Ein Arzt am AKH dürfte dutzende OP-Berichte gefälscht haben.

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Wien – Die Arbeit eines Arztes am Wiener AKH wird derzeit von einer Kommission der Medizinischen Universität Wien untersucht. Der Vorwurf: Der hochrangige Chirurg soll Operationsprotokolle gefälscht haben.

Begonnen hat alles mit einem anonymen Schreiben an die Patientenanwaltschaft. Der Chirurg stünde auf Operationsprotokollen des Krankenhauses als Hauptoperateur, heißt es darin, obwohl er "den Operationsraum nie betreten" habe. Das zeige sich etwa im Vergleich mit den Protokollen des Pflegepersonals. Dort war ein anderer Chirurg als erster Operateur eingetragen. Als die Operationen durchgeführt wurden, habe der Arzt zudem gleichzeitig andere Patienten in einer nahegelegenen Privatklinik operiert. Dem Brief beigelegt waren vier Fälle, die zeitliche Überschneidung belegen.

Die Patientenanwaltschaft wurde aktiv und meldete den Fall an die Staatsanwaltschaft. Herausgekommen ist dabei nichts. Gleichzeitig wurde der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) informiert. Ende Juli erging ein Zwischenbericht der internen Revision des KAV an den Rektor der Medizin-Uni, Markus Müller, der eine Sonderkommission mit externen Experten eingesetzt hat. Die Kommission wird in den kommenden Tagen ihren Bericht vorlegen, wie Müller bestätigt.

Dutzende Fälle

Geprüft wurde der Zeitraum eines Jahres. Es handle sich um "mehrere Dutzend Fälle", bei denen der Arzt als Operateur eingetragen ist, aber nicht operiert hat, sagt Müller dem STANDARD. "Das ist ein grober Verstoß gegen die Spielregeln", sagt Müller, der als Rektor der Medizin-Uni für das Personal am AKH zuständig ist. "Das muss Konsequenzen haben. Da reicht es nicht, das anzusprechen und dann zur Tagesordnung überzugehen." Es sei ein Problem, dessen Dimension größer ist und einen "riesigen Schaden für das Haus" bedeuten könnte.

Im Gespräch mit der "Presse" erklärt der betroffene Arzt den Umstand, dass sein Name auf den Protokollen stehe, so: Er habe die Operation im elektronischen System angemeldet. Wenn er dann bei der Operation nicht dabei ist, müsste das Personal den Namen ändern. "Das ist in einigen Fällen unterblieben."

Ein Fehler im System? Nein, das könne nicht vorkommen, sagt ein Leiter einer chirurgischen Abteilung in Wien. Selbst wenn ein Arzt eine Operation eingetragen hat, muss er nachher den Bericht protokollieren, und der Hauptoperateur wird im Nachhinein neu auf das Dokument geschrieben. Er spricht von "Täuschung" der Patienten.

Kein Systemfehler

Auch Müller bestätigt, dass es sich hier um kein Systemproblem handelt. "Wir hatten die Sorge, dass es hier ein generelles Problem bei der Dokumentation geben könnte", sagt er. In der Kommission wurde darum untersucht, ob sich Unstimmigkeiten zwischen OP-Bericht und OP-Pflegeprotokoll auch bei anderen Operateuren fanden. Dies war nicht ein einziges Mal der Fall. "Dieses Muster tritt nur bei der einen Person auf", sagt Müller. Und das "offensichtlich seit mehreren Jahren".

Die Kommission der Medizin-Uni prüft auch, wer außer dem Arzt sonst noch schuldhaft gehandelt hat. Schließlich wurden die Operationen ja alle durchgeführt – allerdings von jemandem anderen, der wusste, dass der Name des Arztes zu Unrecht auf dem Protokoll steht. Bei den überprüften falschen Protokollen handelt es sich immer um das gleiche Team an Ärzten, die den Schwindel mitgemacht haben. "Es ist nicht klar, warum sie das gemacht haben, ob es etwa eine Anweisung war", sagt Müller.

Motiv unklar

Auch das Warum des Arztes ist noch ungeklärt. Spekuliert wird, dass der hochrangige Chirurg ein finanzielles Motiv hatte und durch die doppelten Operationen auch doppelt entlohnt wurde. Aber auch, dass er seinen Operationskatalog so aufgebessert hat. "All diese Gründe sind momentan denkbar", sagt Müller. Die Kommission versuche aber, auch diese Frage zu beantworten. Eine weitere Frage, die noch zu beantworten ist, ist, ob die Patientinnen – es handelt sich vor allem um Operationen auf der Mammachirurgie – darüber informiert wurden, dass ein anderer Arzt sie operiert hat. (Oona Kroisleitner, 30.9.2018)