Neues Schiff zur Rettung von Bootsflüchtlingen: Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch will damit die europäische Strategie infrage stellen, "Menschen im Stich zu lassen".

Foto: Seawatch

Rom – Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch ist mit einem neuen Schiff zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer ausgelaufen. Das Boot Mare Jonio sei unter italienischer Flagge unterwegs zur libyschen Küste, schrieb die Organisation am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Zusammen mit anderen Flüchtlingsrettern werde dort "genau Ausschau" gehalten, hieß es in der Mitteilung.

Ziel sei es dabei auch, die europäische Strategie infrage zu stellen, "Menschen im Stich zu lassen". Sea-Watch war von November 2017 bis Jänner 2018 mit der Sea-Watch 3 an der Rettung von etwa 1.500 Menschen beteiligt. Seit Juli sitzt dieses Schiff wegen angeblicher Unklarheiten bei der Zulassung in Malta fest.

Die Initiative von Sea-Watch wird von einer Gruppe oppositioneller italienischer Parlamentarier unterstützt. Das Schiff soll offiziell keine Rettungseinsätze machen, sondern die Situation vor der libyschen Küste beobachten und Zeugenberichte sammeln. "Wir wollen über die dramatische Lage von Menschen berichten, die angesichts der fehlenden Rettungseinsätze enormen Gefahren ausgesetzt sind", so die NGOs, die das Projekt unterstützen.

Schon mehr als 1700 Tote heuer

Das Schiff soll am Samstag in der Such- und Rettungszone vor Libyen ankommen. Die Regierung in Rom lässt keine privaten Rettungsschiffe mit Migranten mehr in die Häfen des Landes. Mehrere NGO-Boote wurden in den vergangenen Monaten tagelang auf dem Meer blockiert, nur noch ein Schiff von Proactiva ist derzeit vor Libyen unterwegs. "Es ist Zeit für ein italienisches Schiff", hieß es auf dem Twitter-Profil der jüngsten Initiative, "Mediterranea" genannt.

Mittlerweile kommen wesentlich weniger Migranten in Italien an. Doch in Relation zu den Abfahrten wird die Überfahrt immer gefährlicher. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 1700 Menschen im Mittelmeer auf der Flucht Richtung Europa ums Leben, 1260 alleine auf der zentralen Route zwischen Libyen und Italien. Die Dunkelziffer liegt nach Angaben von NGOs aber weit höher, weil niemand mehr vor Ort sei, um zu sehen, wie viele Menschen wirklich untergehen.

Aquarius sucht neuen Flaggenstaat

Inzwischen kam das Rettungsschiff "Aquarius" am Donnerstag im südfranzösischen Marseille an und sucht weiter nach einem neuen Flaggenstaat. "Wir rufen die europäischen Regierungen auf, es uns zu ermöglichen, unsere lebensrettende Arbeit fortzusetzen, indem sie der Aquarius eine Flagge geben", teilte die Hilfsorganisation SOS Méditerranée mit. "Wir sind entschlossen, so schnell wie möglich zurück in den internationalen Gewässern des zentralen Mittelmeers zu sein."

Der bisherige Flaggenstaat Panama hatte angekündigt, das Schiff aus seinem Schifffahrtsregister zu streichen und ihm somit die Flagge zu entziehen. Wenn das geschieht, wäre das Schiff, das seit der Registrierung in Panama offiziell "Aquarius 2" heißt, bis auf Weiteres stillgelegt. (APA, AFP, red, 4.10.2018)