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Was fürs Mieten spricht

Mieten bietet Flexibilität, hat weniger Rechtsrisiken und ist derzeit günstiger als Kaufen. Eine hohe Mietquote mache auch die Wirtschaft stabiler, sagen Experten.

Rein formaljuristisch betrachtet wäre das Statement von Rechtsanwalt Michael Rudnigger in der Expertenrunde des Wohnsymposiums recht kurz gewesen: "Wenn man kauft, ist man Eigentümer, und Eigentum ist so ziemlich das stärkste Recht." Der Mieter leitet sein Recht letztlich nur vom Mietvertrag ab.

Doch in der juristischen Praxis sei das nicht mehr so eindeutig, wie der Wohn- und Immobilienrechtsexperte betonte. Rechtlich gebe es überraschend viele Punkte, die eher fürs Mieten sprechen, und auch aus ökonomischen Überlegungen heraus habe das Mieten einiges für sich.

"Das Wohneigentum eines überschuldeten Unternehmers könnte im Insolvenzverfahren verwertet werden, an klassischen Mietwohnungen sind Masseverwalter hingegen nicht so interessiert", schilderte Rudnigger. Dazu komme, dass der Erwerb einer Immobilie zudem eine Insolvenz überhaupt erst auslösen kann: Stichwort Finanzkrise. Auch der vorherrschende Irrglaube, dass Eigentümer leichter etwas in der Wohnungen ändern können, sei so nicht richtig. "Im Gegenteil, ich muss als Eigentümer alle anderen fragen, etwa wenn ich eine Klimaanlage einbauen will", so Rudnigger. Sinnvolle Änderungen auf Mieterseite würden oft sogar schneller und formloser genehmigt werden, der Mieter habe nur die Hausverwaltung und den Vermieter als Gegenüber.

Psychologisch spricht klar fürs Mieten, dass sich vor allem junge Leute nicht mit Eigentum belasten wollen. "Die Menschen wollen in der Partnerschaft, im Beruf und der Immobilie entscheidungsfähig bleiben, das Wohnen auf die eigenen Bedürfnisse anpassen können", sagte Motivforscherin Sophie Karmasin. Dies sei vor allem im urbanen Raum zu sehen.

Sinkende Zinsen, aber auch steigende Preise

Auch aus ökonomischer Sicht spricht einiges fürs Mieten. Die Niedrigzinsen seit der Finanzkrise geben zwar mehr Anreiz für Schulden als fürs Sparen – und damit auch fürs Kaufen. Doch die Ökonomin Elisabeth Springler von der FH des BFI Wien betont, dass das billige Geld auch die Preise für Eigentum in die Höhe treibe. Finanzinvestoren würden den Trend weiter verstärken. "Daher ist die Frage, ob kaufen oder mieten, weit mehr als nur die mikroökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung, ob sich der Einzelne Eigentum leisten kann", gab Springler zu bedenken.

Aus makroökonomischer Sicht vertrat AK-Experte Walter Rosifka die Meinung, dass eine hohe Mietquote wichtig für die Wirtschaftskraft eines Landes sei. "Mieten bringt mehr Konsum, flexiblere Arbeitskräfte etc., das ist keine sozialistische Verschwörung." Er appellierte an die Politik, Mieten nicht so "unattraktiv und unsicher" zu machen.

Für den Erhalt möglichst vieler leistbarer Mietwohnungen im Bestand der Gemeinnützigen sprach sich auch Michael Gehbauer, Chef der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA), aus. Er sieht Mieten als die derzeit vernünftigere Variante: "Die Preise für Mieten in Wien sind in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen, die Kaufpreise um 60 Prozent." Das zeige auch der sogenannte Mietkaufindikator, der Auskunft darüber gibt, wie rasch der Kaufpreis durch die Miete refinanziert wird: Bei einer Rückzahlung innerhalb von 20 Jahren sei hier derzeit der Kauf im Vorteil ist, bei einer längeren Zeitspanne die Miete. (adem)

Was fürs Kaufen spricht

Die Menschen wünschen sich Eigentum und sind glücklicher, wenn sie ihre Wohnung besitzen. Auch die Demokratie werde dadurch gestärkt, sagt ein Experte.

