In vielen Wiener Zinshäusern treten die unterschiedlichen Interessen von Mietern und Vermietern offen zutage.

Foto: Putschögl

Die Gründerzeithäuser machen Wien zu dem, was es ist. Die alten Gebäude sind bei Bewohnern aufgrund ihrer großzügigen Raumhöhen und ihrer gedeckelten Mieten beliebt. Aber auch bei Investoren, die die prunkvollen Wohnhäuser als Geldanlage nutzen. Bis zum Jahresende dürften auch heuer wieder Zinshäuser im Wert von mehr als einer Milliarde Euro den Besitzer wechseln.

An den unterschiedlichen Interessen entbrennt immer wieder eine Debatte zwischen Politik, Mietern und Vermietern, in der es um faire Mieten für beide Seiten, die Erhaltung der Häuser und damit um die Zukunft der Stadt geht. Daran arbeiteten sich vor wenigen Tagen die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion ab, die vom Maklerunternehmen Otto Immobilien organisiert und von Standard-Architekturkritiker Wojciech Czaja moderiert wurde. Ein Überblick.

  • Richtwert: In Altbauten – und das ist laut Gesetz jedes Haus, das vor 1945 errichtet wurde – sind die Mieten gedeckelt. Ohne Zu- und Abschläge liegt dieser Richtwert in Wien derzeit bei 5,58 Euro pro Quadratmeter. Manche Vermieter argumentieren allerdings, dass das zu wenig sei, um das Haus auch zu erhalten – und verlangen von ihren Mietern mehr. Eine Entwicklung der letzten Jahre macht ihnen dabei aber einen ordentlichen Strich durch die Rechnung: Denn immer mehr Mieter lassen ihren Mietzins bei der Schlichtungsstelle überprüfen – und bekommen am Ende oft eine ordentliche Summe an jahrelang zu viel bezahlter Miete zurück.

    4000 Mietverträge werden pro Jahr mittlerweile überprüft, berichtete Bernhard Jarolim von der Stadtbaudirektion bei der Podiumsdiskussion. Vor "sechs bis acht Jahren" seien es nur rund tausend Mietverträge pro Jahr gewesen. Acht bis zehn Millionen Euro Rückfluss würden so pro Jahr für Mieter generiert.

    Auch Daniel Jelitzka von JP Immobilien kennt diese Problematik. Er glaubt allerdings an Lösungen in Form von Vergleichen mit den Mietern. Man müsse als Eigentümer heute auf die Menschen zugehen – und Mieter seien auch bereit, für bessere Qualität mehr zu bezahlen.

  • Lagezuschläge: Wer in einem Altbau wohnt, der bezahlt in vielen Fällen nicht nur den erwähnten Richtwert, sondern, je nachdem, wo sich das Haus befindet, unter Umständen auch einen Lagezuschlag. Da gibt es derzeit aber einiges an Unsicherheit, wie sich auch auf dem Podium zeigte.

    Der Hintergrund: Nach einem OGH-Entscheid vom Jänner hat die Stadt Wien erst vor wenigen Tagen eine neue Lagezuschlagskarte präsentiert. In manchen Grätzeln in Gürtelnähe, etwa im 7. Bezirk, sieht die Karte nun keinen Lagezuschlag mehr vor. Bei Hauseigentümern sorgt das für Aufregung.

    "Dass das nicht wirklich die echten Werte widerspiegelt, wissen wir alle", sagte auch Bernhard Jarolim von der Stadt Wien. Die neue Lagezuschlagskarte sei eine Annäherung; Jarolim geht davon aus, dass es weitere OGH-Urteile wird geben müssen.Bei JP Immobilien werde bei Neuvermietungen nun immer ein Gutachten beauftragt, um Rechtssicherheit zu erlangen, berichtete Jelitzka.

