitch McConnell, der Fraktionschef der Republikaner im Senat, und spricht von einer Schmierenkampagne der Demokraten. Trump, der nach anfänglicher Zurückhaltung in den für ihn typischen Angriffsmodus umschaltete, spricht sogar von "Gaunerspielchen" der Opposition – und schließt jegliches Einlenken aus.

Nach dem jetzigen Zeitplan soll der Justizausschuss schon am Freitag über Richter Kavanaugh abstimmen, nächste Woche folgt dann die Abstimmung im gesamten Senat. Während die Demokraten über ein Eilverfahren klagen, das jegliche Gründlichkeit vermissen lasse, haben sie rein rechnerisch keine Chance, es aufzuhalten. Es sei denn, in den republikanischen Reihen finden sich Abtrünnige, die sich unter dem Eindruck der Aussage Christine Blasey Fords mit ihnen verbünden. (Frank Herrmann aus Washington, 26.9.2018)