Oft bleibt die Eigentums-Immobilie lediglich ein Wunschtraum.

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Haben oder Sein – der Titel des populären gesellschaftskritischen Werks des Sozialpsychologen Erich Fromm hätte als Fußnote zur Frage "Kaufen oder Mieten?" gepasst, der sich das 62. STANDARD-Wohnsymposium vergangene Woche widmete: Denn die Diskussion spannte sich von den psychologischen Motiven über ökonomische Beweggründe bis hin zu rechtlichen Bedingungen von Miete oder Eigentum.

Land der Mieter

Österreich ist ein traditionelles Mietland, vor allem in der Stadt. Die türkis-blaue Bundesregierung hat jedoch dezidiert in ihr Regierungsprogramm hineingeschrieben, dass sie das Eigentum fördern möchte.

Diese Lebensentscheidung zwischen Angebot, Ideologie und Rentabilität beleuchtete die Expertenrunde in der Aula des Evangelischen Realgymnasiums Donaustadt – an einem Ort, dessen derzeitigen Nutzern das Dilemma noch bevorsteht, sofern sie überhaupt einmal eine Wahl haben.

Lebensziel Immobilie

Eine eindeutige Antwort, ob Mieten oder Kaufen richtig ist, fanden die Teilnehmer des vom Fachmagazin "Wohnen Plus" mitorganisierten Symposiums nicht – ganz so, wie es Eröffnungsredner Michael Chalupka (Diakonie Bildung) voraussagte.

Gleich zu Beginn stellte Motivforscherin Sophie Karmasin klar, dass sich 85 Prozent der Menschen eine eigene Immobilie zum erklärten Lebensziel machen. Eine hohe Zahl vor dem Hintergrund der Realität, in der mindestens 43 Prozent der Österreicher Mieter sind, in Wien 78 Prozent.

Der Grund für die Diskrepanz: "Wir entscheiden nicht rational, wir entscheiden zu 95 Prozent intuitiv", fand Karmasin erklärende Worte. Für viele sei das also ein reiner Wunsch, bei dem Prestige und finanzielle Vorsorge mitspielten – alles vor dem Hintergrund, dass heute schon suggeriert werde, für die nächsten 30 Jahre einen Kredit zurückzuzahlen sei normal. "Da ist ja eine Industrie dahinter", so die ehemalige ÖVP-Familienministerin.

Keine Wahl

Zum Thema Entscheidung gab Ökonomin Elisabeth Springler zu bedenken, ob man überhaupt frei entscheiden kann oder durch wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen beschränkt ist: "Bin ich nur frei, wenn ich Vermögen akkumuliere oder weil ich alle zehn Jahre eine neue Lebenssituation eingehen kann und immer wieder einen adäquaten Mietwohnraum finde?"

Viele Menschen hätten gar keine Wahl. Aus finanziellen Gründen bleibe vielen nur die Miete, war auf dem Symposium immer wieder zu hören. Laut Michael Gehbauer, Chef der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte WBV-GPA, können nur die "obersten 25 Prozent" tausend Euro pro Monat fürs Wohnen aufbringen, das monatliche Pro-Kopf-Medianeinkommen liege in Österreich bei 2160 Euro brutto (1700 netto).

Gemeinnütziges Eigentum

Sollte man in der glücklichen Lage sein, doch entscheiden zu können, gab Rechtsanwalt Michael Rudnigger einige praktische Tipps: "Ein Mieter muss sich im Normalfall nicht an den Erhaltungskosten eines Hauses beteiligen. Die Betriebskosten, die der Mieter neben dem Hauptmietzins zahlen muss, sind hingegen genau festgelegt." Auch AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka warnte in diesem Zusammenhang davor, dass viele Käufer die Nebenkosten falsch einschätzen.

Dass sich immer weniger Menschen am freien Markt eine Wohnung kaufen können, bekrittelte WBV-GPA-Chef Gehbauer. Er trat dafür ein, möglichst viel Wohnraum im Bestand der Gemeinnützigen zu erhalten, zumal diese unbefristet vermieten, was am freien Markt immer seltener wird. "Aus der derzeit verpflichtenden Kaufoption soll eine freiwillige werden." Aufgrund des Zwangs habe man von 9500 Wohnungen schon 251 verkaufen müssen. Das sei schade, es reduziere den sozialen Rückhalt der Wohnversorgung.

Abbau von Hürden

Anders sah das Kollegin Martina Haas von der GWS Alpenländische in der Steiermark, die auf den Bau von Eigentum im geförderten Wohnbau setzt: "Menschen soll Eigentumserwerb leichter gemacht werden", sagte Haas und sprach damit Hürden wie Eigenmittel, Einkommensgrenzen in der Wohnbauförderung und Bonitätsprüfungen an.

SPÖ-Wohnsprecherin Ruth Becher (SPÖ) setzte sich mehr für einen stärkeren Mietsektor ein: "In industrialisierten Ländern trägt das zur Kaufkraft bei. Außerdem macht Mieten flexibler." Ihr ÖVP-Kollege Johann Singer verteidigte hingegen das Eigentum: "Es ist Teil der Selbstständigkeit und der Altersvorsorge."

Darauf, dass das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ nicht rein eigentumslastig sei, verwies der Immobilien-Sachverständige Thomas N. Malloth, man bekenne sich auch zur Gemeinnützigkeit. "Aber nicht jeder Gemeinnützige sollte sich eine gewerbliche Tochter schaffen und nicht jeder Gewerbliche eine Gemeinnützige kaufen oder Anteile daran", sprach er die jüngste Causa an. (Marietta Adenberger, 4.10.2018)