    Was sogar unter den Diskutanten auf dem Podium für Überraschung sorgte: Die neue Lagezuschlagskarte gilt auch für bestehende Mietverträge – bei unbefristeten Mietverträgen rückwirkend auf drei Jahre, bei befristeten auf zehn Jahre. Als Resultat werden in der Branche noch mehr Verfahren wegen vermeintlich zu viel bezahlter Miete erwartet.

  • Abbrüche: Im Mai und Juni wurden in Wien so viele alte Häuser abgerissen wie noch nie – sehr zum Entsetzen von Anrainern und Politik. Der Hintergrund: Eine Novelle der Wiener Bauordnung wurde auf den 1. Juli vorgezogen. Für den Abbruch von Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, braucht es fortan eine Bewilligung der MA 19.

    50 laufende – und zuvor legale – Abbrüche wurden mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingestellt, 22 Objekte wurden nach einer Begutachtung als erhaltungswürdig eingestuft. Diese Baustellen stehen nach wie vor still. Die Fälle liegen nun beim Verwaltungsgericht, so Gerhard Cech, Leiter der Baupolizei (MA 37).

    Auch Immobilienentwickler Jelitzka hatte mit der Gesetzesänderung "eine bittere Pille zu schlucken", wie er sagte: Ein noch vor 1. Juli gekauftes Haus, das einem Neubau weichen sollte, darf er nun nicht mehr abreißen. Einem kleineren Unternehmen könne eine solche Gesetzesänderung schon "das Genick brechen", meinte Andrea Purkl vom Entwickler Wertinvest, der sich auf die Revitalisierung von Zinshäusern spezialisiert hat.

    Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien, sieht aktuell noch keine Auswirkungen auf die Preise von Zinshäusern durch die Gesetzesänderung, allerdings würden zur Thematik viele Gespräche geführt. "Wir beobachten, dass sich viele Profis auf die neue Situation eingestellt haben", urteilte Richard Buxbaum, Wohnimmobilienexperte bei Otto Immobilien. Und er schlussfolgerte: "Das Ziel, die Häuser zu erhalten, wurde sehr schnell erreicht."

  • Mietrecht: Wie die Zukunft der Wiener Zinshäuser ausschaut, hängt für viele davon ab, wie das Mietrecht künftig gestaltet sein wird. Die aktuelle Regierung hat diesbezüglich einen großen Wurf angekündigt, an einer Reform der unübersichtlichen Gesetzesmaterie hat sich aber auch schon die Vorgängerregierung wiederholt die Zähne ausgebissen.

    Bernhard Jarolim von der Stadt Wien wünscht sich Rechtssicherheit für alle beteiligten Player: "Ich glaube, dass es nur ein haltbares Mietrecht geben wird, wenn ein großes Ganzes gesehen wird." Auch Eugen Otto forderte Anreize, um in die bestehende Substanz zu investieren – nicht nur, was das Mietrecht angeht, sondern auch bezüglich Steuer- und Baurecht. Allerdings glaubt er nicht, dass ein komplett neues Mietrecht möglich ist, "weil die Standpunkte viel zu verschieden sind".

    Auch Andrea Purkl wünscht sich beim Mietrecht "eine Anpassung an die Gegebenheiten". Oft werde es so dargestellt, als sei der Zinshausinvestor der Böse. "Aber die Häuser, wie man sie heute kennt, würden ohne Zinshausinvestoren nicht mehr dastehen", ist sie überzeugt. Das aktuelle Mietrecht mache es Investoren aber schwierig, sie als "Schmuckkästchen" zu erhalten.

    Ein Resultat der aktuellen Situation: Immer mehr Häuser werden laut Purkl ins Eigentum überführt – und gehen für den Mietmarkt verloren. "Und ein solches Haus wurde dann auch zum letzten Mal kernsaniert", so Purkl, denn 20 Eigentümer könnten sich nie wieder auf eine umfassende Sanierung einigen. "Und langfristig zerstört man damit das Stadtbild." (Franziska Zoidl, 28.9.2018)