Heftige und nicht selten öffentlichkeitswirksame Proteste gegen Großvorhaben wie die berühmt-berüchtigte Salzburger Stromautobahn verzögern so manches Projekt um Jahre.

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Wien – Die Aufregung unter den Umweltschützern gegen die Regierungspläne, ihre Beteiligung an Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) zu erschweren, ebbt nicht ab. Wie berichtet, brachten die Regierungsparteien kurzfristig einen Abänderungsantrag ein, dem zufolge ein Verein als Voraussetzung für die Parteistellung in einem UVP-Verfahren mindestens 100 Mitglieder und ein Verband mindestens fünf Vereine umfassen muss. Der Antrag passierte am Donnerstag den Umweltausschuss des Nationalrats. Der grüne EU-Parlamentarier Thomas Waitz hat eine Anfrage an die EU-Kommission auf den Weg gebracht mit der Frage, ob die Kommission die Änderung für rechtens halte.

Von Schikane war am Donnerstag die Rede. Am Freitag richteten Greenpeace, Global 2000 und WWF einen Appell an Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Sie soll dafür zu sorgen, dass die Regierungsparteien den Antrag in drei Wochen im Nationalrat zurücknehmen. "Andernfalls wäre die Ministerin in ihrer politischen Rolle nicht mehr tragbar", so Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit, der gleich von einem "Ausschluss von Vereinen" sprach und schwere Geschütze auffuhr: "Auch die geplante Offenlegung von Mitgliederlisten samt Name und Anschrift erinnert an Praktiken wie unter Premier Orbán in Ungarn, wo zivilgesellschaftliche Organisationen gezielt eingeschüchtert werden."

Köstinger kann die harsche Kritik erneut nicht nachvollziehen. Denn: "Faktum ist, dass wir über die Umsetzung der Aarhus-Konvention die Mitwirkungsrechte der NGOs gestärkt haben", sagte sie am Freitag. Gesprächsbereitschaft ließ sie aber durchklingen.

Verfassungsrechtler kann Empörung nachvollziehen

Für den Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer ist die Empörung durchaus nachvollziehbar. Die Offenlegung der Mitgliederlisten hält er für "unzulässig", wie er der Austria Presseagentur sagte. Sollte diese Bestimmung beschlossen werden, würde sie seiner Ansicht nach nicht halten, weil sie der Datenschutzgrundverordnung widerspreche.

Auch das von der ÖVP ins Treffen geführte Argument der Transparenz – nach schwedischem Vorbild – ist für den Verfassungsjuristen nicht haltbar. "Österreich hat europaweit das strengste Amtsgeheimnis – im Gegensatz dazu wird der gläserne Bürger verlangt", meinte der ehemalige Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Seiner Ansicht nach gebe es keinen gerechtfertigten Grund, Öffentlichkeit und Behörden darzulegen, wer Mitglied einer NGO ist. "Das kann nur dazu dienen, Druck auf Leute auszuüben – eine ganz unschöne Sache", konstatierte Mayer.

"Was die Größe von Umweltorganisationen angeht, da kann man argumentieren", meinte der Jurist. Für ihn ist vorstellbar, sehr kleine Organisationen mit nur zwei oder drei Mitgliedern von UVP-Verfahren auszuschließen, nicht jedoch solche mit 70 oder 80 Mitgliedern. "Die Zahl 100 ist durch nichts gerechtfertigt", sagte Mayer und gab gleichzeitig zu bedenken, dass Umweltorganisationen ohnehin schon jetzt die Anerkennung durch das Ministerium benötigen.

Mit allen Mitteln dagegen

Greenpeace will sich ohnehin mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Man werde auch in Zukunft an UVP-Verfahren teilnehmen – ohne dabei Datenschutzrechte zu verletzen und Mitgliederdaten an Behörden weiterzugeben. Werde man dann von der Parteistellung ausgeschlossen, will man rechtliche Schritte ergreifen. "Schwarz-Blau kann davon ausgehen, dass Greenpeace dann jeden einzelnen Fall bis zum Verfassungsgerichtshof bringen und die Organisation für ihr Recht kämpfen wird", so Egit. Die Folge wäre eine Rechtsunsicherheit und damit erst recht eine jahrelange Verzögerung von Großprojekten in Österreich.

Auch Hanna Simons, stellvertretende Geschäftsführerin des WWF Österreich, schießt scharf gegen die Pläne und spricht von einem "demokratiefeindlichen, rechtswidrigen Anti-Umweltschutz-Paket", das gegen den Datenschutz verstoße. Die Koalition müsse das Vorhaben stoppen. Gefordert sei die Umweltministerin. "Die Bundesregierung will potenziell umweltschädliche Großprojekte durchpeitschen, ohne dabei von kritischen Stimmen gestört zu werden", ist Simons sicher.

Errungenschaften in Gefahr

"Der Antrag versucht, die Errungenschaften der österreichischen Umweltpolitik seit der Auseinandersetzung von Hainburg in unsäglicher Weise einzuschränken", legt auch Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von Global 2000, nach. Durch die Latte von mindestens 100 Mitgliedern würden viele der derzeit 57 österreichischen Umweltschutzorganisationen mit Parteienstellung von UVP-Verfahren ausgeschlossen, die über viele Jahre kompetent und konstruktiv für die Verbesserung von Genehmigungen im Abfall-, Wasser- und Luftbereich eingetreten seien.

Derzeitig würde die UVP-Verfahrensdauer ab Vorliegen der vollständigen Unterlagen bis zum Entscheid der Behörde im Durchschnitt sieben Monate betragen, so Global 2000. Dass Verfahren länger dauern, liege häufig an mangelhaften Unterlagen der Projektwerber oder schlicht an der Überlastung der Behörden. "Wir fordern Bundesministerin Köstinger auf, zu dem vermurksten und rechtswidrigen Abänderungsantrag Stellung zu beziehen und dafür zu sorgen, dass er umgehend zurückgezogen wird", so Gewessler.

Wer für Verzögerung sorgt

Unterstützung kommt vom grünen Umweltlandesrat in Oberösterreich, Rudi Anschober: Die Behauptung, dass NGOs mit Einsprüchen für lange Verfahrensdauern sorgen, sei längst widerlegt. Es seien mangelhafte Unterlagen der Projektwerber, die Verzögerungen verursachen.

Zur Verteidigung rückt am Freitag zumindest der Tiroler Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl aus, der noch einmal die Pro-Argumente auf den Tisch legt: Die Novellierung des UVP-Gesetzes sei eine "wichtige Maßnahme zur weiteren Vereinfachung und Objektivierung von Verfahren". (red, 5.10.2018)