Das Eigenheim ist für mehr als drei Viertel der Österreicher ein Lebensziel, ein Wunsch. Motive, die für einen Kauf sprechen, nennt Motivforscherin Sophie Karmasin: "Macht durch Besitz, Verwurzelung, Prestige, die Sicherheit von Grund und Boden, die Hoffnung, ausgesorgt zu haben, wenn die Wohnung abbezahlt ist, sowie der Wunsch, den Kindern etwas vererben zu können." Aus psychologischer Sicht spricht viel für Eigentum – ebenso der ökonomische Gedanke, eine gute Rendite zu erzielen.

Dass Kaufen nicht nur die Akkumulierung von Vermögen für den Einzelnen ist, sondern auch ein Regierungssystem beeinflusst, darauf machte ein führender Immobiliensachverständiger aufmerksam: "Eigentum hat eine stabilisierende Komponente, ohne den Schutz des Eigentums würde eine Demokratie in der Form, in der wir sie haben, wahrscheinlich nicht funktionieren", begründet Thomas Malloth den Zugang zu dem Thema im Regierungsprogramm, an dem er mitgearbeitet hat. Der Staat könne nicht mehr alles schaffen, auch die Zivilgesellschaft müsse etwas leisten.

Malloth sieht sich zudem als Verfechter einer doppelgleisigen Subjekt- und Objektförderung: "Städte wie Prag, Madrid oder London zeigen, dass Produktion die einzig mögliche Form ist, Preise zu senken." So sei im städtischen Bereich die Nachverdichtung besonders wichtig: "Es gibt in Wien etwa eine Million Quadratmeter an ausbaubarem Dachgeschoß. Würden daraus aus technischen Gründen nur 700.000 Quadratmeter, würden wir dennoch allein in Wien drei Milliarden volkswirtschaftliches Vermögen plus Multiplikatoren am Arbeitsmarkt auslösen."

Keine tolle Architektur, aber günstig und gut

Eigentumswohnungen im gemeinnützigen Sektor forciert Martina Haas, Geschäftsführerin der GWS Alpenländische Gesellschaft für Wohnungsbau Graz, weil sie eine Lücke im Angebot sieht: "Die echte leistbare Familienwohnung ist nicht am Markt. Bei einem unserer Projekte mitten in Graz haben wir aufgrund der großen Nachfrage Zweizimmerwohnungen zusammengelegt."

Bei den günstigeren Eigentumsprojekten liegen die Grundstücke außerhalb von Graz, sie seien zwar keine architektonischen Highlights – etwa mit einer Fensterlinie und vorgestellten Balkonen –, aber so schaffe man es, eine 48 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung um 96.000 Euro inklusive Tiefgaragenstellplatz anzubieten. Innerhalb kürzester Zeit seien 70 Starter-Wohnungen für Junge verkauft gewesen. "Wir bauen auch Mietwohnungen mit Kaufoption, mit der Erfahrung, dass sie gekauft werden. Wenn ich ehemalige Mieter besuche, sind sie froh über ihre Entscheidung. Es ist doch schön, wenn sich das manche verwirklichen können", so Haas.

Kritik daran übt Sachverständiger Malloth: "Es ist nicht die primäre Aufgabe von Gemeinnützigen, die von der Körperschaftssteuer befreit sind, Eigentumswohnungen zu bauen."

Einen juristischen Vorteil des Eigentums sieht Anwalt Michael Rudnigger: Obwohl das Mietrecht gut gegen Wohnungsverlust schütze, könne der Mietvertrag dennoch bei Mietrückständen oder Verhaltensproblemen beendet werden. "Das kommt beim Eigentümer so gut wie gar nicht vor", so Rudnigger; die Ausschlussklage sei totes Recht. Nur bei Verschuldung könne Eigentum weggenommen werden. (adem)