Frankreich möchte den Status des Parlamentssitzes in Straßburg erhalten.

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Die meisten Abgeordneten wünschen sich eine Verlagerung nach Brüssel.

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Brüssel/Straßburg/Wien – Von Brüssel nach Straßburg und wieder retour: Um mehr als 109 Millionen Euro im Jahr ziehen einmal pro Monat alle 751 EU-Parlamentarier samt ihren Assistenten, Beratern und EU-Funktionären für vier Tage während der Plenarwoche in die Elsass-Metropole. Denn Straßburg ist offiziell Hauptsitz des EU-Parlaments, doch die meiste Zeit wird im 440 Kilometer entfernten Brüssel getagt.

Seit Jahren gibt es Bestrebungen, dem kostspieligen Hin und Her ein Ende zu setzen und den Sitz des Parlaments ganz nach Brüssel zu verlagern. Frankreich will das aber verhindern – obwohl eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten fordert, den "Wanderzirkus" zu beenden. Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof im Streit um den Parlamentssitz ein Urteil gefällt, das Brüssel als Tagungsort stärken könnte.

Frankreichs Klage abgelehnt

Frankreich hatte gegen Budgetentscheidungen aus dem Jahr 2016 geklagt, weil diese in Brüssel getroffen worden waren. Derartige Besprechungen und Abstimmungen dürften nur in Straßburg stattfinden, hieß es in der Klage. Nun lehnte der EuGH die französische Klage ab. Das Parlament könne über Haushaltsfragen zum Teil auch in Brüssel entscheiden, wenn das für einen reibungslosen Ablauf des Budgetverfahrens notwendig sei, urteilten die Luxemburger Richter.

Das Urteil bestätigt zwar, dass der Arbeitsprozess des EU-Parlaments rechtens ist, wenn zeitbedingt gewisse Entscheidungen in Brüssel getroffen werden, aber es ist kein Schritt in Richtung Hauptsitzverlagerung, bedauert Thomas Waitz von der Fraktion der Grünen im EU-Parlament. "Leider, denn dass so viele Steuergelder beim Herumchauffieren tausender Personen und Akten verlorengehen, kann man den Bürgern nur schwer erklären", sagt Waitz zum STANDARD. Für Frankreich stehe nicht effiziente parlamentarische Arbeit an erster Stelle, sondern reine Machtsymbolpolitik. Auch Frankreichs sonst so proeuropäischer Präsident Emmanuel Macron, der regelmäßig mehr Effizienz auf europäischer Ebene fordert, sei in dieser Frage nicht zu bewegen.

Frankreich wertet das Urteil als Anerkennung Straßburgs als einzigen Standort für das gesamte Budgetverfahren, erklärt ein französischer Beamter in Brüssel, der nicht genannt werden möchte. Frankreich müsse jedoch wachsam bleiben, damit Straßburgs Status erhalten bleibe, sagt er zum STANDARD.

Behördentausch gescheitert

Das Brexit-Referendum hatte Brüssel-Befürwortern zunächst die Hoffnung gegeben, man könne Frankreich zu einem Tausch bewegen. Denn die in London angesiedelte EU-Behörden, die europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die europäische Bankenaufsicht (EBA), mussten schnell einen neuen Sitz finden. Ein Umzug dieser Behörden nach Straßburg hätte jene Hotels und Restaurants gefüllt, die ein Abzug des Parlaments leeren würde. Auch die Gründung einer europäischen Universität im Parlamentsgebäude war im Gespräch. Doch inzwischen plant die EMA ihren Umzug nach Amsterdam und die EBA nach Paris.

Für die konservative schwedische Abgeordnete Anna Maria Corazza Bildt, die eine Kampagne namens "Single Seat" (Einfacher Sitz) anführt, ist nicht Frankreich, sondern erst einmal Österreich am Zug. Die österreichische Regierung soll die Ratspräsidentschaft nutzen, um eine Diskussion über eine eventuelle Vertragsänderung in die Wege zu leiten. Das Urteil des EuGH habe ein für alle Mal bestätigt, dass die Arbeit der Abgeordneten in Brüssel essenziell und nicht auf Abstimmungen in Plenarsitzungen in Straßburg zu reduzieren sei. Das Pendeln erschwere aber genau diese Arbeit, sagt Corazza Bildt dem STANDARD. (Flora Mory, 3.10.2018)