Goran Djuricin hielt wochenlang immensem Druck von Seiten der Fans stand, am Samstagabend entschied sich die Rapid-Führung dann für ein Ende der Zusammenarbeit.

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Wien – Goran Djuricin ist nicht mehr Trainer des SK Rapid. Der 43-Jährige wurde am Samstag unmittelbar nach der 0:2-Heimniederlage gegen den SKN St. Pölten freigestellt. Die Misserfolge in der Fußball-Bundesliga, in der Grün-Weiß mit neun Punkten nur auf Platz sieben liegt, gepaart mit Fan-Protesten zwangen Sport-Geschäftsführer Fredy Bickel zum Handeln.

"Es ist ein Teufelskreis, der irgendwo begonnen hat und sich immer schneller gedreht hat. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ihn zu unterbrechen", erklärte der Schweizer. "Jetzt ist das Wohl der Mannschaft und des Vereins das Wichtigste. Wir müssen mit diesem Schritt versuchen, die Spirale zu stoppen." Dies sei der richtige Schritt, auch wenn er ihm schwer falle, ergänzte Bickel.

Nachfolger von Canadi

Djuricin hatte die damals in Abstiegsgefahr schwebenden Hütteldorfer im April 2017 als Nachfolger von Damir Canadi übernommen und auf Endrang fünf sowie ins Cupfinale geführt. In der Vorsaison reichte es zu Platz drei, in diesem Sommer gelang der Einzug in die Europa-League-Gruppenphase, was allerdings die Misere auf nationaler Ebene nicht aufwiegen konnte.

Seit Wochen forderte die organisierte Fanszene Djuricins Rauswurf, die Situation eskalierte am vergangenen Mittwoch beim mühevollen Cup-Aufstieg in Mattersburg durch umstrittene Gesten des 43-Jährigen zusätzlich. Bei der Niederlage gegen St. Pölten hingegen war beim grün-weißen Anhang nicht Wut, sondern Resignation die vorherrschende Emotion.

Die desolate Rapid-Leistung gegen die Niederösterreicher brachte schließlich das Fass zum Überlaufen. "Die Mannschaft hatte ein Problem, mit der Situation umzugehen. Sie konnte nicht wegstecken, was in den letzten Wochen alles auf uns eingeprasselt ist", sagte Bickel.

Befreiungsschlag verpasst

Dabei hatte der Sport-Geschäftsführer nach dem Erfolg in der Europa League gegen Spartak Moskau und dem Cupsieg gegen Mattersburg noch mit einer Trendwende spekuliert. "Ich habe ehrlich gehofft, das könnte der Befreiungsschlag gewesen sein, aber heute hat man gesehen, dass es nicht so war. Ich hatte das Gefühl, dass wir Rucksäcke tragen, ganze Koffer auf den Platz mitschleppen."

Die Last war schließlich zu groß – auch für Djuricin, der offenbar schon beim Schlusspfiff wusste, was es geschlagen hatte. Seine Umarmungen der Spieler hatten den Charakter eines bevorstehenden Abschieds. Unmittelbar danach wurde der Coach in der Kabine von Bickel über die Trennung informiert und gab sich dabei laut dem Sportchef gefasst. "Er hatte völliges Verständnis dafür, dass jetzt etwas passieren muss."

Bickel machte deutlich, dass ihm die Freistellung Djuricins wehtat. "Ich glaube, auch wenn das andere nicht so sehen, dass er die Mannschaft und auch Spieler weitergebracht hat", sagte der Schweizer und nannte in diesem Zusammenhang Richard Strebinger, Thomas Murg und Mert Müldür.

Als gescheitert dürfe man Djuricin keinesfalls sehen – allein schon deshalb, weil er die jüngsten Ereignisse laut Bickel relativ gut wegsteckte. "Ich habe größte Bewunderung dafür, wie er die letzten Wochen überstanden hat und mit wie viel Energie er immer vor der Mannschaft gestanden ist." Allerdings merkte der 53-Jährige auch an: "Es ist gut für ihn als Menschen, dass er von diesem Druck erlöst wurde."

Dass Djuricin von Bickel vom Interimscoach zur langfristigen Lösung gemacht wurde, sieht der Schweizer nicht als Fehler. Er mache sich lediglich den Vorwurf, Djuricin durch die Verlängerung zu viel Druck auferlegt zu haben. Die Verlängerung an sich bereut der Sportchef nicht.

Ein Grund für Djuricins Ablöse sei die Vorgabe gewesen, im Sommer das Hauptaugenmerk auf den Europacup und nicht auf die Meisterschaft zu legen. Dadurch musste der Coach in der Liga oft Stammkräfte schonen. Zudem fielen einige Leistungsträger verletzt aus. "Er hat das Ziel Europa-League-Gruppenphase großartig mitgetragen, nicht auf sich selbst geschaut und alles für den Verein und die Mannschaft getan."

Nachfolger gesucht

In Abwesenheit von Djuricin, der sich nicht öffentlich äußern wollte, leiten am Sonntag dessen Assistenten Martin Bernhard und Thomas Hickersberger das Training. Am Montagabend steht eine Präsidiumssitzung an, am Dienstag könnte es Neuigkeiten zum Trainerthema geben.

Wer der neue Coach werden soll, ließ Bickel naturgemäß offen. "Ich lasse mich nicht auf Spekulationen ein." In puncto Anforderungsprofil habe er klare Vorstellungen, "die möchte ich aber zuerst mit dem Präsidium besprechen". Es gehe darum, für die "intelligente und sensible Mannschaft" den richtigen Trainer zu finden. Außerdem werde darauf geachtet, dass der Djuricin-Nachfolger "mit der speziellen Situation hier in Wien umgehen kann", so Bickel.

Für Sky-Experten Alfred Tatar war die Zeit nun reif zu handeln: "Von der Mannschaft gab es keine Reaktion. Heute hätte man einen Befreiungsschlag benötigt, aber die Körpersprache hat gezeigt, es geht nicht mehr weiter. Das Entscheidende ist, was die Mannschaft ausstrahlt. Fredy Bickel hat erkannt, dass jetzt dieser Moment ist."

Tatar-Kritik an Fans

Der 55-jährige "Trainer-Philosoph" übte zudem Kritik an jenen Rapid-Fans, die zuletzt für viel Unruhe bei den Grün-Weißen gesorgt hatten: "Diese Leute besudeln den Rapid-Geist. Der Rapid-Geist bedeutet: Gemeinsam kämpfen. Was sie tun, ist dagegen kämpfen. Allerdings möchte ich Herrn Krammer nicht von Schuld freisprechen. Er hätte die Leute, die das herangezüchtet haben, viel früher zurückpfeifen sollen."

Stefan Schwab bedauert die Entlassung Djuricins und gestand, dem Druck nicht mehr gewachsen gewesen zu sein. "Wir haben probiert, wir haben alles gegeben, aber man hat einfach gesehen: es geht nicht. Die Schleife ist immer enger geworden und wir haben dem Druck heute absolut nicht mehr Stand halten können. Es tut mir leid um den Trainer, er hat alles reingehauen, er ist mit uns immer gut umgegangen. Es war nicht mehr menschlich, was rundherum passiert ist", sagte der Rapid-Kapitän, der einen Appell an die Rapid-Familie richtete: "Wir haben jetzt in viereinhalb Jahren vier Trainer verbraucht. Deshalb: Null Vorwurf an den Trainer, sondern da muss sich jeder einzelne im Verein – und ich meine wirklich im Verein – an der Nase nehmen", so Schwab. (APA, red, 29.9.2018)