Die ersten Reaktionen waren so verheerend wie das, was man auf der Leinwand zu sehen bekam. Dieser Film war nicht nur auf billigste Weise entstanden, er sah auch genauso aus. Noch während der Dreharbeiten veränderte Regisseur George A. Romero sein eigenes Drehbuch, musste aus Kostengründen geplante Szenen wegfallen lassen, ersann neue und veränderte gar das Finale. Was Romero nicht ahnen konnte: Night of the Living Dead, ein Stück unverdauliches Unterhaltungskino in Schwarzweiß, wurde mit seinem Kinostart am 4. Oktober 1968 zu einem der wichtigsten Horrorfilme des Jahrhunderts.

Wenn dieser Tage eine Mainstream-Zombieserie wie The Walking Dead bereits bei der neunten Staffel angelangt ist und sogar das österreichische Kino demnächst mit The Dark das Subgenre bearbeitet, dann ist das ohne Romeros Kultfilm undenkbar. Was hier vor fünfzig Jahren geschah, war nämlich mehr als eine Neuinterpretation eines alten Mythos.

Trailer zu Romeros Erstling (1968).
Viral Film

Denn im Gegensatz zu den aus dem Voodoo-Aberglauben stammenden Totengeistern – wie in Jacques Tourneurs Noir-Klassiker I Walked with a Zombie (1943) – waren Romeros Geschöpfe plötzlich keine willenlosen Diener mehr. "They’re coming to get you", neckt der Bruder in der Eröffnungsszene auf dem Friedhof seine Schwester – längst eine der populärsten Zeilen der Horrorfilmgeschichte –, als die erste wankende Gestalt zwischen den Gräbern auftaucht. Und genau so wird es sein.

Rednecks und Kennedy

Fünfzig Jahre später kann man sagen: Es war angerichtet. Denn die Interpretationen, die dieser Film anbot, bleiben bis heute die reine Freude: der die Führung übernehmende Schwarze, der das in einem Landhaus eingeschlossene Grüppchen befehligt; der hemdsärmelige weiße Familienvater, dem das eigene Hemd am nächsten ist; die sich aus Rednecks formierende Bürgerwehr, die lustvoll Kopfschüsse austeilt; und Massenmedien als unglaubwürdige Informationsquellen für eine ra(s)tlose Bevölkerung.

Aufgenommen in die Liste des nationales Filmerbes der USA: "Night of the Living Dead" (1968).
Foto: Filmmuseum

Wer im Oktober 1968 den Aufmarsch der Zombies im Kino sah, hatte täglich US-Soldaten in Vietnam gesehen, die Attentate auf Martin Luther King und Bobby Kennedy erlebt. Die Bürgerrechtsbewegung klopfte an die spießigen Wohnzimmertüren. Es hätte also keiner besseren buchstäblichen Beweggründe für die lebenden Toten bedurft, um als kollektives Trauma wiederaufzuerstehen.

Ursachen und Urängste

All das mochte sich auch in anderen Produktionen des Jahrgangs finden – in Planet of the Apes und Kubricks Weltraumodyssee 2001 oder in Peter Bogdanovichs Amokfilm Targets –, doch kein anderes Genre als der Horror hatte explizitere Möglichkeiten, diese Verstörungen ans Tageslicht zu zerren. Doch in Wahrheit spielt es keine Rolle, ob Romero, der mit fünf Sequels (u. a. Dawn of the Dead, 1978; Day of the Dead, 1985; Land of the Dead, 2005) den Erfolg des Genres selbst prolongierte, solche Allegorien vor Augen hatte. Dass Night of the Living Dead vom Kultfilm zum Autorenfilm avancierte und heute aufgrund seiner kulturellen Bedeutung auf der Liste des National Film Registry steht, ist nur recht und billig. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass dieser Film nur tausende Kilometer von Hollywood entfernt, in der Nähe von Pittsburgh, entstehen konnte.

Auch im Remake von George A. Romeros Klassiker "Dawn of the Dead" (2004) machen die lebenden Untoten das, was sie am besten können.
Foto: Universal Pictues

Interessanter aus heutiger Sicht ist die Tatsache, wie sich das Grauen auf der Leinwand als populärkulturelles Phänomen über Jahrzehnte veränderte – und vor allem die Zombies so ziemlich für alles herhalten mussten, wovor sich die Menschheit auch dieser Tage noch fürchtet. Dass diese Zombieflut mit der mit ihr einhergehenden industriellen Perfektionierung nicht abreißt, hat jedoch noch andere Gründe.

Denn der Zombiefilm erzählt zuvorderst vom (un)menschlichen Verhalten angesichts der personifizierten Unmenschlichkeit: Wie reagieren wir als Zivilisation, wenn uns das, was uns in den Bildern im Kino und im Fernsehen regelrecht verschlingt, so ähnlich ist? Wenn es eines Tages raffinierter und beweglicher ist als unsere ständig raffiniertere, angeblich besser informierte und beweglichere Gesellschaft? Und wenn es – vielleicht die schlimmste Vorstellung – gar eine eigene Parallelgesellschaft herausbildet? Dann muss man sich wohl eingestehen, dass man etwas grundlegend falsch gemacht hat. Es ist nicht die Angst vor dem Anderen, die die Fantasien hier beflügelt, sondern jene vor sich selbst.

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Wenn die letzte menschliche Bastion fällt: Zombiehorden in "Warld War Z".
Foto: AP

Die Ursachen für die Auferstehung der toten Körper – als christlich-mythologische Urangst – sind dabei immer schon reiner Vorwand gewesen (in Romeros Erstling ist es eine heimkehrende Weltraumsonde). Ob aufgrund eines Atomunfalls, eines "Wutvirus" wie im britischen 28 Days Later (2002), sinnfrei grundlos wie in der Slapstickparodie Shaun of the Dead (2004) oder aufgrund einer unerklärlichen Pandemie, wie sie Brad Pitt in World War Z (2013) zu bekämpfen hat – stets sind es die mehr oder weniger hoffnungs losen Abwehrmaßnahmen der Menschheit, die die Bilderproduktion der Zombiemaschinerie (auch) am Laufen halten. Selbst wenn die Kommerzialisierung den Maskenbildnern seither einiges an lohnender Mehrarbeit und dem Kino an Mehrwert bescherte.

Trailer zu Peter Jacksons Satire "Braindead".
DerFilmReZenSenT

Der Zombiefilm erzählt vom Verhältnis von Masse und Macht, vor allem aber vom schweren Prüfstein, auf dem dieses Verhältnis steht. Das kann man wie Romero in Dawn of the Dead als Kapitalismuskritik formulieren, wenn sich die letzten Überlebenden in ein Einkaufszentrum flüchten und sich dort eine neue Heimat errichten, während die Zombies wie ferngesteuerte Konsumenten durch die Gänge wandeln ("Memory of what they used to do. This was an important place in their lives"). Man kann es mit Splattereffekten auf die Spitze treiben oder persiflieren wie Peter Jackson in Braindead (1992). Was jedoch immer bleibt, ist die Angst dazuzugehören. Nicht länger als Individuum zu existieren. Denn das ist eine der schwierigsten Aufgaben zum Überleben. (Michael Pekler, 4.10.2018)