290 Milliarden Euro beträgt der öffentliche Schuldenstand.

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Wie stark werden die Staatsschulden aufgrund von Bankenpleiten und hoher Arbeitslosigkeit noch steigen? In der Wirtschafts- und Eurokrise hat diese Frage Ökonomen, Politiker und Medien in ihrem Bann gehalten. Die Krise ist inzwischen vorbei, und die gute Nachricht lautet: Österreichs Staatsverschuldung steigt nicht nur nicht weiter an, sie sinkt sogar.

Am Donnerstag hat Statistik-Austria-Direktor Konrad Pesendorfer die neuesten Zahlen präsentiert. Die Verschuldung Österreichs ist demnach im vergangenen Jahr auf 78,3 Prozent der Wirtschaftsleistung gesunken. Im Jahr davor waren es noch 83 Prozent gewesen.

Während dieser Trend bereits erwartet worden war, kam eine andere Entwicklung überraschend: Zum ersten Mal seit 1996, also seit über 20 Jahren, ist die Verschuldung auch in absoluten Zahlen gesunken. Ende 2017 beliefen sich die öffentlichen Verbindlichkeiten Österreichs auf 290 Milliarden Euro. Im Jahr davor waren es noch 296 Milliarden gewesen.

Um sinnvolle Aussagen treffen zu können, ist vor allem ein Vergleich der Verbindlichkeiten in Relation zur Wirtschaftsleistung eines Landes aussagekräftig. Je stärker die Wirtschaftskraft eines Landes ist, umso größer ist im Regelfall der finanzpolitische Spielraum des Staates, weil er im Bedarfsfall auf mehr Steuern zurückgreifen kann. Dass nun auch Österreichs absoluter Schuldenstand sinkt, ist immerhin ein Zeichen dafür, wie gut es derzeit für den öffentlichen Haushalt läuft. Aber was genau sind die Gründe dafür?

1. Die Konjunktur läuft rund

Auch wenn sich die Anzeichen zuletzt verdichtet haben, dass der Aufschwung in absehbarer Zeit zu Ende gehen wird: Noch läuft der Wirtschaftsmotor rund. Das starke Wachstum lässt die Steuereinnahmen sprudeln. Die Einkünfte des Finanzministers aus der Mehrwertsteuer, der wichtigsten Steuer nach Aufkommen, sind im vergangenen Jahr spürbar gestiegen. Mehr eingenommen hat der Staat auch aus der Lohn- und Körperschaftsteuer. Wenn mehr Menschen Arbeit haben sowie Löhne und Unternehmensgewinne dank der guten Konjunktur wieder anziehen, wie das im vergangenen Jahr der Fall war, dann schneidet auch die Finanz mit.

2. Die Bankenpakete belasten etwas weniger

Die Spätfolgen der Bankenkrise belasten die Republik nach wie vor. Ob bei der Kommunalkredit, den Volksbanken oder der Hypo: Die Steuerzahler haben die Kosten für zahlreiche Bankensanierungen und Abwicklungen umgehängt bekommen. Doch paradoxerweise sind es die Bankenhilfspakete aus der Vergangenheit, die den Schuldenstand der Republik sinken lassen.

Das geht so: Der Staat hat mehrere strauchelnde Kreditinstitute in der Krise übernommen, also mitsamt Schulden und Vermögen geschluckt. Die Regeln der europäischen Statistiker sehen vor, dass in so einem Fall dem Staat sofort der gesamte Schuldenstand der Banken umgehängt wird.

Im Lauf der Zeit aber verwertet der Staat das verbliebene Vermögen der Kreditinstitute. So werden etwa Immobilien der Banken an Investoren verkauft. Das Geld, das dabei eingenommen wird, lässt den Schuldenstand der Republik wieder sinken. Die Vermögensverwertung bei den Pleitebanken ist in den vergangenen zwei Jahren viel besser gelaufen als gedacht – und das wirkt sich positiv aus.

3. Die Zinsen sind extrem niedrig

Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt mit ihrer Niedrigzinspolitik dafür, dass Sparer keine Zinsen mehr für ihr Geld auf der Bank bekommen – diese Kritik ist in Österreich und Deutschland häufig zu hören. Weniger oft wird darauf hingewiesen, dass die EZB-Politik noch eine andere Nebenwirkung hat: Die Staaten in der Eurozone kommen deutlich billiger an Kredite heran. Davon profitiert auch Österreich kräftig. Rund 600 Millionen Euro hat sich der Finanzminister allein im vergangenen Jahr durch geringeren Zinsausgaben erspart. Da die Zahlen sich auf das vergangene Jahr beziehen, war es der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der sich 2017 über die Entwicklung freuen durfte.

4. Die Staatsausgaben stiegen nur moderat

Das Ende der Krise sorgt auch dafür, dass bestimmte Ausgaben sinken: Der Staat musste im vergangenen Jahr zum Beispiel etwas weniger Arbeitslosengeld auszahlen. Etwas spürbar geworden sind auch Maßnahmen zur Anhebung des Rentenalters in Österreich, sagt die Finanzexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts, Margit Schratzenstaller. Insgesamt hat das dazu beigetragen, dass die Ausgaben für Pensionen zuletzt "moderat" gestiegen sind. Insgesamt lagen die Ausgaben im vergangenen Jahr bei 181,8 Milliarden Euro. Im Jahr davor waren es 179 Milliarden gewesen.

Interessant ist auch ein Vergleich über die Ländergrenzen hinweg. Wie haben sich die Staatsschulden wichtiger Volkswirtschaften seit dem Jahr 2007 in Relation zur Wirtschaftsleistung entwickelt?

Die Grafik zeigt, dass die Verschuldung Österreichs im Vergleich zum Vereinigten Königreich, den USA und Frankreich deutlich langsamer gestiegen ist. Die Entwicklung war auch besser als im Schnitt anderer EU-Länder. Zuletzt deutlich vorteilhafter als in Österreich entwickelt hat sich die Verschuldungslage Deutschlands. Die Grafik zeigt auch nur die Entwicklung der vergangenen Jahre, die Verschuldung der Niederlande in Relation zur Wirtschaftskraft ist heute nach wie vor niedriger als jene Österreichs. (András Szigetvari, 27.9.2018)