Eine Woche vor Beginn des Oktoberfestes und drei Wochen vor Beginn der Expo Real war München in der Hand von Mieterinnen und Mietern.

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Tilman Schaich bezahlte für seine 65 Quadratmeter große Wohnung in der Münchner Isarvorstadt in den letzten sieben Jahren 675 Euro Miete. Ein guter Preis angesichts der schwindelerregenden Mieten in der Metropole: 16,80 Euro pro Quadratmeter wurden 2017 bei Wiedervermietung im Altbau laut offiziellen Zahlen bezahlt.

Mit der günstigen Miete könnte es für Schaich aber bald vorbei sein. Sein Haus wurde von einem Investor gekauft. Dieser schickte den Mietern eine "Modernisierungsankündigung": Per Schreiben wurden umfassende Sanierungsarbeiten und damit eine saftige Mieterhöhung angekündigt. Schaichs Miete soll um 821 Euro höher ausfallen als bisher – sich also mehr als verdoppeln.

Die Modernisierungsumlage, ein Gesetz aus den 1970er-Jahren, macht es möglich. Damit können Eigentümer die Kosten für Sanierungen auf ihre Mieter umlegen. Elf Prozent der Kosten konnten so bisher vom Mieter pro Jahr kassiert werden. Nach einer Gesetzesänderung Anfang September sind es nur noch acht Prozent.

Mieterstammtisch gestartet

Mieterschützer fordern allerdings eine komplette Abschaffung der Modernisierungsumlage. Sie sehen darin eine Methode, unliebsame Altmieter aus ihren Häusern zu drängen. Mieterhöhungen wie bei Tilman Schaich sind nicht ungewöhnlich. Tausende betroffene Mieter betreut der Münchner Mieterverein laut Aussendung. Teilweise verdreifache sich die Miete nach einer Modernisierung des Hauses.

Mieterschützer können laut Mieterverein zwar "in Härtefällen" manche Erhöhung verhindern. Aber allein die Modernisierungsankündigung erzeuge bei vielen Menschen schon eine so große Angst, dass sie ausziehen, erzählt Schaich.

Die verbliebenen Mieter in seinem Wohnhaus seien aber zusammengerückt, erzählt der Designer: Sie gründeten eine Mietergemeinschaft, außerdem wurde ein regelmäßiger Mieterstammtisch ins Leben gerufen, um sich mit anderen Häusern zu vernetzen.

Aus dem Engagement der Münchner Mieter entstand schließlich eine Bewegung, die in einer Demonstration gegen Mietwucher und soziale Ausgrenzung gipfelte. Mitte September gingen tausende Münchner auf die Straße. 11.000 waren es laut den Veranstaltern – einem Bündnis aus etwa 90 Mietergemeinschaften, Gewerkschaften und Parteien -, 10.000 laut Polizei.

Es seien viele gekommen, die nicht einmal selbst betroffen sind, so Schaich. "Aber die wissen: Morgen kann es mich auch treffen", etwa wenn der Hauseigentümer stirbt und das Haus verkauft wird.

Wohngipfel in Berlin

Zwar wurde mit der Demonstration viel mediale Aufmerksamkeit erzeugt. "Aber schon am Tag nach der Demonstration war klar, dass das Thema noch lange nicht gegessen ist", sagt Schaich.Dass sich in Ballungsräumen viele das Wohnen nicht mehr leisten können, weiß auch die deutsche Bundesregierung, die vor rund zwei Wochen Vertreter aus Politik und Immobilienwirtschaft zu einem Gipfel lud. Sie will die Mietpreisbremse weiter verschärfen und das Bauen beschleunigen.

"Das Ergebnis ist so, wie man es erwarten konnte", urteilt Schaich, der eine Symptom- statt einer Ursachenbekämpfung kritisiert und Maßnahmen gegen Bodenspekulation und Share-Deals, aber für die Sanierung von Bestandsmiethäusern vermisst.

In naher Zukunft ist in München zwar keine weitere Mieterdemo geplant, Schaich setzt aber auf die Vernetzung mit Aktivisten in anderen deutschen Städten. Und auch in seinem eigenen Zuhause will er weiterkämpfen. Ein Baustopp wurde dort allerdings nun aufgehoben. Derzeit würden bereits kleinere Arbeiten vorgenommen. "Das Ziel dürfte sein, uns das Wohnen so ungemütlich wie möglich zu machen." (Franziska Zoidl, 6.10.2018)