Insgesamt 1,5 Milliarden Aufrufe erreichten die Videos auf der öffentlich-rechtlichen Plattform "Funk".

Foto: Funk/Stephan Hoederath

Florian Hager (44) ist Programmgeschäftsführer von "Funk".

Foto: Funk

Im öffentlich-rechtlichen Rund funk gibt es ein gefürchtetes Wort: Generationenabriss. Es bedeutet, dass junge Menschen kein öffentlich-rechtliches Fernsehen mehr schauen. Der Zuschauer von ARD und ZDF ist durchschnittlich 60 Jahre alt – und wird älter. Fast genau zwei Jahre ist es her, dass die beiden Sender anfingen, jährlich 45 Millionen Euro zu investieren, um diesen Trend umzukehren.

"Funk" heißt das Projekt, mit dem die Öffentlich-Rechtlichen ihre Jugend zurückgewinnen wollen. Die Besonderheit: Was auf Funk läuft, war nie im Fernsehen zu sehen – es ist also das Gegenteil von den klassischen Online-Mediatheken, wie sie die meisten Sender haben. "Wir haben uns den Namen 'Content-Netzwerk' gegeben, was natürlich irgendwie Bullshit-Bingo ist", sagt Programmgeschäftsführer Florian Hager im STANDARD-Interview. "Aber es ist der Versuch darzustellen, dass wir ganz viele Einzelmarken haben, die untereinander vernetzt sind."

Zielgruppe vom Pickel bis zum Hausbau

Diese Marken, das sind inzwischen 60 Kanäle mit 120 Formaten in den drei Überkategorien "Informieren", "Orientieren" und "Unterhalten". Darunter etwa die Reportageformate Y-Kollektiv oder STRG_F, der Sportsatirekanal Wumms! sowie selbstproduzierte Serien wie Druck oder Wishlist. Teilweise wurden auch bestehende Youtube-Channels übernommen.

Warum so viele Kanäle? "Weil es unmöglich ist, alle Zielgruppen mit einem einzigen Kanal zu er reichen." Das wäre die alte Fernsehlogik.

Zwischen 14 und 29 Jahre alt sind die Menschen, die Funk erreichen will, eine "sehr diverse Zielgruppe", wie Hager sagt. "Das wäre ja vom ersten Pickel bis zum Hausbau!" Die Lebensrealität eines 14-Jährigen habe nichts mit der eines 29-Jährigen zu tun, deshalb habe man die Zielgruppe noch einmal gesplittet. Besonders schwierig zugänglich seien die 14 bis 16-jährigen männlichen Jugendlichen. Die seien "stark in dieser Let's-play-Gamingwelt drinnen", wo man als öffentlich-rechtlicher Sender nur schwer einen Fuß hineinsetzen könnte.

Alle Videos gibt es zwar auch auf der eigenen Plattform funk.net, aber auch auf Youtube, Facebook, Instagram und Snapchat – ein Gegensatz zum ORF, der im April bekanntgegeben hatte, seine Auftritte auf Facebook massiv zu reduzieren. Ein Youtube-Kanal ist dem ORF sogar gesetzlich verboten. Die Kritik, dass man amerikanische Plattformen damit mit Gebührengeldern fördere, gebe es auch in Deutschland, wo den Öffentlich-Rechtlichen gesetzlich mehr erlaubt ist.

Kaum Alternativen

Die Kritik sei "irgendwo berechtigt", meint Hager. "Aber der einzige Auftrag, den ich hier umsetzen muss, ist es, 14- bis 29-Jährige mit öffentlich-rechtlichen Inhalten zu erreichen." Er sei "ein glühender Verfechter der These, dass die Öffentlich-Rechtlichen dorthin gehen müssen, wo die Meinungsbildung und die Diskussion um gesellschaftlich relevante Themen stattfindet". Und das seien eben momentan die sozialen Medien. Die Alternative wäre, "auf der grünen Wiese eine eigene App aufzubauen und mit Inhalten vollzustopfen, die danach keiner sieht".

Eines hat Funk mit linearem Fernsehen gemeinsam. Hauptbenchmark für den Erfolg sind die Videoaufrufe. Im zweiten Quartal 2018 generierten alle Formate zusammen 163 Millionen Aufrufe auf Youtube und 64 Millionen Views auf Facebook – fast eine Verdopplung im Vergleich zum zweiten Quartal 2017. Der Programmgeschäftsführer ist zufrieden. "Aufs Jahr hochgerechnet ist das eine Zahl, die uns stolz macht." (Philip Pramer, 1.10.2018)