Wolfgang Taucher, Leiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, sieht in der Anzeige keine Einschüchterung. Christoph Riedl, Rechtsexperte der Diakonie, habe mit seinen Aussagen über die Behörde Grenzen überschritten.

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Wien – Die Affäre um eine Anzeige des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Rechtsexperten der Diakonie, Christoph Riedl, geht in eine neue Runde. Nun prüft Riedls Rechtsanwalt Michael Pilz eine Anzeige gegen BFA-Leiter Wolfgang Taucher. Dieser solle künftig unterlassen, Riedl vorzuwerfen, im Rahmen seiner Kritik dem BFA Amtsmissbrauch vorgeworfen zu haben, sagte Pilz dem STANDARD.

Begonnen hatte der mit juristischen Mitteln ausgetragene Konflikt mit Kritik Riedls an den BFA-Entscheidungen über afghanische Asylwerber im April im "Kurier". Die hohe Quote negativer Bescheide bei Afghanen sei "falsch und politisch motiviert", sagte er. Nicht ohne Grund würden 42 Prozent dieser Asylablehnungen in der Berufung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wieder aufgehoben. Die Qualität der Bescheide kommentierte er so: "Wenn man würfeln würde, wären die Entscheidungen richtiger."

Bisher unübliches Vorgehen

Daraufhin erhob das BFA gegen den Diakonie-Mitarbeiter Anzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung – ein Schritt, der bisher auch angesichts des vielfach gespannten Verhältnisses zwischen Asylbehörde und NGO-Flüchtlingsberatern nicht üblich war.

Diese Anzeige wurde vor wenigen Tagen von der Staatsanwaltschaft Wien niedergeschlagen, was bei BFA-Leiter Taucher auf Widerspruch stieß. Riedl habe mit seiner Kritik "eine Grenze überschritten", sagte er in einem weiteren "Kurier"-Artikel: "Es geht hier nicht um normale sachliche Kritik. Es geht um den Vorwurf des Amtsmissbrauches. Als Behördenleiter kann ich nicht darüber hinwegsehen"

Ins Strafrechtliche verlagert

Mit dem Vorwurf, Riedl habe dem BFA Amtsmissbrauch vorgeworfen, habe sich der Konflikt ins Strafrechtliche verlagert, heißt es dazu bei dessen Rechtsvertretung. Das sei als "Verleumdungsversuch" des Diakonie-Juristen zu werten, sagt Anwalt Pilz. Eine Anzeige gegen Taucher wegen Unterlassung sei in Vorbereitung.

Am Dienstag hatte das Publikwerden der Anzeige gegen Riedl für Aufsehen gesorgt. "Zuletzt wurde die Pressefreiheit angegriffen, nun folgt die Meinungsfreiheit von Bürgern, deren Aussagen dem Innenministerium nicht gefallen", sagte etwa Stefanie Krisper von den Neos.

Erinnerung an BMI-Mail

Vor knapp zwei Wochen sorgte bekanntlich eine Mail aus dem Innenministerium für Aufsehen, wonach Landespolizeistellen "kritischen Medien" – darunter DER STANDARD und der "Kurier" – nur noch die notwendigsten Infos zukommen lassen sollen. Das BFA ist dem Innenministerium zugeordnet.

Nicht nur die Neos kritisieren das Vorgehen der Behörde. Alma Zadić, Sprecherin der Liste Pilz für innere Sicherheit, bezeichnet die Anzeige als "weiteres trauriges Puzzlestück im Umgang des Innenministeriums mit Kritikern". Es dränge sich außerdem die Frage auf, ob der Artikel im "Kurier" die Zeitung erst auf die "Blacklist" kritischer Medien befördert habe.

Reimon kritisiert Kickl

Michel Reimon, EU-Abgeordneter und Co-Delegationsleiter der Grünen, sagte in einer Aussendung, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) führe sich auf wie ein "kleiner Diktator. Grundrechte wie Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sind für ihn bestenfalls lästige Formalitäten einer Demokratie."

Auch Amnesty International – konkret die Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation in Österreich – übte Kritik am Vorgehen im BFA. (bri, 3.10.2018)